Essentielle Werke des Heiligen Ambrosius von Mailand, Band 2. Ambrosius von Mailand

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Essentielle Werke des Heiligen Ambrosius von Mailand, Band 2 - Ambrosius von Mailand Die Schriften der Kirchenväter

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Da sehet ihr, daß er nicht als ein gezierter ängstlicher Fürsprecher mit sich zu Rathe geht, ob darin etwa eine Beleidigung liege: was Novatian zu fürchten behauptet. Er denkt an das ganze Volk, an sich denkt er nicht, und so fürchtet er auch nicht, Gott dadurch zu beleidigen, daß er das Volk von der Gefahr der Beleidigung Gottes befreit.

      Mit Recht steht also geschrieben: „Wer wird bittend für ihn eintreten?“ d. h. Jemand, wie Moses, der sich selbst für die Schuldigen darbot; Jemand, wie der Prophet Jeremias, dem der Herr gesagt hatte: „Bitte nicht für jenes Volk,“ und der doch bat und Verzeihung erwirkte. Auf die Fürbitte des Propheten nämlich, und bewegt durch das Flehen des erhabenen Sehers, wendete sich der Herr wieder zu Jerusalem, das inzwischen auch Buße für seine Vergehungen gethan hatte, da es flehte: „Und nun, allmächtiger Herr, Gott Israels, eine Seele in Aengsten und ein beklommener Geist rufet zu dir! Höre, o Herr, und erbarme dich; du bist ja ein barmherziger Gott, erbarme dich unser, denn wir haben gesündigt.“ Der Herr befahl dann, die Trauergewande abzulegen und den Bußthränen zu wehren. So steht ja geschrieben das Wort des Herrn: „Zeuch aus, Jerusalem, das Kleid deiner Trauer und Qual und thue an die Zier und Ehr’ jener ewigen Herrlichkeit, die Gott dir verleiht.“23

      Cap. 10

      Solche Fürsprecher muß man also bei dem schwersten Vergehen suchen. Wenn dagegen gewöhnliche Menschen aus dem Volke bittend eintreten, so werden sie freilich keine Erhörung finden.

      Deßhalb kann die fernere Frage, die ihr aus dem Briefe des heiligen Johannes herübernehmt, keinerlei Bedenken erregen. „Wer da weiß,“ sagt der Apostel, „daß sein Bruder sündige, aber nicht zum Tode, der bitte, und es wird dem, der nicht zum Tode sündiget, das Leben gegeben werden. Es gibt eine Sünde zum Tode, und nicht für diese sage ich, daß Jemand bitten solle.“ Er redet nicht zu Moses und Jeremias, sondern zu dem Volke, welches für seine Sünden einen anderen Fürsprecher haben mußte. Ihm, dem Volke, mußte es genug sein, für die leichteren Vergehen bei Gott Fürbitte einzulegen, während es sich überzeugt halten mußte, daß nur die Gebete der Gerechten Gnade für die schwereren Sünden erwirken könnten. Wie sollte sonst Johannes behaupten können, man dürfe für schwerere Vergehen nicht bittend auftreten, da er doch wußte, daß Moses bei seiner Fürbitte Erhörung gefunden, als es sich um einen ganz freiwilligen Abfall handelte? Nicht minder wußte er, daß Jeremias mit gleichem Erfolge gebeten hatte.

      Wie sollte nun Johannes behaupten können, man dürfe nicht für die Sünde, welche zum Tode ist, eintreten, da er doch in der geheimen Offenbarung jenes Gebot an den Engel der Kirche von Pergamos schrieb? „Du hast daselbst Einige, welche die Lehre Balaams halten, der den Balak lehrte, ein Aergerniß anzurichten vor den Kindern Israels, Götzenopfer zu essen und Hurerei zu treiben: so hast auch du, welche die Lehre der Nicolaiten halten. Thue auch du Buße: wo nicht, so komme ich dir schnell.“ Seht ihr, wie Gott, der die Buße fordert, auch Verzeihung zusagt? Er fügt nämlich hinzu: „Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt: wer überwindet, dem will ich von dem verborgenen Manna zur Speise geben.“

      Hatte etwa Johannes nicht erfahren, daß Stephanus für seine Verfolger betete, obwohl diese nicht einmal den Namen Christi hören konnten? Für diejenigen, welche ihn steinigten, flehte er: „Herr, rechne es ihnen nicht zur Sünde.“ Wie wirksam dieses Gebet war, zeigt uns der Apostel. Es wurde ja Paulus, der die Kleider der Steiniger bewacht hatte, nicht lange nachher durch die Gnade Christi ein Apostel des Herrn, wie er vorher sein Verfolger gewesen war.

      Cap. 11

      Da wir nun einmal des Briefes Johannis erwähnt haben, so wollen wir auch betrachten, was in seinem Evangelium geschrieben steht, um zu erkennen, ob das mit eurer Auslegung übereinstimmt. Hier erzählt er, daß der Herr gesagt habe: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingebornen Sohn dahin gab, so daß Jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern das ewige Leben habe.“ Wenn du nun einen Gefallenen zurückzuführen wünschest, wirst du ihn ermahnen, daß er glaube, oder daß er nicht glaube? Sicher, daß er glaube. Aber wer glaubt, der hat nach dem Worte des Herrn das ewige Leben. Wie willst denn du nun wehren, für den bittend einzutreten, dem das ewige Leben zu Theil werden soll? da doch der Glaube ein Geschenk der göttlichen Gnade ist, wie das der Apostel, wo er von der Vertheilung der Gnadengaben spricht, ganz ausdrücklich lehrt. So flehen auch die Jünger: „Mehre uns den Glauben.“ Wer also den Glauben hat, der hat das Leben; wer aber das Leben hat, der ist doch wahrhaftig nicht ausgeschlossen von der Verzeihung. „Jeder, der an mich glaubt,“ sagt der Herr, „wird nicht verloren gehen.“ „Jeder" sagt er: so ist denn Keiner zurückgewiesen, Keiner ausgeschlossen. Der Herr schließt auch denjenigen nicht aus, der gefallen ist, wenn er nur nachher zum vollen Glauben gelangt.

      Wir wissen aus eigener Erfahrung, daß gar Viele nach ihrem Falle sich wieder gebessert und für den Namen Gottes gelitten haben: Können wir nun diesen die Gemeinschaft der Martyrer verweigern, da der Herr Jesus selbst sie ihnen nicht weigert? Wagen wir zu behaupten, daß denen das Leben nicht zurückgegeben sei, denen Christus den Siegeskranz verliehen hat? Wie nun so Manchen, wenn sie nach dem Falle Martern ertragen, der Siegeskranz zu Theil wird, so erhalten sie auch, wenn sie vertrauensvoll zum Herrn sich wenden, die Gnade des Glaubens wieder. Dieser Glaube ist ja ein Geschenk Gottes. Denn so steht geschrieben: „Euch ist in Beziehung auf Christum gegeben, nicht nur an ihn zu glauben, sondern auch für ihn zu leiden.“ Kann nun der, welcher vom Herrn diese Gnadengabe besitzt, nicht auch Verzeihung erlangen?

      Diese Gnadengabe ist aber eine doppelte: einmal an den Herrn Jesus zu glauben, dann für ihn zu leiden. Derjenige, welcher glaubt, besitzt die eine Gnade; die andere besitzt er, wenn sein Glaube durch Martern und Leiden verherrlicht wird. So war Petrus, ehe er litt, keineswegs ohne Gnade; aber in seinem Leiden ward er auch der anderen theilhaftig. Und gar Viele gibt es, die die Gnade, für Jesus zu leiden, nicht erlangten; gleichwohl hatten sie die Gnade, an ihn zu glauben.

      Deßhalb heißt es auch: „Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht verloren gehen.“ „Jeder,“ d. h. in welchem Stande er sein mag, von welchem Falle er sich erheben muß, er darf nicht fürchten, verloren zu gehen, wenn er glaubt. Es kann ja geschehen, daß Jemand von Jerusalem nach Jericho wieder hinabsteigt, d. h. daß Jemand von dem Kampfe des Martyriums wieder in die Lust dieses Lebens, in die Freuden, die die Welt bietet, sich verliert, daß dieser von den Räubern, d. h. hier von den Verfolgern verwundet und halbtodt liegen gelassen wird. So findet ihn dann jener Samaritan des Evangeliums, welcher der Hüter unserer Seelen ist, — heißt ja doch Samaritan so viel als Wächter; — er geht nicht vorüber, nein, er sorgt für ihn und heilt ihn.

      Wohl mir! deßhalb geht der Samaritan nicht vorüber, weil er noch Leben in dem Verwundeten erkennt, so zwar, daß er das volle Leben wieder erlangen kann. Scheint nun derjenige, welcher gefallen ist, nicht halbtodt, wenn der Glaube noch einen Lebensfunken bewahrt hat? Wer Gott gänzlich aus seinem Herzen vertreibt, nur der ist todt. Wer aber nur unter der Wucht der Martern zeitweise ihn verleugnet hat, der ist nur halbtodt. Oder aber, wenn er ganz todt ist, wie kannst du ihm, der nicht mehr geheilt werden kann, auflegen, Bußwerke zu übernehmen? Wenn er halbtodt ist, dann gieße Oel und Wein in seine Wunden; Oel und Wein zugleich: zum Heilen, aber zum schmerzhaften Heilen. Ja, lade ihn nur auf dein Lastthier, übergib ihn dem Wirthe, wende die beiden Münzen auf seine Heilung und beweise dich ihm als Nächster. Das kannst du aber nicht sein, wenn du nicht Barmherzigkeit an ihm übst: nur der kann als Nächster gelten, der nicht tödtet, sondern heilt. „Willst du sein Nächster sein,“ sagt Christus, „so gehe hin und thue deßgleichen.“

      Cap. 12

      Ein anderes Wort sagt: „Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben; wer aber dem Sohne nicht glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm.“ Was nun bleibt, das hat doch

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