Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 1. Augustinus von Hippo

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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 1 - Augustinus von Hippo Die Schriften der Kirchenväter

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konnte, so zügelte sich der unmenschliche Grimm und die Gier nach Gefangenen brach sich. So entrannen dem Verderben viele, die heute auf die christlichen Zeiten schmähen und die Leiden, die die Stadt erduldet hat, Christo zuschreiben; daß ihnen aber um der Ehre Christi willen Heil widerfuhr, indem sie am Leben blieben, das schreiben sie nicht unserem Christus, sondern ihrem Schicksal zu. Und sie sollten doch vielmehr, wenn sie einige Einsicht hätten, die erduldeten Kriegsleiden auf die göttliche Vorsehung zurückführen, die gar oft durch Kriege die verderbten Sitten bessert und vernichtet und hinwieder das Leben der Gerechten und Guten durch solche Heimsuchungen prüft, um es geläutert in eine höhere Sphäre zu versetzen oder noch auf dieser Welt festzuhalten zur Erfüllung anderer Aufgaben; dagegen die Schonung, die ihnen rauhe Barbaren allem Kriegsbrauch entgegen allerorts um des Namens Christi willen oder doch an den dem Namen Christi speziell geweihten Stätten, in jenen weiten Hallen, die[9] bestimmt wurden aus besonderem Erbarmen als geeignet zur Aufnahme großer Massen, diese Schonung sollten sie den christlichen Zeiten zuschreiben und daraus Anlaß nehmen, Gott zu danken und, um der Strafe des ewigen Feuers zu entgehen, nun in Wahrheit bei seinem Namen Zuflucht suchen, den viele von ihnen unaufrichtig in Anspruch genommen haben, um der Strafe zeitlichen Verderbens zu entgehen. Denn unter denen, die man jetzt mutwillig und frech die Anhänger Christi höhnen sieht, finden sich genug, die damals dem Ruin nicht entronnen wären, wenn sie sich nicht als Anhänger Christi ausgegeben hätten. Und jetzt widersetzen sie sich mit verkehrtem Herzen in undankbarem Stolz und ganz gottlosem Wahnsinn seinem Namen, so daß sie mit ewiger Finsternis gestraft werden, jenem Namen, unter dem sie mit heuchlerischer Miene Schutz zu suchen sich nicht entblödeten, damit sie das irdische Licht noch länger genössen.

      

       2. Es ist in der Kriegsgeschichte unerhört, daß Sieger wegen der Götter der Überwundenen den Besiegten Schonung gewährt hätten.

      

      Eine Unzahl von Kriegen vor der Gründung Roms, seit seinen Anfängen und dem Emporsteigen zur Weltherrschaft ist beschrieben worden: man lese in diesen Kriegsgeschichten und führe uns ein Beispiel an, daß eine Stadt von einem fremden Volke genommen worden wäre und dabei die Gegner, die sie nahmen, die verschont hätten, die sich in die Tempel ihrer Götter flüchteten, oder daß je ein Heerführer von Barbaren den Befehl erteilt hätte, daß nach dem Eindringen in die Stadt niemand getötet werde, den man in diesem oder jenem Tempel antreffe. Sah nicht Äneas, wie

      „Priamus[10] an den Altären

       Das von ihm geheiligte Feuer mit Blut befleckte?“

       Haben nicht Diomedes und Ulixes[11] ,

       „als sie die Wächter des obersten Schlosses ermordet,

       Weggeschleppt das blutige Bild und mit blutigen Händen

       Ohne Scheu berührt den Jungfrau'nschleier der Göttin“?

       Und doch ist nicht wahr, was folgt:

       „Seitdem entschwand und sank dahin der Danaer Hoffnung“.

      Denn nachher erst siegten sie, nachher erst vernichteten sie Troja mit Feuer und Schwert und hieben den Priamus nieder, der beim Altare Schutz suchte. Und nicht deshalb ging Troja zugrunde, weil ihm seine Minerva abhanden kam. Denn was war ihr zuerst abhanden gekommen, daß sie zugrunde ging? Etwa ihre Wächter? Ja das ist die Wahrheit; nachdem diese BeSchutzer getötet waren, konnte man ihr beikommen, Denn nicht das Götterbild wahrte die Menschen, sondern die Menschen wahrten das Götterbild. Wie konnte man doch als Schutzherrin von Stadt und Bürgern eine Göttin verehren, die ihre eigenen BeSchutzer nicht zu Schutzen vermochte!

      

       3. Es war unklug von den Römern, sich etwas zu versprechen von den Schutzgöttern, die Troja zu Schutzen nicht imstande waren.

      

      Das also waren die Götter, denen die Römer die Bewahrung ihrer Stadt anvertraut zu haben sich glücklich schätzten. Welch kläglicher Irrtum! Und uns zürnen sie, wenn wir so etwas von ihren Göttern sagen; nicht aber zürnen sie ihren Schriftstellern; vielmehr haben sie für den Unterricht in der Literatur Schulgeld ausgegeben und die Lehrer auch noch einer öffentlichen Besoldung und der Auszeichnung durch Ehren höchst würdig erachtet. Und doch wird bei Vergil, den die Knaben lesen, damit der große Dichter, von allen der berühmteste und beste, sich tief in das noch zarte Gemüt einsenke und nicht leicht wieder vergessen werde nach dem bekannten Worte des Horaz[12] ;

      „Lange bewahrt noch der Krug den Geruch, womit er erfüllt ward,

       Da er noch neu“.

      Bei diesem Vergil also wird ja die den Trojanern feindselig gesinnte Juno mit folgenden Worten an Äolus, den König der Winde, eingeführt, den sie gegen die Trojaner aufreizt[13] :

      „Ein mir verhaßtes Volk durchquert die tyrrhenischen Wasser,

       Ilion führt's nach Italien und die besiegten Penaten“.

      War es wirklich klug, solchen besiegten Schutzgöttern Rom anzuvertrauen, damit es nicht besiegt werde? Aber Juno sprach dies vielleicht als ein leidenschaftliches Weib, ohne zu wissen, was sie sagte. Indes Äneas selbst, der so und so off der Fromme genannt wird, auch er erzählt[14] :

      „Panthus, des Othrys Sohn, der Priester der Burg und des Phöbus,

       Schleppt die besiegten Götter mit sich und das heil'ge Geräte,

       An der Hand den Enkel, so strebt er hastig zum Ausgang“. _

      Mußte er nicht meinen, daß diese Götter, die er unbedenklich besiegte Götter nennt, ihm anvertraut seien, und nicht er ihnen, da ihm zugerufen wird[15] :

      „Troja empfiehlt dir die Heiligtümer und seine Penaten“.

      Wenn also Vergil so die Götter zeichnet, als Besiegte, die, um nur überhaupt noch zu entkommen, einem Menschen anvertraut wurden, welcher Wahnsinn ist es dann zu glauben, daß Rom weislich solchen Schutzherren übergeben worden sei und daß die Stadt nicht hätte verwüstet werden können, wenn sie ihrer nicht verlustig gegangen wäre! Nein, besiegte Götter als Hüter und Schutzer verehren, heißt nicht gute Taler sondern schlechte Zahler haben. Hätte Rom sie nicht nach Kräften vor dem Untergang bewahrt, sie wären längst verschwunden; diese Annahme ist viel vernünftiger als die gegenteilige, daß Rom nicht zu Fall gekommen wäre, wenn sie nicht vorher verschwunden wären. Denn wer sähe nicht, wenn er nur sehen will, wie nichtig das Vorurteil ist, Rom könne unter dem Schutz von Besiegten nicht besiegt werden und sei deshalb untergegangen, weil es um seine Schutzgötter gekommen, da doch zum Untergang der eine Grund hinreichend wäre, daß man Schutzgötter haben wollte, um die man kommen konnte. Also haben die Dichter, als man von den besiegten Göttern das schrieb und sang, nicht eine Lüge beliebt, sondern die Wahrheit hat ehrliche Männer zum Bekenntnis gezwungen. Doch davon läßt sich besser an anderer Stelle mit eingehender Sorgfalt handeln. Jetzt will ich, so gut ich kann, in kurzen Worten das angeschlagene Thema vom Undank der Menschen erledigen. Sie geben die Übel, die sie bei der Verkehrtheit ihrer Sitten verdientermaßen erdulden, schmähsüchtigerweise unserm Christus Schuld; daß sie aber trotz ihrer Strafwürdigkeit um Christi willen Schonung erfuhren, das würdigen

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