Das Ende des Wachstums. Richard Heinberg
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Nehmen wir nur ein Beispiel: die Explosion der Ölplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko im Jahr 2010.
Die Tatsache, daß BP in tiefen Gewässern im Golf von Mexiko nach Öl bohrte, illustriert einen weltweiten Trend: Auf der einen Seite besteht die Gefahr, daß der Welt demnächst das Öl ausgeht, auf der anderen Seite werden an Land, wo das Bohren billig ist, kaum noch neue Ölvorkommen entdeckt. Solche Vorkommen hat man bereits gefunden und ausgebeutet. Der Internationalen Energieagentur zufolge werden im Jahr 2020 fast 40 Prozent der Weltölproduktion aus Offshore-Förderung stammen. Zwar ist es hart, gefährlich und teuer, in 1200 bis 1500 Metern Wassertiefe nach Öl zu bohren, aber der Ölindustrie bleibt nichts anderes übrig, wenn sie weiter den Rohstoff liefern will. Das bedeutet auch, daß das Öl teurer wird.
Natürlich waren die ökologischen Kosten, die die Explosion der Deepwater Horizon und das Leck verursachten, verheerend. Weder die Vereinigten Staaten noch die Ölindustrie können sich einen weiteren Unfall dieser Größenordnung leisten. Deshalb verhängte die Regierung Obama 2010 ein Moratorium für Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko (das allerdings nur 6 Monate galt; Anm. d. Übers.) und arbeitete gleichzeitig neue Regeln für Bohrungen aus. Andere Staaten begannen, ihre eigenen Richtlinien für Tiefseebohrungen zu überprüfen. Die Wiederholung einer derartigen Katastrophe wird dadurch weniger wahrscheinlich, aber die Kosten für Ölbohrungen und damit die schon heute hohen Ölpreise werden noch weiter steigen.
Die Katastrophe auf der Deepwater Horizon illustriert bis zu einem gewissen Grad auch den Dominoeffekt von Ressourcenerschöpfung und Umweltschäden auf die Finanzinstitutionen. Die Versicherungsgesellschaften mußten die Prämien bei Tiefseebohrungen erhöhen, und die Auswirkungen auf die regionale Fischereiindustrie haben die Wirtschaft am Golf hart getroffen. Ein Teil der Kosten für die Golfregion wurde durch Zahlungen von BP ausgeglichen, aber BP mußte infolge der Aufwendungen umstrukturieren, der Aktienkurs und die Renditen der Investoren sanken. Die Finanznöte von BP hatten wiederum Folgen für die britischen Pensionsfonds, die Geld in das Unternehmen investiert hatten.
Dies ist nur ein Beispiel – zugegeben ein besonders spektakuläres. Wäre es ein Einzelfall, könnte sich die Wirtschaft erholen und weitermachen. Aber wir erleben heute und in Zukunft eine Abfolge ökologischer und ökonomischer Katastrophen, die nicht unbedingt zusammenhängen, aber das Wirtschaftswachstum immer stärker behindern werden. Dazu zählen unter anderem:
•Klimaveränderungen, die zu regionalen Dürren, Überflutungen und sogar Hungersnöten führen;
•Knappheit von Energie, Wasser und Rohstoffen;
•Wellen von Banken- und Firmenzusammenbrüchen sowie Zwangsversteigerungen von Immobilien.
Jede dieser Erscheinungen wird üblicherweise als ein Fall für sich behandelt, als ein Problem, das gelöst werden muß, damit wir wieder »zurück zur Normalität« gelangen können. Aber letztendlich hängen sie insofern zusammen, als sie Folgen des Bevölkerungswachstums sind. Immer mehr Menschen wollen pro Kopf immer mehr der begrenzten Ressourcen (darunter nichterneuerbare, das Klima verändernde fossile Brennstoffe) konsumieren, und das auf einem endlichen und zerbrechlichen Planeten.
Unterdessen sind mit den seit Jahrzehnten aufgehäuften Schulden alle Voraussetzungen für einen Jahrhundertcrash geschaffen – wir sehen es um uns herum; der Crash hat das Potential, erhebliche politische Unruhe und viel Leid für die Menschen zu bringen.
Das Ergebnis: Wir erleben einen perfekten Sturm aus gleichzeitigen Krisen, die zusammen einen Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit markieren. Wir sind Zeugen und Beteiligte bei der Wende von Jahrzehnten des wirtschaftlichen Wachstums zu Jahrzehnten einer schrumpfenden Wirtschaft.
Das Ende des Wachstums kommt eigentlich nicht überraschend
Der Gedanke, daß das Wachstum irgendwann in diesem Jahrhundert enden wird, ist nicht neu. Bereits 1972 erschien ein Buch mit dem Titel Die Grenzen des Wachstums, es wurde zu dem ökologischen Bestseller schlechthin.1
Das Buch basierte auf den ersten Versuchen, in Computermodellen das wahrscheinliche Zusammenspiel der Veränderungen bei Ressourcen, Konsum und Bevölkerungsentwicklung abzubilden. Außerdem war es die erste große wissenschaftliche Untersuchung, die die Annahme infrage stellte, das Wirtschaftswachstum könne und werde in der absehbaren Zukunft mehr oder weniger ungebrochen weitergehen.
Damals klang das ketzerisch – und heute immer noch. Die Vorstellung, daß das Wachstum über einen bestimmten Punkt hinaus nicht weitergehen kann und nicht weitergehen wird, war für manche Kreise höchst ärgerlich, und bald schon wurde Die Grenzen des Wachstums durch Wirtschaftsinteressen, die auf Wachstum setzen, »entlarvt«. Tatsächlich beschränkte sich die »Entlarvung« darauf, ein paar Zahlen in dem Buch vollständig aus dem Zusammenhang zu reißen, sie als »Vorhersagen« (was sie ausdrücklich nicht waren) zu deklarieren und dann zu erklären, die Vorhersagen seien nicht eingetroffen.2 Der Trick wurde rasch aufgedeckt, aber Widerlegungen bekommen oft nicht annähernd so viel Aufmerksamkeit wie Anklagen, und bis heute glauben Millionen Menschen, es sei seit langem klar, daß das Buch nicht glaubwürdig sei. In Wahrheit haben sich die Szenarien aus dem Buch ganz gut behauptet. (Kürzlich kam eine Untersuchung der Australian Commonwealth Scientific and Industrial Research Organization, CSIRO, zu dem Schluß: »[Unsere] Analysen zeigen, daß die Daten aus 30 Jahren ziemlich gut dazu passen, wie [in Die Grenzen des Wachstums] die Weiter-So-Szenarien beschrieben werden …«)3
Grafik 1. Das Szenario »Grenzen des Wachstums«.
Quelle: Grenzen des Wachstums – Das 30-Jahre-Update (2006), S. 260.
Die Autoren fütterten ihre Computer mit Daten zum Bevölkerungswachstum, zu Konsumtrends und den Vorräten an wichtigen Ressourcen, ließen dann die Modellrechnungen laufen und folgerten am Schluß, das Ende des Wachstums werde irgendwann zwischen 2010 und 2050 erreicht sein. Von da an werde die Industrie- und Nahrungsmittelproduktion sinken und die Bevölkerungszahl zurückgehen.
Das Szenario aus Die Grenzen des Wachstums wurde in den Jahren nach der Veröffentlichung des Buchs wiederholt durchgespielt, mit immer raffinierterer Software und aktualisierten Daten. Die Ergebnisse waren jedesmal ähnlich.4
Warum ist Wachstum so wichtig?
In den letzten beiden Jahrhunderten entwickelte sich das Wirtschaftswachstum zum praktisch einzigen Index für das Wohlergehen eines Landes. Wenn die Wirtschaft wuchs, entstanden neue Jobs, und Investitionen brachten hohe Renditen. Wenn die Wirtschaft vorübergehend nicht wuchs, wie während der Weltwirtschaftskrise, führte das zu einem finanziellen Aderlaß.
In diesem Zeitraum nahm die Weltbevölkerung zu – von unter zwei Milliarden Menschen im Jahr 1900 auf über sieben Milliarden heute, jedes Jahr kommen rund 70 Millionen neue »Konsumenten« hinzu. Deshalb ist künftiges Wirtschaftswachstum noch wichtiger: Wenn die Wirtschaft stagniert, können pro Kopf weniger Güter und Dienstleistungen zirkulieren.
Wir bauen auf Wirtschaftswachstum, wenn es um die »Entwicklung« der ärmsten Volkswirtschaften