Perry Rhodan Neo 244: Iratio. Rüdiger Schäfer

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Perry Rhodan Neo 244: Iratio - Rüdiger Schäfer Perry Rhodan Neo

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denn das Gerät eröffnete ihm den Zugang in ein Universum aus nahezu grenzenlosem Wissen und ungezählten Geschichten. Dann entdeckte Vater das Gerät und verkaufte es, um seine Trunksucht zu finanzieren.

      Der Schule gegenüber hatte Iratio behauptet, er habe das Pad verloren, aber man glaubte ihm nicht. Da er die Wahrheit nicht sagen konnte, weil Vater ihn sonst totgeprügelt hätte, durfte er fortan nur noch im Schulgebäude lesen. Das war immerhin besser als nichts. Trotzdem hasste er seinen Vater für das, was er getan hatte, auch wenn den das nicht im Mindesten kümmerte.

      Maylin war eine der wenigen im Lager, die gut lesen konnten. Zwischen den Zeitungsstapeln in ihrem Zelt entdeckte Iratio jede Menge Bücher. Altmodische, teilweise noch auf Papier gedruckte Exemplare, deren Seiten über die Jahrzehnte gelb und fleckig geworden waren, doch für ihn waren sie ein wunderbarer Schatz. Eins davon, ein ziemlich dicker Wälzer mit festem Einband trug den Titel »Perry Rhodan – sein Weg zu den Sternen«. Ein deutscher Historiker mit dem für Iratio lustig klingenden Namen Anders Eschenbach beschrieb darin das Leben des berühmtesten Manns der Welt von seiner Geburt im Jahr 1999 über seine Begegnung mit den außerirdischen Arkoniden auf dem Mond bis zur Expedition in die ferne Galaxis Andromeda. Kaum dass Iratio das Buch beendet hatte, las er es ein zweites und danach ein drittes Mal.

      Eschenbach hatte Rhodan mehrfach persönlich getroffen und interviewt. In Terrania, das alle nur die Stadt der Zukunft nannten. Schon die Bilder dieser riesigen Metropole, die mehr Menschen beherbergte als in ganz Ecuador lebten, schlugen Iratio in ihren Bann. Glänzende Türme, die bis in die Wolken hinaufwuchsen. Spiegelnde Fassaden vor einem strahlend blauen Himmel. Blühende Parks mit exotischen Pflanzen von fernen Welten. Und im Zentrum der riesige Goshunsee. Eine Oase inmitten der Wüste, bevölkert von Menschen – und Wesen von Planeten, die so weit von der Erde entfernt waren, dass sogar das Licht Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende brauchte, um sie zu erreichen.

      Perry Rhodan wollte, dass jeder an diesen Wundern teilhatte. Er sprach viel von Zusammenarbeit und Toleranz. Und davon, dass die Bewohner der Erde begreifen mussten, dass eine lebenswerte Zukunft für alle nur dann möglich sei, wenn sie ihren Horizont erweiterten. Wenn sie überholte Denkmuster und alte Überzeugungen über Bord warfen, Mauern und Zäune niederrissen sowie jeden einzelnen Menschen als das sahen, was er war: ein faszinierendes und unersetzliches Puzzleteil, ohne das das Universum nicht vollständig war.

      Iratio fand diesen Gedanken großartig – und den Mann bewundernswert, der ihn in seinen Kopf gepflanzt hatte. Von da an träumte Iratio davon, eines Tages nach Terrania reisen und Perry Rhodan begegnen zu können. Dann würde er ihn beim Wort nehmen. Dann würde er zu einem Teil jener Zukunft werden, für die dieser Mann kämpfte. Er würde an seiner Seite stehen und ihm dabei helfen, die Menschheit in ein neues Zeitalter zu führen.

      Wenige Tage später holte ihn die Realität ein, und seine Träume zerplatzten wie Seifenblasen am Unabhängigkeitstag.

      Die lauten Schreie weckten ihn mitten in der Nacht. Durch den schmalen Spalt des Zeltausgangs drang zuckender Lichtschein ins Innere. Kaum hatte er sich aufgesetzt, war auch schon Maylin neben ihm.

      »Schnell, mein Kleiner«, flüsterte sie. »Zieh dich an. Wir müssen verschwinden.«

      »Was ist denn los?«, fragte Iratio, während er verschlafen nach seiner Hose langte.

      »Oficiales«, antwortete die alte Frau. »Sie räumen das Lager. La manchilla, den Schandfleck. Beeil dich!«

      Der Lärm draußen wurde intensiver. Jemand brüllte Befehle. Dazwischen erklangen immer wieder die ängstlichen Rufe der Desamparados. Maylin hatte Iratio erklärt, dass die Obdachlosen und ihre Zelte nur geduldet waren. Hin und wieder kamen ein paar Polizisten vorbei und sahen sich um. Bisher waren sie danach immer wieder verschwunden.

      »Vielleicht wollen sie uns nur helfen«, stieß der Junge hervor, während ihm Maylin hastig die Jacke überzog. Seine Garderobe war – ebenso wie die der Frau – bunt zusammengewürfelt und stammte aus den Kleidersäcken der Wohlfahrt. »Perry Rhodan hat gesagt ...«

      »Nicht jetzt«, unterbrach ihn Maylin ungewohnt scharf. »Das hier passiert nicht in einem deiner Bücher, sondern in der Wirklichkeit.«

      Iratio spürte, wie sich die Wut in ihm regte, die so lange verschwunden gewesen war. Sie war nie wirklich weg gewesen. Sie hatte sich nur vorübergehend zurückgezogen. Glaubte Maylin vielleicht, er wäre dumm? Dachte sie, dass er nicht zwischen Realität und Fiktion unterscheiden konnte?

      »Los, los!«, trieb sie ihn an. »Wir gehen hinten raus.«

      Hinten raus hieß, dass sie das Zelt durch einen Schlitz in der Rückwand verlassen würden, eine Art Geheimausgang. Er war durch einen Chuquiragastrauch vor Sicht geschützt und genau für eine Situation wie diese angelegt worden.

      Iratio schob sich zwischen zwei hohen Zeitungsstapeln hindurch und ließ sich auf die Knie fallen. Außerhalb des Zelts empfing ihn ein empfindlich kalter Wind. In Quito war es das ganze Jahr über nicht besonders warm; meistens herrschten Temperaturen von knapp unter zwanzig Grad Celsius. Nachts fielen sie allerdings noch einmal um etwa die Hälfte.

      Zitternd und auf allen vieren kämpfte er sich durch den Busch. Hinter ihm schob und drückte Maylin, der es offenbar nicht schnell genug ging.

      Dios mío, dachte er genervt. Ich mache, so schnell ich kann! Fast hätte er ausgekeilt und der drängelnden Frau einen Tritt versetzt, aber er beherrschte sich.

      Als er sich vom Boden hochrappelte und sich umsah, wurde ihm das Ausmaß der Katastrophe zum ersten Mal voll bewusst. Die Oficiales meinten es offenbar ernst, denn sie waren mit mehreren Mannschaftswagen angerückt. Die Polizisten waren in graue Uniformen mit Körperpanzern und Helmen gekleidet. Ihre schwarzen Stiefel glänzten im Schein einiger brennender Zelte. Überall hasteten Desamparados umher, Männer und Frauen. Kopflos, schreiend, weinend. Kinder gab es außer ihm keine im Lager. Wie Maylin von Anfang an gesagt hatte, schaute die Regierung bei Straßenkindern seit dem Unionsbeitritt besonders genau hin. Wo man ihrer habhaft werden konnte, griff man sie auf und steckte sie in Waisenhäuser oder sogenannte Instituciónes Educativa, ein anderes Wort für Besserungsanstalten.

      Ob eine Gemeinschaft wirklich funktioniert, hörte er Perry Rhodan in seinen Gedanken sagen, zeigt sich stets daran, wie sie mit ihren schwächsten Mitgliedern umgeht.

      »He!«, hörte Iratio jemanden in unmittelbarer Nähe rufen. »Da sind noch zwei!«

      Erschrocken fuhr er herum.

      Der Oficial kam mit raumgreifenden Schritten auf Iratio zu. Die behandschuhten Finger hatte er um seinen Batuta gelegt, den gut unterarmlangen Schlagstock, den alle Ordnungskräfte in Ecuadors Hauptstadt trugen. Am Gürtel klirrten diverse Ausrüstungsgegenstände, darunter zwei Paar Handschellen. An der rechten Hüfte war ein Halfter mit einer Pistole befestigt, auf der anderen Seite ragte der Griff eines Messers aus einer Kunststoffscheide.

      Iratio wollte weglaufen, doch er war nicht schnell genug. Der Polizist erwischte ihn an der Kapuze seiner Jacke und riss ihn brutal nach hinten. Für einen Moment bekam er keine Luft mehr, drehte sich um und trat mit aller Kraft nach den Beinen des Manns. Doch der lachte nur und hielt sein Opfer mühelos auf Abstand. Hinter dem spiegelnden Helmvisier sah Iratio kurz zwei Augen blitzen.

      »Lass ihn los, bicharraco!« Maylins schrille Stimme überschlug sich beinahe. Im nächsten Moment kam sie wie eine Furie über den Oficial. Der schien überrascht zu sein, wenn auch nur für eine Schrecksekunde. Dann stieß er die alte Frau mit dem freien Arm von sich weg. Maylin landete mit einem spitzen Schrei auf dem Boden, der von den Regenfällen der vergangenen Tage stark aufgeweicht war.

      »Verzieh

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