Skelett des Grauens. Martin Willi

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Skelett des Grauens - Martin Willi

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sich um eine Person handelte, die Ulrich nahe steht oder stand. «Es geht nicht um Ulrich, ich rufe Sie Ihretwegen an.»

      «Meinetwegen, aber …», kurze Zeit blieb es still am anderen Ende der Telefonleitung. Nach einem räuspern sprach Monika weiter. «Ich verstehe Sie nicht ganz, Sie haben doch gesagt, dass Sie von der Kriminalpolizei des Kantons Aargau sind, ich wohne aber im Kanton Baselland. Das kommt mir schon etwas suspekt vor, wie soll ich Ihnen glauben, dass Sie wirklich von der Polizei sind? Vielleicht sind Sie nur eine der unzähligen Telefonbetrüger.»

      «Natürlich kann ich Ihre Zweifel verstehen. Soll ich Ihnen die Nummer des Staatsanwalts Alex Worthmann geben? Er kann Ihnen versichern, dass ich wirklich bei der Kriminalpolizei Aargau tätig bin. Oder haben Sie Skype, dann kann ich Ihnen meinen Ausweis zeigen.»

      Monika Oeschger machte eine kurze Pause, sprach dann weiter: «Nein, schon gut, ich glaube Ihnen. Nun müssen Sie mir aber schon erklären, worum es eigentlich geht. Warum Sie mich anrufen. Vielleicht liegt eine Verwechslung vor.»

      «Nein, ich bin froh, dass ich Sie erreicht habe. Wissen Sie, wir haben hier in Hirschthal das Skelett eines Mannes gefunden, der vor etwa zehn Jahren durch eine Gewalttat ums Leben kam. Und Ulrich hat mir gestern Abend erzählt, dass es in Ihrem Umfeld einen Mann gibt, oder besser gesagt gab, der wohl in dieser Zeit spurlos verschwand. Ja, und da habe ich mir gedacht, kann es tatsächlich so sein, dass es sich hier um dieselbe Person handelt?»

      Einige Sekunden konnte sie keinen Ton hören. Petra vermochte durchs Telefon hindurch zu spüren, wie unangenehm es für Monika offenbar war, an alte Zeiten erinnert zu werden. Bingo, ich bin auf der richtigen Spur.

      Monika musste sich auf ihr Sofa setzen. Ihr Puls begann zu rasen, Schweisstropfen auf der Stirn, entlang der Nase und rund um den Mund waren klare Zeichen ihres extremen Unwohlseins, das innert Sekunden ihren Körper befiel. Ihre Hand umklammerte das Telefon. Nein, bitte nicht, hört das denn nie auf? Kann es nicht endlich einfach vorbei sein?

      «Hallo Frau Oeschger, sind Sie noch dran?»

      «Entschuldigung, aber ich kann Ihnen da nicht weiterhelfen. Es tut mir wirklich leid, auf Wiederhören.» Schnell legte Monika den Hörer auf und blickte ins Leere, ins Nichts. Und da sah sie ihn wieder, nach all den Jahren, als wäre es gestern gewesen, den schwarzen Mann. Sie schloss die Augen, aber noch immer war er da, er wird immer da sein, sie wird dieses Verbrechen nie vergessen können. So etwas kann ein Mensch verdrängen, er kann es ausblenden, aber vergessen, das geht niemals.

      Petra stand wieder an ihrem geliebten Aussichtspunkt am Fenster, mit einem wehmütigen Blick sah sie hinunter zum immer wieder neu daherkommenden und wegfliessenden Wasser. Das Gespräch mit Monika Oeschger hatte Spuren hinterlassen. Überaus sonderbar kam es Petra vor, dass Monika das Gespräch so abrupt beendet hatte. Warum um alles auf der Welt hatte Monika so merkwürdig reagiert? Wenn es wirklich so war, dass der verschwundene Mann von damals und das nun gefundene Skelett dieselbe Person ist oder war? Kann es sein, dass Monika Oeschger etwas mit dem Tod des Mannes zu tun hat? Ich werde sie wohl besuchen müssen oder zu einer Befragung aufbieten.

      Sie schüttelte den Kopf, in diesem Moment trat Erwin in ihr Büro und sah, wie nachdenklich und auch traurig Petra in die Welt hinaus schaute. «Was ist denn mit dir los?»

      Die Kriminalkommissarin fuhr durch ihre fülligen Haare, auf die sie selbst recht stolz war. Sie streckte sich und drehte sich dann langsam um: «Weisst du was, Erwin. Eigentlich haben wir doch einen richtigen Scheissjob, wir kommen immer zu spät. Wir werden erst gerufen und benötigt, wenn es zu spät ist, wenn bereits alles geschehen ist. Wir sind immer nur da, um zu reagieren, aber wir können nicht agieren. Wir können nichts bewirken, wir machen eigentlich nur Schadensbegrenzung.»

      Erwin stand einige Sekunden nur stumm da, sagte dann aber: «So siehst du das?»

      «Komm, setz dich, ich muss dir was erzählen.»

      Nach den Ausführungen von Petra blieb Erwin einige Augenblicke wortlos. Es war für Petra ersichtlich, in welch angespanntem Zustand sich der sportliche und kräftige Körper Erwins befand. «Was meinst du?»

      «Ich denke», so begann Erwin zu sprechen, «dass es durchaus realistisch ist, dass es sich beim spurlos verschwundenen Mann um unser Skelett handelt. Das werden wir wohl relativ schnell herausfinden, denn wir wissen ja nun, wo wir suchen und ansetzen müssen. In der Tat ist die Reaktion von dieser Monika Oeschger jedoch als sehr seltsam einzustufen. Also entweder sie hat wirklich was mit dem Mordfall zu tun, oder sie weiss irgendetwas davon, das sie aber wohl nicht so freiwillig erzählen wird. Vielleicht kennt sie sogar den Mörder und versucht ihn zu decken.»

      «Okay, soll ich sie gleich nochmals anrufen?» Bereits ergriff sie mit ihrer rechten Hand den Telefonhörer und wollte die Wahlwiederholungstaste drücken.

      «Moment Petra, nicht so schnell.» Erwin stand auf und nahm ihr den Hörer behutsam aus der Hand. «Diese Monika Oeschger wird uns schon nicht davonlaufen, da habe ich keine Angst. Ich frage mich im Moment ganz was anderes.»

      Petra runzelte ihre Stirn, ihre Zornesfalten waren deutlich zu sehen und somit ein Ausdruck der Ernsthaftigkeit. Sie wusste nicht, was Erwin damit meinte.

      «Bist du nicht befangen, immerhin handelt es sich um die Cousine deines Lebenspartners.»

      Lebenspartner, ist Ulrich das wirklich für mich? Oder nur ein LAP, ein Lebensabschnittspartner? Wo liegt denn überhaupt der Unterschied? «Na und?»

      «Vielleicht, also ich meine … Petra, ich empfehle dir, den Fall abzugeben.»

      Petra glaubte ihren eigenen Ohren nicht zu trauen. Einen Fall abgeben, sie, die Kriminalkommissarin Petra Neuhaus? Was soll denn das, spinnt Erwin vollkommen? «Niemals, das kommt überhaupt nicht infrage! Das werde ich niemals tun. Nicht mal wenn Ostern und Weihnachten zusammen gefeiert werden.»

      Nach dem Mittagessen, das sie sich im Summertime unten an der Aare gegönnt hatte, begann Petra Neuhaus die Suche nach dem verschwundenen Mann. Sofort nach dem Gespräch mit Erwin verliess sie wütend ihr Büro, sie musste erst mal frische Luft schnappen, um wieder zur Ruhe zu kommen.

      Erwin spinnt wohl, mir so was vorzuschlagen. Der ist total durchgedreht. Ich werde nie im Leben freiwillig einen Fall abgeben, ganz bestimmt nicht. Das wird Erwin nie erleben! Jetzt wo sie wusste wo, wie und wann sie zu suchen hatte, so war es für sie nur noch eine Kleinigkeit. Tatsächlich gab es vor ziemlich genau zehn Jahren im Mettauertal eine Vermisstenanzeige. Eine gewisse Marlene Meyer gab diese auf und es handelte sich um ihren Schwager Christian Gautschi, der alleine auf einem Bauernhof lebte. Frau Meyers Mann hiess Robert Gautschi, sie hatte jedoch nach der Heirat ihren Mädchennamen behalten. Obwohl dies zu jener Zeit überhaupt nicht üblich war. Trotz intensiven Bemühungen der Ermittler blieb der vermisste Mann seinerzeit spurlos verschwunden.

       Christian Gautschi, bist du unser Skelett des Grauens? Wer hat dich auf dem Gewissen? Was hast du getan, dass dich jemand so bestialisch getötet hat? Das ist unmenschlich, das macht doch niemand. Aber scheinbar eben doch, der muss ja eine Wahnsinnswut auf dich gehabt haben. Es gibt doch einfachere Methoden, jemandem das Lebenslicht auszulöschen. Und wie bist du bloss vom Mettauertal nach Hirschthal gekommen?

       4)

      Das unmenschliche, das tierisch bestialische Verlangen, das in seinem ganzen Körper von den Haarspitzen bis zu den Zehennägeln zu verspüren war, trieb ihn bereits in den frühen Morgenstunden wie von einer Tarantel gestochen aus seinem Haus. Seine Arme und Beine spürten sich ausgesprochen

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