Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 1. Augustinus von Hippo

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Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 1 - Augustinus von Hippo Die Schriften der Kirchenväter

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ist, den Nebenmenschen nicht anerkannte, da er sich erhob, den Flöhen unterworfen sei. Was blähst du dich auf in menschlichem Stolze? Es hat dich ein Mensch geschmäht, und du bist aufgeschwollen und zornig geworden; widerstehe den Flöhen, um zu schlafen; erkenne, wer du bist. Denn damit ihr’s wisset, Brüder, zur Bändigung unseres Stolzes sind jene Tiere geschaffen, die uns so lästig sind. Das stolze Volk des Pharao hätte Gott durch Bären, Löwen und Schlangen bändigen können, aber er hat ihnen Fliegen und Frösche gesandt28, damit ihr Stolz durch ganz niedrige Dinge gezähmt würde.

       16.

      Alles also, Brüder, durchaus „alles ist durch dasselbe geworden, und ohne dasselbe ist nichts geworden“. Aber wie ist alles durch dasselbe geworden? „Was geworden ist, ist in ihm Leben.“ Es könnte auch so heißen: „Was in ihm geworden ist, ist Leben“29; also ist alles Leben, wenn wir so lesen. Denn was ist in ihm nicht gemacht worden? Er ist ja die Weisheit Gottes, und es heißt in dem Psalme: „Alles hast du in der Weisheit gemacht“30. Wenn also Christus die Weisheit Gottes ist, und der Psalm sagt: „Alles hast du in der Weisheit gemacht“, so ist alles wie durch ihn geworden, so auch in ihm geworden. Wenn nun alles in ihm, teuerste Brüder, so ist auch (blles), was in ihm geworden ist, Leben; folglich ist auch die Erde Leben, folglich ist auch das Holz Leben. (Wir nennen zwar das Holz Leben, verstehen aber darunter das Holz des Kreuzes, von welchem wir das Leben empfangen haben.) Folglich ist auch der Stein Leben. Es ist unpassend, es so zu verstehen, damit uns nicht wieder die schmutzige Sekte der Manichäer in den Weg komme und sage: Der Stein hat Leben, die Wand hat eine Seele, das Seil, die Wolle, das Kleid hat eine Seele. So pflegen sie nämlich in ihrer Verrücktheit zu sagen, und wenn sie widerlegt und zurückgewiesen sind, berufen sie sich auf die Schrift und sagen: Wozu heißt es: „Was in ihm geworden ist, ist Leben“? Denn wenn alles in ihm geworden ist, ist alles Leben. Sie sollten dich nicht in die Irre führen; lies so: „Was geworden ist“; hier mache eine kleine Interpunktion und dann fahre weiter: „ist in ihm Leben“. Was heißt das? Die Erde ist geworden, aber die Erde selbst, die geworden ist, ist nicht Leben; es ist aber in der Weisheit selbst in geistiger Weise eine Idee (ratio), wodurch die Erde geworden ist; diese ist Leben.

       17.

      Wie ich’s vermag, will ich es eurer Liebe erklären. Der Tischler macht einen Kasten. Zuerst hat er den Kasten in der künstlerischen Idee (in arte); denn wenn er den Kasten nicht in der Idee hätte, wie könnte er ihn bei der Anfertigung hervorbringen? Aber der Kasten ist so in der Idee, daß es nicht der Kasten selbst ist, den man mit den Augen sieht. In der Idee ist er auf unsichtbare Weise, im Werke wird er auf sichtbare Weise sein. Siehe, er ist im Werke geworden; hat er nun etwa aufgehört, in der Idee zu sein? Wie der eine im Werke* geworden* ist, so* dauert* der andere fort, der in der Idee ist; denn jener Kasten kann verfaulen und ein anderer aus dem, der in der Idee ist, wieder hergestellt werden. Betrachtet also den Kasten in der Idee und den Kasten im Werke. Der Kasten im Werke ist nicht Leben, der Kasten in der Idee ist Leben, weil die Seele des Künstlers lebt, wo all dieses ist, bevor es in die Erscheinung tritt. So also, teuerste Brüder, ist deshalb, weil die Weisheit Gottes, durch welche alles geworden ist, der Idee nach alles enthält, bevor sie alles verwirklicht, dasjenige, was gemäß der Idee wird, nicht sofort selbst schon Leben, aber was immer geworden ist, ist in ihm Leben. Du siehst die Erde, die Erde ist in der Idee; du siehst den Himmel, der Himmel ist in der Idee; du siehst die Sonne und den Mond, auch diese sind in der Idee; aber außerhalb der Idee sind sie Körper, in der Idee sind sie Leben. Erfasset es, wenn ihr es irgendwie vermöget; denn etwas Großes ist gesagt worden, und wenn auch nicht von mir als einem Großen oder durch mich als einen Großen, so doch von einem Großen. Denn nicht von mir Kleinem ist dieses gesagt worden, sondern der ist nicht klein, auf den ich hinschaue, um es zu sagen. Fasse es jeder, wie er kann, soweit er kann, und wer es nicht kann, nähre sein Herz, damit er es kann. Womit soll er es nähren? Mit Milch soll er es nähren, damit er zur Speise komme. Er trenne sich nicht von dem im Fleische geborenen Christus, bis er zu dem von dem einen Vater geborenen Christus gelange, zu Gott dem Worte bei Gott, durch welches alles geworden ist, weil dies das Leben ist, das in ihm ist, das Licht der Menschen [nach einer anderen Lesart: weil jenes Leben, das in ihm ist, das Licht der Menschen ist].

       18.

      Denn es folgt: „Und das Leben war das Licht der Menschen“, und durch eben dieses Leben werden die Menschen erleuchtet. Die Tiere werden nicht erleuchtet, weil die Tiere keine vernünftigen Seelen haben, um die Weisheit sehen zu können. Der Mensch aber ist nach dem Bilde Gottes erschaffen worden; er hat eine vernünftige Seele, um die Weisheit erfassen zu können. Also ist jenes Leben, durch welches alles geworden ist, eben dieses Leben ist Licht, und zwar nicht das Licht aller Lebewesen, sondern das Licht der Menschen. Darum sagt der Evangelist kurz nachher: „Es war das wahre Licht, welches jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt“31. Von diesem Lichte ist Johannes der Täufer erleuchtet worden, von ihm auch Johannes der Evangelist selbst. Von dem nämlichen Lichte war voll der, welcher gesagt hat: „Ich bin nicht Christus, sondern der nach mir kommt, dessen Schuhriemen ich nicht würdig bin aufzulösen“32. Von diesem Lichte war erleuchtet der, welcher gesagt hat: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort“. Also jenes Leben ist das Licht der Menschen.

       19.

      [ ] Aber vielleicht können törichte Herzen noch nicht jenes Licht fassen, weil sie durch ihre Sünden niedergedrückt werden, so daß sie es nicht zu sehen vermögen. Deshalb sollen sie aber nicht meinen, das Licht sei sozusagen abwesend, weil sie es nicht sehen können; denn sie selbst sind wegen ihrer Sünden Finsternis. „Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht begriffen“. Also, Brüder, wie einem blinden Menschen, der an der Sonne steht, die Sonne gegenwärtig ist, er aber nicht der Sonne, so ist jeder Tor, jeder Ungerechte, jeder Gottlose blind am Herzen. Die Weisheit ist gegenwärtig, aber da sie einem Blinden gegenwärtig ist, ist sie seinen Augen abwesend, nicht weil sie selbst ihm abwesend ist, sondern weil er von ihr abwesend ist. Was also soll er tun? Er reinige sich, damit er Gott sehen kann. Wenn er beispielsweise deshalb nicht sehen könnte, weil er schmutzige und wunde Augen hat wegen des eingedrungenen Staubes, Schleimes oder Rauches, so würde der Arzt zu ihm sagen: Entferne aus deinem Auge alles Schädliche, damit du das Licht deiner Augen sehen kannst. Staub, Schleim, Rauch sind die Sünden und Missetaten; tu dies alles hinweg und du wirst die Weisheit sehen, die gegenwärtig ist; denn Gott ist die Weisheit selbst, und es heißt: „Selig, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott anschauen“33.

      2. Vortrag.

       Einleitung.

      Zweiter Vortrag.

      Über die Stelle: „Es war ein Mensch von Gott gesandt, der hieß Johannes“ usw. bis dahin: „Voll der Gnade und Wahrheit“. Joh. 1, 6―14.

       1.

      Es ist gut, Brüder, daß wir den Text der göttlichen Schriften und besonders des heiligen Evangeliums, ohne eine Stelle zu übergehen, behandeln, so gut wir können, und nach unserem Vermögen genährt werden und euch darreichen, wovon auch wir genährt werden. Das erste Kapitel ist, wie erinnerlich, am vergangenen Sonntag behandelt worden, nämlich: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort; dieses war im Anfang bei Gott. Alles ist durch dasselbe geworden, und ohne dasselbe ist nichts geworden. Was geworden ist, ist in ihm Leben, und das Leben war das Licht der Menschen; und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfaßt“. Bis hierher, glaube ich, ist die Abhandlung gekommen. Ihr erinnert euch alle, die ihr da gewesen seid; und die ihr nicht da gewesen seid, glaubet es uns und denen, die da sein wollten. Nun also, weil wir nicht

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