Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band). Rosa Luxemburg

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Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band) - Rosa Luxemburg

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man aber die Fortschritte der Produktivität der Arbeit in Betracht, dann folgt daraus, daß die sachliche Masse des gesellschaftlichen Produkts - Produktionsmitte wie Konsumtionsmittel - noch viel rascher wächst als seine Wertmasse, wie das Schema anzeigt. Die andere Seite dieses Anwachsens der Masse der Gebrauchswerte ist aber auch eine Verschiebung der Wertverhältnisse. Nach der zwingenden Beweisführung Marxens, die einen der Ecksteine der Theorie bildet, äußert sich die fortschreitende Entwicklung der Produktivität der Arbeit darin, daß bei zunehmender Kapitalakkumulation die Zusammensetzung des Kapitals sowie die Mehrwertrate nicht konstant bleiben können, wie dies in dem Marxschen Schema unterstellt wird. Im Gegenteil, mit dem Fortgang der Akkumulation muß das c (konstantes Kapital) in beiden Abteilungen nicht bloß absolut, sondern auch relativ zu v + m oder dem gesamten geschaffenen Neuwert wachsen (gesellschaftlicher Ausdruck der Produktivität der Arbeit); gleichzeitig muß das konstante Kapital im Verhältnis zum variablen Kapital und ebenso der Mehrwert im Verhältnis zum variablen Kapital oder die Mehrwertrate wachsen (kapitalistischer Ausdruck der Produktivität der Arbeit). Daß diese Verschiebungen nicht buchstäblich in jedem Jahre eintreten, tut nichts zur Sache, wie auch die Bezeichnungen "erstes, zweites, drittes usw. Jahr" im Marxschen Schema sich überhaupt nicht notwendig auf das Kalenderjahr beziehen und beliebige Zeitabschnitte bedeuten können. Endlich mögen die Verschiebungen in der Zusammensetzung des Kapitals sowie in der Mehrwertrate beliebig im ersten, dritten, fünften, siebenten usw. Jahr oder im zweiten, sechsten, neunten usw. unterstellt werden. Es kommt nur darauf an, daß sie überhaupt und als eine periodische Erscheinung in Betracht gezogen werden. Ergänzt man dementsprechend das Schema, so wird sich herausstellen, daß sogar bei dieser Akkumulationsmethode mit jedem Jahre ein wachsendes Defizit an Produktionsmitteln und wachsender Überschuß an Konsumtionsmitteln entstehen muß. Tugan-Baranowski freilich, der auf dem Papier aller Schwierigkeiten Herr wird, konstruiert einfach ein Schema mit anderen Proportionen, wobei er das variable Kapital von Jahr zu Jahr um 25 Prozent verringert. Da das Papier auch diese arithmetische Übung geduldig erträgt, ist das für Tugan ein Grund, mit Triumph zu "beweisen", daß sogar bei absolutem Rückgang der Konsumtion die Akkumulation glatt wie am Schnürchen verläuft. Schließlich muß aber auch Tugan selbst zugehen, daß seine Annahme der absoluten Verringerung des variablen Kapitals mit der Wirklichkeit in schroffem Widerspruch steht. Das variable Kapital wächst im Gegenteil absolut in allen kapitalistischen Ländern, es geht nur relativ zurück im Verhältnis zum noch rascheren Wachstum des konstanten Kapitals. Nehmen wir aber, dem wirklichen Gang der Dinge entsprechend, von Jahr zu Jahr bloß ein rascheres Wachstum des konstanten und ein langsameres des variablen Kapitals sowie eine wachsende Mehrwertrate an, dann tritt ein Mißverhältnis zwischen der sachlichen Zusammensetzung des gesellschaftlichen Produkts und der Wertzusammensetzung des Kapitals in die Erscheinung. Nehmen wir z.B. im Marxschen Schema statt der ständigen Proportion von konstant zu variabel = 5:1 die fortschreitend höhere Zusammensetzung für den Zuwachs des Kapitals, im zweiten Jahr 6:1, im dritten 7:1, im vierten 8:1. Nehmen wir ferner, entsprechend der höheren Produktivität der Arbeit, auch eine fortlaufend wachsende Mehrwertrate - sagen wir, statt der stabilen Mehrwertrate von 100 Prozent setzen wir, trotz des relativ abnehmenden variablen Kapitals, den im Marxschen Schema jeweilig angenommenen Mehrwert. Gehen wir endlich von der jedesmaligen Kapitalisierung der Hälfte des angeeigneten Mehrwerts aus (ausgenommen die Abteilung II, die im ersten Jahr nach Marxscher Annahme mehr als die Hälfte, nämlich 184 von 285 m kapitalisiert). Dann erhalten wir das folgende Resultat:

Erstes Jahr I. 5.000 c + 1.000 v + 1.000 m = 7.000 (Produktionsmittel). II. 1.430 c + 285 v + 285 m = 2.000 (Konsummittel). Zweites Jahr I. 5.4284/7 c + 1.0713/7 v + 1.083 m = 7.583. II. 1.5875/7 c + 3112/7 v + 316 m = 2.215. Drittes Jahr I. 5.903 c + 1.139 v + 1.173 m = 8.215. II. 1.726 c + 311 v + 342 m = 2.399. Viertes Jahr I. 6.424 c + 1.205 v + 1.271 m = 8.900. II. 1.879 c + 350 v + 371 m = 2.600.

      Sollte die Akkumulation in dieser Weise vor sich gehen, dann ergäbe sich ein Defizit an Produktionsmitteln im zweiten Jahr um 16, im dritten in 45, im vierten um 88 und gleichzeitig ein Überschuß an Konsumtionsmitteln im zweiten Jahr um 16, im dritten um 45, im vierten um 88.

      Das Defizit an Produktionsmitteln mag z.T. ein scheinbares sein. Infolge der steigenden Produktivität der Arbeit ist das Wachstum der Masse der Produktionsmittel ein rascheres als das ihrer Wertmasse, oder anders ausgedrückt, es folgt die Verbilligung der Produktionsmittel. Da es bei der Erhöhung der Technik der Produktion vor allem nicht auf den Wert, sondern auf den Gebrauchswert, auf die sachlichen Elemente des Kapitals ankommt, so mag trotz des Wertdefizits bis zu einem gewissen Grade tatsächlich eine ausreichende Menge Produktionsmittel zur fortschreitenden Akkumulation angenommen werden. Es ist dies dieselbe Erscheinung, die u.a. den Fall der Profitrate aufhält und ihn nur zu einem tendenziellen macht. Allerdings wäre aber, wie unser Beispiel zeigt, der Fall der Profitrate nicht aufgehalten, sondern gänzlich aufgehoben. Hingegen weist derselbe Umstand auf einen viel stärkeren Überschuß unabsetzbarer Konsumtionsmittel hin, als dies aus der Wertsumme dieses Überschusses hervorgeht. Es bliebe dann nur übrig, entweder die Kapitalisten der II. Abteilung zu zwingen, diesen Überschuß selbst zu konsumieren, wie Marx sonst mit ihnen verfährt, was für diese Kapitalisten das Gesetz der Akkumulation wieder in der Richtung zur einfachen Reproduktion beugen würde, oder dieser Überschuß muß als unabsetzbar erklärt werden.

      Diese Resultate sind kein Zufall. Was durch unsere obigen Versuche mit dem Marxschen Schema lediglich illustriert werden sollte, ist folgendes. Die fortschreitende Technik muß sich nach Marx selbst in dem relativen Wachstum des konstanten Kapitals im Vergleich mit dem variablen äußern. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer fortschreitenden Verschiebung in der Einteilung des kapitalisierten Mehrwerts zwischen c und v. Die Kapitalisten des Marxschen Schemas sind aber gar nicht in der Lage, diese Einteilung beliebig vorzunehmen, denn sie sind bei ihrem Geschäft der Kapitalisierung von vornherein an die Sachgestalt ihres Mehrwerts gebunden. Da nach der Marxschen Annahme die ganze Produktionserweiterung ausschließlich mit den eigenen kapitalistisch hergestellten Produktions- und Konsumtionsmitteln vorgenommen wird - andere Produktionsstätten und -formen existieren hier ebensowenig wie andere Konsumenten als die Kapitalisten und Arbeiter der beiden Abteilungen

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