Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band). Rosa Luxemburg
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Endlich in den "Theorien über den Mehrwert", Band II, Teil 2, Seite 263 [Karl Marx: Theorien über den Mehrwert, Zweiter Teil. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Bd. 26.2, S. 493.], formuliert Marx die allgemeinen Voraussetzungen, unter denen er die Akkumulation ins Auge faßt, im Kapitel "Akkumulation von Kapital und Krisen" wie folgt:
"Wir haben hier bloß die Formen zu betrachten, die das Kapital in seinen verschiednen Fortentwicklungen durchmacht. Es sind also die reellen Verhältnisse nicht entwickelt, innerhalb deren der wirkliche Produktionsprozeß vorgeht. Es wird immer unterstellt, daß die Ware zu ihrem Wert verkauft wird. Die Konkurrenz der Kapitalien wird nicht betrachtet, ebensowenig das Kreditwesen, ebensowenig die wirkliche Konstitution der Gesellschaft, die keineswegs bloß aus den Klassen der Arbeiter und industriellen Kapitalisten besteht, wo also Konsumenten und Produzenten nicht identisch, die erstere Kategorie (deren Revenuen zum Teil sekundäre, vom Profit und Salair abgeleitete, keine primitiven sind) der Konsumenten viel weiter ist als die zweite (die der Produzenten - R. L.), und daher die Art, wie sie ihre Revenue spendet, und der Umfang der letztren sehr große Modifikationen im ökonomischen Haushalt und speziell im Zirkulations- und Reproduktionsprozesse des Kapitals hervorbringt." Also auch hier berücksichtigt Marx, wenn er schon von der "wirklichen Konstitution der Gesellschaft" spricht, lediglich die Mitesser des Mehrwerts und des Arbeitslohns, also bloß den Anhang der kapitalistischen Grundkategorien der Produktion.
So unterliegt es keinem Zweifel, daß Marx den Prozeß der Akkumulation in einer ausschließlich aus Kapitalisten und Arbeitern bestehenden Gesellschaft darstellen wollte, unter allgemeiner und ausschließlicher Herrschaft der kapitalistischen Produktionsweise. Unter diesen Voraussetzungen läßt aber sein Schema keine andere Deutung zu als die Produktion um der Produktion willen.
Erinnern wir uns an daß zweite Beispiel des Marxschen Schemas der erweiterten Reproduktion.
Erstes Jahr
I. 5.000 c + 1.000 v + 1.000 m = 7.000 | (Produktionsmittel) |
II. 1.430 c + 285 v + 285 m = 2.000 | (Konsummittel) |
-------- | |
9.000 |
Zweites Jahr
I. 5.417 c + 1.083 v + 1.083 m = 7.583 | (Produktionsmittel) |
II. 1.583 c + 316 v + 316 m = 2.215 | (Konsummittel) |
-------- | |
9.798 |
Drittes Jahr
I. 5.869 c + 1.173 v + 1.173 m = 8.215 | (Produktionsmittel) |
II. 1.715 c + 342 v + 342 m = 2.399 | (Konsummittel) |
--------- | |
10.614 |
Viertes Jahr
I. 6.358 c + 1.271 v + 1.271 m = 8.900 | (Produktionsmittel) |
II. 1.858 c + 371 v + 371 m = 2.600 | (Konsummittel) |
--------- | |
11.500 |
Hier geht die Akkumulation von Jahr zu Jahr ununterbrochen in dem Maße fort, daß jeweilig aus dem erzielten Mehrwert die Hälfte von den Kapitalisten konsumiert, die Hälfte kapitalisiert wird. Bei der Kapitalisierung wird fortlaufend für das Zusatzkapital wie für das Originalkapital dieselbe technische Basis, d.h. dieselbe organische Zusammensetzung oder Einteilung in konstantes und variables Kapital und auch dieselbe Ausbeutungsrate (immer = 100 Prozent) beibehalten. Der kapitalisierte Teil des Mehrwerts kommt, der Marxschen Annahme im ersten Bande des "Kapitals" entsprechend, von vornherein in Gestalt von zuschüssigen Produktionsmitteln und Lebensmitteln der Arbeiter zur Welt. Beide dienen dazu, die Produktion in der Abteilung I wie II immer mehr zu steigern. Für wen diese fortschreitende Steigerung der Produktion stattfindet, ist nach den Marxschen Voraussetzungen des Schemas unerfindlich. Freilich steigt gleichzeitig mit der Produktion auch die Konsumtion der Gesellschaft: Es steigt die Konsumtion der Kapitalisten (im ersten Jahr beträgt sie, im Wert dargestellt, 500 + 142, im zweiten 542 + 158, im dritten 586 + 171, im vierten 635 + 185), es steigt auch die Konsumtion der Arbeiter; ihr genauer Anzeiger, im Wert dargestellt, ist das variable Kapital, das von Jahr zu Jahr in beiden Abteilungen wächst. Doch - abgesehen von allem anderen - kann die wachsende Konsumtion der Kapitalistenklasse jedenfalls nicht als Zweck der Akkumulation betrachtet werden; umgekehrt, sofern diese Konsumtion stattfindet und wächst, findet keine Akkumulation statt; die persönliche Konsumtion der Kapitalisten fällt unter die Gesichtspunkte der einfachen Reproduktion. Es fragt sich vielmehr: Für wen produzieren die Kapitalisten, wenn und soweit sie nicht selbst konsumieren, sondern "entsagen", d.h. akkumulieren? Noch weniger kann die Erhaltung einer immer größeren Armee von Arbeitern der Zweck der ununterbrochenen Kapitalakkumulation sein. Die Konsumtion der Arbeiter ist kapitalistisch eine Folge der Akkumulation, niemals ihr Zweck und ihre Voraussetzung, wenn anders die Grundlagen der kapitalistischen Produktion nicht auf den Kopf gestellt werden sollen. Und jedenfalls können die Arbeiter stets nur den Teil des Produkts konsumieren, der dem variablen Kapital entspricht, kein Jota darüber hinaus. Wer realisiert also den beständig wachsenden Mehrwert. Das Schema antwortet: die Kapitalisten selbst und nur sie. Und was fangen sie mit ihrem wachsenden Mehrwert an? Das Schema antwortet: Sie gebrauchen ihn, um ihre Produktion immer mehr zu erweitern. Diese Kapitalisten sind also Fanatiker der Produktionserweiterung um der Produktionserweiterung willen. Sie lassen immer neue Maschinen bauen, um damit immer wieder neue Maschinen zu bauen. Was wir aber auf diese Weise bekommen, ist nicht eine Kapitalakkumulation, sondern eine wachsende Produktion von Produktionsmitteln ohne jeden Zweck, und es gehört die Tugan-Baranowskische Kühnheit und Freude an Paradoxen dazu, um anzunehmen, dieses unermüdliche Karussell im leeren Luftraum könne ein treues theoretisches Spiegelbild der kapitalistischen Wirklichkeit und eine wirkliche Konsequenz der Marxschen Lehre sein.186
Außer dem gleich im Anfang abgebrochenen Entwurf der Analyse der erweiterten Reproduktion, den wir im zweiten Bande des "Kapitals" vorfinden, hat Marx seine allgemeine Auffassung von dem charakteristischen Gang der kapitalistischen Akkumulation in seinem ganzen Werke, namentlich im dritten Bande, sehr ausführlich und deutlich niedergelegt. Und man braucht sich nur in diese Auffassung hineinzudenken, um das Unzulängliche des Schemas am Schluß des zweiten Bandes ohne Mühe einzusehen.
Prüft man das Schema der erweiterten Reproduktion gerade vom Standpunkte der Marxschen Theorie, so muß man finden, daß es sich mit ihr in mehreren Hinsichten im Widerspruch befindet.
Vor allem berücksichtigt das Schema die fortschreitende Produktivität der Arbeit gar nicht. Es setzt nämlich von Jahr zu Jahr trotz der Akkumulation dieselbe Zusammensetzung des Kapitals, d.h. dieselbe technische Grundlage des Produktionsprozesses voraus. Dieses Verfahren ist an sich, behufs Vereinfachung der Analyse, vollkommen zulässig. Das Absehen von den Verschiebungen der Technik, die dem Prozeß der Kapitalakkumulation parallel laufen und von ihm unzertrennlich sind, muß jedoch wenigstens hinterher in Betracht gezogen, angerechnet werden, wo man die