Inseldämmerung. Bent Ohle

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Inseldämmerung - Bent Ohle Nils Petersen

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dieser Scheißkerl da.«

      Günther weinte und wimmerte.

      »Komm, fass mit an«, forderte Simon Till auf, der wieder auf seinen Beinen stand. Er fasste Bernd unter den Armen und hob seinen Oberkörper an, sodass Bernds Kopf auf seine durchlöcherte, blutige Brust kippte. Till nahm beide Füße, und so schleppten sie ihn zum Wagen und beförderten ihn auf die Ladefläche. Günther kniff entsetzt die Augen zusammen.

      »Nein, bitte nicht …«

      »Keine Panik, dauert nicht lange«, sagte Simon.

      Dann knallte ein lauter Schuss. Diesmal war es Till, der geschossen hatte. Günther sank in sich zusammen und fiel leblos zur Seite. Simon war zwar überrascht, doch er schüttelte das schnell ab.

      Er und Till sahen sich an.

      »Danke«, sagte Till ernst.

      »Wir müssen. Lass uns das Geld rüberschaffen.«

      Sie warfen alles in den Transporter von Bernd und Günther, sprangen hinein, wendeten und fuhren davon.

      Till blickte in den Rückspiegel. Außer den beiden verunfallten Wagen war nichts zu sehen. Kein anderes Auto, kein Mensch. Keine Polizei. Er spürte den Schmerz in seiner Achillessehne jetzt verstärkt, vor allem, wenn er das Gaspedal durchtrat.

      »Ich kümmer mich ums GPS«, sagte Simon und kramte in seinem Rucksack nach dem Werkzeug. Der Sender war unter der Deckenverkleidung der Fahrerkabine installiert. Während Simon die Abdeckung aufsägte, konnte Till es immer noch nicht fassen, dass sie ungesehen vom Tatort hatten flüchten können.

      Er nahm gleich die nächste Auffahrt auf die Brücke und fuhr Richtung Süden. Ganz leise konnte er jetzt Polizeisirenen vernehmen. Die Polizei würde am Tatort ankommen und einen Geldtransporter entdecken, der überfallen worden war. Es würde noch einige Zeit vergehen, bis sie den Wagen aufbrechen konnten, dazu musste erst die Feuerwehr mit ihrem Spezialgerät anrücken. Dann würden sie die beiden Fahrer finden. Ob und wie viel Geld gestohlen war, konnten sie nicht selbst ermitteln, darüber musste die Zentrale Auskunft geben. Bis der Tatort gesichert war und die Beamten Zinkowski informieren konnten, dauerte es ungefähr eine Stunde. Doch erst wenn Zinkowski merkte, dass die falschen toten Fahrer im Laderaum lagen und ein ganz anderer Wagen überfallen worden war, würden sie ins Visier genommen werden. Bis dahin wären sie allerdings längst auf dem Wasser.

      Teil 3

      Schon rief der Posten: Sie bliesen Zapfenstreich

      Es kann drei Tage kosten

      Kam’rad, ich komm ja gleich

      Da sagten wir auf Wiedersehen

      Wie gerne würd ich mit dir gehen

      Mit dir, Lili Marleen

      Lale Andersen, »Lili Marleen«

      Hamburg-Finkenwerder, Jachtclub am Rüschkanal, 18:07 Uhr

      Brockhaus hatte sich von einem Taxi zum Luft- und Raumfahrttechnikunternehmen Collins Aerospace chauffieren lassen, weil wegen des Sturms keine Busse mehr fahren durften. Natürlich gefiel ihm das nicht. Jeder, der ihn heute noch hier in der Gegend sah, war ein potenzieller Zeuge.

      »Müssen Sie wirklich an Heiligabend arbeiten?«, fragte der Taxifahrer, als er den Taxameter abrechnete. »Siebenundzwanzig achtzig, bitte.«

      »Ich hab die Weihnachtsschicht übernommen, dafür habe ich dann Silvester frei«, hatte Brockhaus geantwortet und dem Fahrer dreißig Euro nach vorn gereicht. »Stimmt so.«

      »Vielen Dank. Na, dann trotzdem schöne Feiertage.«

      Das Taxi war davongefahren und Brockhaus zu Fuß in Richtung Rüschpark und Jachthafen gegangen. Als er die Kreuzung zum Rüschweg erreichte, sah er das Blaulicht. Polizei und Feuerwehr standen auf der Straße kurz vor dem Aussichtspunkt.

      »Scheiße.« Brockhaus ging langsamer. War etwas schiefgelaufen? Hatten sie Simon und Till erwischt, und die beiden hatten ihn verraten? Unweigerlich griff Brockhaus zu seiner Waffe, die in einem Holster am Rücken steckte.

      Der Wind blies ihm so heftig entgegen, dass er kaum ein Bein vor das andere setzen konnte. Wenn er sich jetzt einfach vornüberfallen ließe, hielte der Wind ihn vermutlich aufrecht. Weiter vorn wurde ein Beamter auf ihn aufmerksam, und jetzt erkannte Brockhaus auch den Grund für ihr Hiersein: Ein Baum war umgestürzt und lag quer auf der Straße. Die Feuerwehr war dabei, ihn mit Kettensägen in kleine Teile zu zersägen.

      »Hier ist im Moment gesperrt!«, rief ihm der Polizist entgegen. Er trug seine Mütze unter dem Arm, weil sie sonst weggeflogen wäre. Seine Hosenbeine flatterten wie kaputte Segel.

      »Ich muss nur kurz runter zum Jachthafen, die Boote sichern!«, schrie Brockhaus ihm entgegen. Rechts zweigte ein Weg in Richtung des Restaurants ab. »Ich geh einfach hier entlang!«

      Der Beamte blickte zweifelnd in Richtung des mit Ausnahme einer Handvoll Boote verlassen daliegenden Jachthafens. Das Wasser war grau, und sogar hier, in dieser geschützten Bucht, prallten schaumige Wellen gegen die Uferböschung.

      »Okay!«, rief er und nickte ihm zu. »Seien Sie vorsichtig.«

      »Dauert nicht lange«, behauptete Brockhaus, während er bereits überlegte, wie er Simon und Till signalisieren konnte, dass sie vorsichtig sein mussten, wenn sie hier auftauchten. Zum Glück mussten sie vorher in den Rüschweg abbiegen.

      Er wandte sich dem kleinen Weg zu und ging am Restaurant vorbei, das heute geschlossen war. Abgesehen von den Polizisten und Feuerwehrleuten schien er der einzige Mensch zu sein, der hier im Gewerbegebiet unterwegs war. Drüben auf der anderen Kanalseite lag hinter dem Rollfeld die große Halle von Airbus. Alle Flugzeuge waren sicher im Hangar untergebracht worden. Jenseits der riesigen Anlage schob sich eine schwarze Wolkenfront heran wie eine sich auftürmende Welle. Der Sturm wütete schon den gesamten Tag in ganz Norddeutschland, doch es würde noch viel heftiger werden. Wenn sie erst draußen waren und diese Wolkenfront sie erreicht hatte, wenn die Dunkelheit vollends hereingebrochen war, würden sie mitten im schlimmsten Unwetter der letzten Jahre auf offener See navigieren müssen. Aber er war trotzdem zuversichtlich. Es war Teil seines Plans, der Sturm kam ihm gelegen. An seinen Fähigkeiten als Kapitän zweifelte er nicht. Er kannte diese Gewässer seit seiner Kindheit.

      Die Jacht lag als einziges Boot in einem der Anlegearme auf der östlichen Seite der Bucht. Die »Marlene« war die Jacht seines Vaters gewesen, ehe er sie nach dessen Tod geerbt hatte. Mit ihr waren sie all die Jahre hinausgefahren, an Wochenenden, im Urlaub, wann immer seinem Vater der Sinn danach stand. Meistens waren sie zu zweit unterwegs gewesen. Seine Mutter war nur mitgekommen, wenn sie Urlaub machten. Er hasste und liebte dieses Boot gleichermaßen. Nein, so ganz standen Hass und Liebe nicht in der Waage. Brockhaus lächelte bitter und betrat den Steg. Er musste aufpassen, dass die Böen ihn nicht ins Wasser manövrierten.

      Das kleine eiserne Tor war abgeschlossen. Er ließ es für Simon und Till offen und ging die paar Schritte, bis er vor dem Bug stand. Er hatte sie lange nicht mehr gesehen. Als Kind hatte er sie »Marlene« genannt, was seinen Vater fast zur Weißglut brachte. »›Marlen‹ wird es ausgesprochen«, hatte er ihn belehrt, »das e ist stumm.«

      Aber irgendwie war ihm dieses verdammte e immer wieder rausgeflutscht. Es war wie ein Fluch, seine Zunge machte, was sie wollte. Dieses kleine,

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