Inseldämmerung. Bent Ohle

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Inseldämmerung - Bent Ohle Nils Petersen

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      Till hatte beide Hände auf dem Lenkrad liegen und saß da wie versteinert, während Simon in Gedanken durchging, was jetzt alles zu tun war.

      »Na, los, lass uns gehen.« Er stieß Till an.

      »Hauptsache, Bernd spielt nachher mit«, sagte Till zweifelnd.

      »Brockhaus meinte, das funktioniert immer. Es muss nur echt aussehen.«

      »Für mich sind da noch viele Fragezeichen. Niemand weiß wirklich, wie jemand reagiert.«

      »Schon klar. Aber es wird klappen. Du wirst sehen.«

      Hamburg-Wandsbek, Wandsbeker Chaussee, 12:57 Uhr

      Brockhaus starrte nachdenklich auf den schmutzigen Teppich. Es war vielleicht kein gutes Omen, dass der ursprüngliche Plan nun nicht mehr durchführbar war, aber davon durfte er sich nicht irritieren lassen. Er musste die Dinge in die Hand nehmen. Sich nehmen, was er wollte, was ihm zustand. Und das heute. Jetzt und hier.

      Er stand auf, packte alles, was er brauchte, in den Rucksack und hielt für einen Moment inne.

      Das Gesicht des Jungen von gestern Nachmittag geisterte in seinem Kopf herum. Er fühlte, dass es sein Sohn war. Was er aber nicht wusste, war, ob er seinetwegen etwas unternehmen sollte. Heute war der Tag, nach dem es kein Zurück mehr gab. Was sollte er also tun? Ihn ein letztes Mal heimlich beobachten, so wie er es früher schon einmal getan hatte? Ihn ansprechen? Was sollte er sagen? Oder sollte er diese sentimentale Scheiße einfach vergessen, so wie bisher? Es waren Jahre vergangen, in denen er nicht ein einziges Mal an ihn gedacht hatte, also warum jetzt damit anfangen? Genau, warum? Es gab keinen verdammten Grund.

      Er wollte das ein für alle Mal klarmachen, ging ins Bad, schlug in den Spiegel, dass die Splitter ins Waschbecken regneten, nahm sich eine Scherbe und schnitt sich eine knapp zehn Zentimeter lange Wunde in den Unterarm. Er sah zu, wie das Blut herausquoll und durch seine Haare am Arm herabrann. Er legte seine Hand auf die Schnittwunde, spürte das warme Blut und schwor sich, dass die Narbe ihn immer daran erinnern sollte, niemals wieder an seinen Sohn zu denken, niemals wieder sentimental zu werden, niemals wieder weich und schwach zu sein. Niemals. Ab jetzt, ab heute, nie wieder.

      Notdürftig band er sich ein zerrissenes T-Shirt darum, ließ alles so liegen, wie es war, und verließ die Wohnung.

      Unten trat er aus der Haustür auf den Innenhof. Der Wind erfasste ihn in einem Wirbel. Er war sich nicht sicher, ob sein neues Aussehen ausreichte, um seine Aufpasser zu täuschen. Also setzte er noch eine Wollmütze auf. Sollten sie ihm noch folgen, würde er sie irgendwo in der City abhängen. Auf der gegenüberliegenden Seite ging die Tür auf, und eine Frau kam ihm entgegen. Sie hielt ihren Kopf gesenkt. Nicht wegen des Wetters, sondern weil sie verbergen wollte, was sich in ihrem Gesicht abzeichnete. Brockhaus wusste sofort, dass es die Frau aus der Wohnung unter ihm war, die gekommen war, um zu ihrem Mann oder Freund oder wer immer der Typ auch gewesen sein mochte zurückzukehren. In Bruchteilen von Sekunden wägte er ab, ob er sie auch töten sollte, ließ sie dann aber passieren und ging aus dem Gebäude hinaus auf die Straße. Scheinbar flüchtig ließ er seinen Blick über die hier parkenden Autos gleiten und entdeckte seine Bewacher sofort. Wenn diese Idioten nicht immer dieselben Wagentypen fahren würden, hätten sie mehr Erfolg, dachte er, schlug seinen Kragen hoch und lenkte seinen Schritt nach links.

      Es dauerte sieben Sekunden, bis er hörte, wie der Motor ansprang.

      Amrum, Nebel, Strunwai, 12:57 Uhr

      Sie fuhren um die enge Kurve, vorbei an der Post, bis sich links ein Feld auftat, hinter dem man den Leuchtturm über dem Waldsaum erkennen konnte. Inzwischen regnete es. Es waren ganz feine Tropfen, die aussahen wie ein Schwarm von Insekten, die einem Schleier gleich vom Wind mitgetragen wurden. In der nächsten Kurve, hinter der es weiter bis nach Norddorf ging, fuhren sie bei der Bushaltestelle geradeaus auf den Strandweg, der direkt auf den Nebeler Strand zulief.

      »Es muss eins der letzten Häuser vor dem Strand sein«, sagte Martin und beugte sich suchend über das Lenkrad, um an den zurückversetzt stehenden Häusern eine Hausnummer oder einen Namen erkennen zu können.

      Vor einer kleinen Kreuzung, hinter der das Waldstück bis zum Strand begann, hielt Martin an und deutete nach rechts.

      »Das muss es sein.«

      »Hier? Sieht krass groß aus«, sagte Daniela.

      »Steigst du aus und schaust mal nach, Joshua?«, bat Alexandra.

      »Wie soll das heißen?«, fragte er genervt.

      »›Dünenglück‹«, antwortete Martin.

      »Bescheuerter Name.«

      »Du sollst keine Kritiken abgeben, sondern gucken, ob wir richtig sind.«

      »Lustig«, sagte Joshua, schmiss die Tür zu und ging mit gesenktem Kopf auf das großflächige Grundstück. Das rot verklinkerte Haus war von Rasen umgeben und nach hinten und zur Seite von Tannen blickdicht eingerahmt. Vorn neben der Auffahrt begrenzten mannshohe Büsche das Grundstück.

      Joshua ging ein Stück über die steingeflieste Auffahrt und stoppte abrupt, als er das Schild entdeckte. Er winkte sie zu sich und verschwand durch die Eingangstür, in der der Vermieter den Schlüssel für sie stecken gelassen hatte, im Haus.

      Die anderen stiegen aus dem Wagen, nachdem Martin unter das zum Haus hin offene Carport gefahren war. Er öffnete den Kofferraum und reichte Daniela zwei Taschen, während Alexandra mit Piet auf dem Arm vorging.

      »Joshi muss aber auch was tragen«, beschwerte sich Daniela.

      »Ja, sag ihm das«, erwiderte Martin und kramte weiter im Kofferraum.

      Das Erste, was Martin auffiel, als er das Wohnzimmer betrat, war der Weihnachtsbaum, den der Vermieter für sie aufgestellt hatte.

      »Nun seht euch das an. Ist doch klasse, oder?«

      »Der ist ja gar nicht geschmückt«, meinte Daniela.

      »Nein, das werden wir machen. Genauer gesagt, ihr zwei.« Alexandra blickte ihre Kinder mit großen, auffordernden Augen an.

      »Echt jetzt?«

      »Ja, ihr könnt auch mal etwas beitragen.«

      »Und ihr?«, wollte Joshua wissen.

      »Ich füttere Piet, und Papa ist den ganzen Weg im Sturm gefahren, der kann sich jetzt mal ausruhen.«

      »Wie, Papa kann hier abhängen, während wir schuften müssen?«

      »Joshua, du machst das jetzt, und ich will nichts weiter von dir hören«, sagte Alexandra, woraufhin Joshua seinem Vater einen verächtlichen Blick zuwarf.

      Martin lehnte sich mit beiden Händen auf eine Stuhllehne und setzte ein zufriedenes Lächeln auf. »Weihnachten«, sagte er und seufzte, »das Fest der Liebe und des Friedens.«

      Hamburg, Stephansplatz, Spielbank Esplanade, 17:51 Uhr

      Till saß konzentriert am Steuer und lenkte den Transporter am Casino vorbei zur Rückseite des Gebäudes. Simon kniff auf dem Beifahrersitz die

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