Inseldämmerung. Bent Ohle

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Inseldämmerung - Bent Ohle Nils Petersen

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wird ja heute nichts los sein«, meinte Till.

      Simon hatte sich monatelang den Kopf darüber zerbrochen, wie es ablaufen würde, den Geldtransporter zu überfallen, hatte sich etliche Szenarien ausgemalt, was passieren könnte, aber zu seiner Überraschung war Brockhaus’ Plan so simpel wie unauffällig und damit auch ungefährlich.

      Es war heutzutage einfacher, in einer Sicherheitsfirma einen Job zu bekommen, als einen Handyvertrag zu unterzeichnen. Sie nahmen einfach jeden. Wenn man wollte, konnte man den eintägigen Test absolvieren, man konnte sich diese Bescheinigung aber auch einfach selbst ausstellen. Im Internet herunterladen, ausfüllen, fertig. Kaum jemand überprüfte so etwas richtig. Jeder Arbeitgeber in dieser Branche war froh, Mitarbeiter zu bekommen, erst recht, wenn sie körperlich halbwegs fit waren. Man bekam eine Dienstwaffe. Den Schein dafür bezahlte das Unternehmen. Es war, als schenkten sie einem jede Möglichkeit, in diesem Job durchzustarten oder ihn auszunutzen.

      »Wie hast du’s geschafft, dass wir zusammen fahren dürfen?«, erkundigte sich Simon.

      »Kleinigkeit. Hab ’n bisschen auf die Kacke gehauen und Bernd beschuldigt, meinen Spind aufgebrochen zu haben. Konnte den Wichser sowieso nie ausstehen.«

      Simon grinste. »Hoffentlich ist er nicht nachtragend.«

      »Und wenn schon, ab morgen sind wir verschwunden wie der Weihnachtsmann nach der Bescherung.«

      »Ja«, bestätigte Simon mit einem winzigen Zögern in der Stimme.

      Till bog in die kleine Straße zum Baumarkt ab und hielt auf der Rückseite vor einer Metalltür neben einem vergitterten Fenster. Simon klingelte, während Till die Laderaumtür öffnete und sich auf dem menschenleeren Hof umsah. Ein Lkw stand an der Rampe der Warenannahme, aber weder vom Fahrer noch von einem Mitarbeiter war etwas zu sehen. Ein kurzer Pfiff ertönte, und ein Schatten löste sich aus dem Zwischenraum zwischen zwei Müllcontainern. Brockhaus kam mit schwarzem Käppi und dunkelblauer Jacke auf ihn zu. Geistesgegenwärtig ergriff Till den Sack, den Simon vorbereitet hatte, und reichte ihn wortlos dem vorbeigehenden Brockhaus. Der verstaute ihn mit wenigen Handgriffen in seinem Rucksack und verließ das Gelände so geisterhaft, wie er aufgetaucht war.

      »War er das?«, flüsterte Simon, der die Übergabe gar nicht mitbekommen hatte, leise.

      »Ja, ja, mach weiter«, zischte Till.

      Die Metalltür wurde geöffnet.

      »’n Abend, die Herren. Immer reinspaziert«, begrüßte sie ein Mitarbeiter, der den Ausweis, den Simon ihm hinhielt, nur flüchtig anschaute.

      Ab jetzt verlief der Arbeitstag wie gewohnt. Das würde sich morgen jedoch dramatisch ändern.

      Hamburg-Wandsbek, Wandsbeker Chaussee, 23:43 Uhr

      Brockhaus saß an die Wand gelehnt auf einer Klappmatratze, die er sich in einem Supermarkt gekauft hatte, vor dem Fernseher, der vor ihm auf dem Boden stand. Die Konsole war angeschlossen, das Spiel gestartet. Jetzt wartete er darauf, dass Simon und Till der Runde beitraten, indem sie seiner Einladung zum Spiel folgten. In der Wohnung unter ihm entfachte sich gerade ein Ehestreit. Die dumpfen Stimmen drangen durch den Boden zu ihm herauf und klangen dadurch, dass das Zimmer nicht möbliert war, so nah, als stritten sie direkt neben ihm. Anfänglich amüsierte Brockhaus der Streit, er versuchte aufzuschnappen, um was es ging, und lachte über die Schimpfwörter, die sie sich gegenseitig an den Kopf warfen. Doch bereits nach kurzer Zeit wurde er immer gereizter ob der Stimmen, und er wünschte sich, dass einer der beiden dem anderen an die Gurgel ginge oder dem Gegenüber mit der Pfanne eins verpasste, damit der Lärm endlich ein Ende hatte.

      Erst um Viertel nach zwölf meldeten sich Simon und Till.

      »Gut, dass ihr endlich da seid. Wie ist es gelaufen bis jetzt?«, schrieb er.

      »Ich habe mich und Simon morgen auf derselben Tour untergebracht. Besser geht’s nicht. Alle anderen Besorgungen sind gemacht«, antwortete Till.

      »Du hast von uns ja schon deine Sachen bekommen. Wenn du noch was brauchst, sag Bescheid«, meldete sich Simon.

      »Ich habe alles, danke.«

      »Und die Wohnung? Kommst du klar?«, wollte Till wissen.

      »Besser als da, wo ich herkomme«, schrieb Brockhaus zurück, »Nur meine Nachbarn gefallen mir nicht.«

      »Ab morgen ist alles besser.« Das kam wieder von Simon.

      Ja, ab morgen würde sich alles ändern.

      Brockhaus wusste, dass das eine seiner größten Entscheidungen überhaupt war, vielleicht die Entscheidung seines Lebens. Ab morgen konnte sein Leben einen anderen Verlauf nehmen, einen besseren, leichteren und von beschwerenden Altlasten völlig unabhängigen Verlauf. Er würde frei sein, frei für alle Zeit, und dann könnten sie ihn alle am Arsch lecken. Seine Vergangenheit, die Bullen, das ganze verdammte Rechtssystem und jeder Knast, in dem er eingesessen hatte.

      »Benutzt die Handys nur im Notfall, klar? Alles andere ist und bleibt wie besprochen.«

      »Ich hab gehört, dass ein Sturm aufkommen soll«, schrieb Simon.

      Brockhaus lächelte und tippte weiter. »Etwas Besseres hätte uns gar nicht passieren können. Der Sturm ist das i-Tüpfelchen des Plans, er wird uns den Arsch retten.«

      Der Cursor blinkte regelmäßig, aber keiner der beiden antwortete.

      »Ihr werdet sehen, er ist unsere Lebensversicherung. Und jetzt ab ins Bett. Legt euch hin, und kein Alkohol heute Abend.«

      Brockhaus blickte zu der einzelnen Flasche Bier, die auf dem Fenstersims zur Kühlung stand.

      Sie beendeten das Spiel, und Brockhaus stellte irgendeinen Film im Fernsehen an. Er musste die Lautstärke hochregeln, weil die Stimmen unter ihm nicht nachließen. Die Frau kreischte jetzt nur noch, und es polterte und rumpelte. Es klang, als würde er sie durch die Wohnung jagen.

      Er stand auf, um sich das Bier vom Fenstersims zu holen. Draußen war es kühl, aber immer noch windstill, und er fragte sich, ob das mit dem Sturm vielleicht nur Panikmache gewesen war. Unten ging die Haustür auf, und eine Frau lief schluchzend und sich das Gesicht haltend über den Hof. Dann verschwand sie im Schatten des Vorderhauses, und es war endlich still. Kein Laut war mehr zu hören. In den meisten Fenstern seiner Nachbarn standen Weihnachtslichter, Pyramiden, Sterne und Tiere. Er blickte sich ein letztes Mal um und schloss anschließend das Fenster.

      Gerade als er die Flasche öffnete und zum Trinken ansetzte, stellte sein Untermieter die Musik an. Eine nicht enden wollende Salve an Trommelstößen und Gitarrenriffs, die klangen, als würden sie mit einer Gartenkralle erzeugt werden. Die dumpfe, gutturale Stimme des Sängers erhob sich zu einem unverständlichen Brüllen, und sein Untermieter meinte, dabei »mitsingen« zu müssen.

      Brockhaus stellte energisch sein Bier ab und ging zur Wohnungstür, wo er allerdings zweifelnd stehen blieb. Es war nur diese eine Nacht, die er durchstehen musste, er konnte es sich nicht leisten, jetzt auffällig zu werden, indem er seinem Nachbarn die Meinung sagte. Er dachte kurz an die Waffe, die unter der Decke versteckt auf der Matratze lag, schüttelte dann aber den Kopf. Nein, es ging nicht, er musste es ertragen oder warten, bis ein anderer Nachbar es ihm ausredete oder gleich die Bullen rief. Andererseits …

      Die Wohnungstür vibrierte von den Bässen.

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