Inseldämmerung. Bent Ohle

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Inseldämmerung - Bent Ohle Nils Petersen

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auf den Absender.

      »Ist es das?«

      »Ja, Weihnachten ist gerettet.«

      »Wusste gar nicht, dass das Christkind für den Mindestlohn beim Paketdienst arbeitet«, sagte Daniela im Vorbeigehen und verschwand im Gästebad. Das Schloss schnappte ein.

      Martin und Alexandra sahen sich verdutzt an.

      »Mit denen sollen wir in den Urlaub fahren?«, fragte Martin Piet und pikste ihm in den Bauch. »Du bist das einzig nette Kind hier im Haus.«

      Der Kleine lachte, und sie gingen zurück ins Wohnzimmer.

      Hamburg-Wilhelmsburg, Zentrale von Optisecur, 16:55 Uhr

      Till schlug seinen Spind zu und drehte sich schnaubend um. Hinter ihm standen vier Kollegen, die augenblicklich aufhörten, sich anzuziehen und ihre Gespräche fortzuführen. »Wer war an meinem Spind?«, bellte er und blickte von Gesicht zu Gesicht, doch keines zeigte eine Reaktion. »Wer?«, schrie er und schlug mit der flachen Hand gegen die Tür, dass es krachte.

      Niemand bewegte sich.

      »Was soll der Lärm hier?«, rief eine Stimme von weiter hinten, und ein Mann in blauem Pullover mit schwarzem Schnäuzer kam wenig begeistert in die Umkleide.

      »Jemand war an meinem Spind«, sagte Till und verschränkte die Arme vor der Brust.

      »Wurde was geklaut?«

      »Nein, aber jemand hat herumgewühlt.«

      Zinkowski, Tills Chef, kam näher und warf einen Blick in den schmalen Schrank.

      »Sieht alles normal aus.«

      »Ja, aber es liegt nicht so wie letztes Mal. Ich leg die Sachen immer so hin, dass ich sofort sehe, wenn sie jemand angepackt hat.«

      »War einer von euch an diesem Schrank?«, fragte Zinkowski an seine Mitarbeiter gewandt.

      Alle schüttelten den Kopf.

      »Okay, dann musst du dir ’n neues Schloss besorgen. Mehr kann ich jetzt nicht tun.« Er schaute ihn mit einer bedauernden Falte im rechten Mundwinkel an.

      »Kann ich dich kurz sprechen?«, bat Till.

      »In meinem Büro.« Zinkowski machte kehrt und ging eiligen Schrittes voran in den dunklen Flur und durch die offen stehende Tür zu seinem Büro. Nachdem er sich in seinen zerschlissenen Ledersessel geworfen und ein Buch auf seinem Schreibtisch geschlossen hatte, sah er Till mäßig erwartungsvoll an. »Na?«

      »Ich glaube, ich weiß, wer’s war, und ich würde gern einen anderen Mitfahrer bekommen«, eröffnete Till das Gespräch.

      »Du meinst, Bernd war’s?«

      »Die anderen würden sich nicht trauen. Lass mich mit dem Kleinen fahren, dann kann Bernd mit Günther auf Tour gehen.«

      Zinkowski atmete unzufrieden aus, tippte auf seiner Tastatur herum und stierte auf den Bildschirm.

      »Na ja … wenigstens würde es keinen Schichtwechsel bedeuten.«

      »Ich will Bernd ja auch nichts anhängen, aber wir sollten lieber nicht zusammen auf einem Bock sitzen. Das wird nicht gut gehen.«

      Zinkowski blickte auf und musterte den finster dreinblickenden Till eingehender. Er war fast eins neunzig groß, breitschultrig, kräftige Hände, kahler Schädel und Vollbart. Dazu ein dunkler Blick aus kohlrabenschwarzen Augen. Sein Name passte so was von gar nicht zu ihm. Unter einem Till stellte Zinkowski sich einen blonden, netten Jungen mit Zahnspange vor, aber nicht diesen bärtigen Riesen, der wahrscheinlich kleine Kinder zum Frühstück verspeiste.

      »Im Grunde«, begann er fast abwesend, »bist du mir unheimlich mit deiner Art. Aber ich muss auch zugeben, dass eine Ausstrahlung, wie du sie hast, in unserem Gewerbe gar nicht so unangebracht ist.« Er lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf den Bildschirm. »Ihr tauscht die Partner. Du bekommst Simon. Der Kleine kann jemanden wie dich an seiner Seite vertragen. Was du zu viel hast, hat er zu wenig.«

      Er schlug laut auf die Enter-Taste, und damit war es besiegelt.

      »Soll ich die Polizei wegen des Spinds kommen lassen? Falls doch was fehlt?«

      »Ach, war eh kaum was drin von Wert.« Till sah immer noch so missgelaunt aus wie zuvor. »Aber danke.«

      Sein Chef nickte überrascht. Draußen bewegte sich etwas und zog seine Aufmerksamkeit auf sich.

      »Da kommt er ja. Sag’s ihm gleich selbst«, meinte er mit einem Fingerzeig auf Simon, der soeben die Eingangstür aufzog.

      Till grinste, stöhnte, als er sich in Bewegung setzte, was wie ein Grunzen klang, und verließ das Büro.

      Hamburg-Wandsbek, Wandsbeker Chaussee, 16:59 Uhr

      Brockhaus betrat seine neue Wohnung. Ein Zimmer, einunddreißig Quadratmeter, Küche, Bad, nicht möbliert. Strom hatte er bereits angemeldet, sodass er nicht im Dunkeln sitzen musste. Till hatte ihm ein paar der nötigsten Sachen besorgt und in einer Garage in der Nähe deponiert. Brockhaus sah sich um. Graues Licht fiel durch die verschmutzten Fenster. Der Teppich sah recht neu aus, wies aber schon einige größere Flecke auf. Die Wände waren mehr schlecht als recht gestrichen. Er lächelte. Lange würde er diese Bude nicht ertragen müssen. Sie war nur ein kurzer Stopp auf seiner Reise in ein besseres Leben.

      Der Garagenhof lag versteckt in einem abgelegenen Wohngebiet, in dem sich das Straßenpflaster schon überall aufwellte. Unkraut wuchs zwischen den Steinplatten, Müll lag in den Ecken des Hofs, und die Garagentore waren von Rost und Grünspan befallen. Brockhaus öffnete die Nummer elf, in der sich nur ein einziger schmutziger Rucksack und ein altes Mountainbike befanden. Auf dem Rückweg hielt er an einem Supermarkt an und scannte die Straße, ob er vielleicht ein paar zivile Beamte sah, die ihn verfolgten. Doch zu seiner Überraschung schien er unbewacht zu sein. Er kaufte sich etwas Wasser, Fertigsuppen, Cornflakes und Milch und legte zu guter Letzt ein einzelnes Bier in den Wagen, zum Feiern, dass er wieder in Freiheit war. Mehr wollte er sich nicht erlauben, um nicht müde und träge zu werden.

      Mit zwei vollen Tüten am Lenker fuhr er langsam zu seiner neuen Wohnung, wobei ihm ein dunkelblauer Passat auffiel, in dem zwei Männer saßen. Einer von ihnen trank aus einem Kaffeebecher, ließ ihn dabei aber nicht aus den Augen. Zivilbullen, dachte er und grinste innerlich. Fröhlich pfeifend lenkte er das Rad an ihnen vorbei und freute sich auf den heutigen Abend ohne Mauern und Stacheldraht um ihn herum.

      Da er die Gegend hier noch nicht kannte, schaute er sich neugierig um und beobachtete alles in seiner näheren Umgebung. Sechs Jahre hatte er eingesessen, er konnte sich gar nicht sattsehen an all dem Leben um ihn herum, die Menschen auf der Straße und im Park, die Weihnachtsbeleuchtung in den Fenstern, Werbetafeln, Schaufenster, Imbissbuden, Restaurants. Das alles hatte der Knast ihm genommen und noch viel mehr. An einem eingezäunten Bolzplatz hielt er an. Die Zivilstreife war mit Sicherheit immer noch irgendwo hinter ihm, aber das interessierte ihn nicht. Er sah den Jungs zu, wie sie mit einem zerfledderten Ball im Halbdunkel Fußball spielten, lachten und sich anschrien und schubsten. Einer lehnte nur am Zaun und spielte etwas auf seinem Handy. Ihre Jacken hatten sie achtlos auf den Boden geschmissen. Ein dunkelhaariger Junge tunnelte gerade seinen Gegenspieler, und alle jaulten

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