Der letzte Admiral 3: Dreigestirn. Dirk van den Boom
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Aus ihren Fragen wurde nichts mehr.
»Nein, nein. Hören Sie! Bleiben Sie hier. Verlassen Sie diesen Raum auf keinen Fall! Er liegt unterhalb der Wahrnehmungsschwelle der Stationsautomatik, das ist so eingestellt. Wenn Sie ihn verlassen und rumlaufen, finden die Roboter Sie, und das wäre keine gute Idee. Lassen Sie sich nicht täuschen. Warten Sie bitte, bitte, bitte, bis ich wieder aus dem Tank klettere. Oder eben nicht ich. Mein Nachfolger. Bitte. Ich bitte Sie eindringlich. Drei Stunden. Der Nahrungsautomat funktioniert. Die Tür da? Die Toiletten. Bitte.«
Er schaute an die Wand. Dort hing eine Uhr.
»Ich muss jetzt gehen. Spaß macht mir das nicht.«
Dann hob er eine Hand, in der er plötzlich einen Injektor hielt. Er setzte ihn übergangslos an seinen Hals, es war ein feines Zischen zu hören, dann sackte die Gestalt plötzlich in sich zusammen und fiel krachend zu Boden. Der Körper zuckte ein- oder zweimal, die Augen starr an die Decke gerichtet, der Injektor kullerte davon. Dann war der Körper ruhig.
Alle waren ganz sprachlos. Der Mann hatte beileibe nicht gescherzt.
Sia kniete sich zögernd neben den Regungslosen und berührte die Halsschlagader.
»Tot«, sagte sie mit belegter Stimme. »Mausetot.«
Ein schabendes Geräusch ertönte. Aus der Unterseite des Tanks kam eine flache Maschine gekrochen, die dafür breit wie ein Bett war, und bewegte sich zielstrebig auf die Leiche zu.
Sia machte einen Schritt zurück. Sie wollte definitiv nicht aus Versehen mit entsorgt werden.
Der Roboter positionierte sich neben der Leiche und hob sie dann hoch. Der schlaffe Leib wurde abgelegt und dann bewegte sich die Maschine wieder zu ihrem Ursprungsort und eine Klappe schloss sich hinter ihr.
Ryk hatte definitiv kein schmatzendes Geräusch gehört, so etwas war nur seiner überreizten Fantasie entsprungen.
Dann aber erwachte der Tank. Kontrollen leuchteten auf. Sia runzelte die Stirn, ging hinüber zu der Anlage und betrachtete die Anzeigen mit mehr als nur reiner Neugierde. Sie schien ein Verständnis für das zu haben, was sich hier abspielte, und die Faszination ging über ihre natürliche Affinität zu technischen Errungenschaften der Vergangenheit hinaus. Dann, nach einigen Minuten, in denen der Tank vernehmlich vor sich hin gesummt hatte, nickte sie, mehr zu sich selbst. »Ah ja«, murmelte die Sängerin. »So, so.«
»Können wir in den Genuss deiner Erkenntnis kommen?«, fragte Ryk. Er respektierte Sias überragendes Verständnis, noch mehr aber schätzte er, wenn man die Unwissenden sogleich über Ergebnisse in Kenntnis setzte.
»Ich bin mir nicht sicher.«
»Das sind wir uns ja nie«, erwiderte Uruhard. »Was vermutest du?«
»Der Tank und die Anzeigen erinnern mich an Teile meiner Ausbildung, vor allem aber an eine mittlerweile funktionslose Apparatur im Labor von Onkel Dassio. Ich durfte sie mir vor meiner ersten Operation ansehen und erinnere mich, dafür nicht das geringste Verständnis aufgebracht zu haben.«
»Worum handelte es sich?«
»Ach, ganz banal«, sagte Sia mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Ein Gerät, mit dem man, basierend auf der DNA eines Patienten, abgetrennte Gliedmaßen neu heranwachsen ließ, um sie nachher operativ mit dem Körper zu verbinden. Hand ab, neue Hand, Hand wieder da. Wir haben eine etwas kleinere Fassung in der Krankenstation der Aurelius, glaube ich. Sehr praktisch. Funktioniert mit allen Gliedmaßen und Organen, nur am Kopf scheiterte die Technik.« Sie hielt inne. »Nein, der Kopf geht auch. Das Gehirn und das zentrale Nervensystem waren das Problem, wenn ich mich recht entsinne. Das hier aber«, sie zeigte auf den Tank, »ist ohne Zweifel eine Nummer größer.«
»Nun, groß ist er«, kommentierte Ryk. »Darin werden also Organe gezüchtet, für Unfallopfer?«
»Ich glaube, es wird weitaus mehr gezüchtet als nur Organe. Ich tippe mal auf vollständige Körper.«
Ryk schaute sie etwas ungläubig an, aber Sia war bar jeder Ironie und schaute den Tank beinahe mit der gleichen Zärtlichkeit an, mit der sie ihn manchmal betrachtete. Die Hybride hatte sich selbst einmal scherzhaft als technosexuell bezeichnet und so langsam bekam Ryk einen Eindruck davon, was genau sie damit eigentlich meinte.
»Da werden Körper herangezüchtet?«, fragte Uruhard. »Um sie nachher auszuschlachten, wie in einem Schlachthof?«
»Das wäre ineffizient. Wenn ein Organ fehlt, ist es sinnvoller, es einzeln herzustellen. Nein, dieser Körper wird erstellt, damit er autonom funktioniert.«
»Aber die Seele.«
Alle schauten Momo an, der sich in diesem Moment auch noch als spirituell interessierter Mann entpuppte. Es war eine Zeit großer Wunder.
Sia warf noch einen letzten Blick auf den Tank, aus dem nun ganz leise, rumpelnde Geräusche zu hören waren, als würde jemand darin eine Suppe anrühren. Möglicherweise ein Vergleich, der gar nicht so unsinnig war, wie er sich anhörte.
»Ich verstehe deinen Einwand, Momo«, sagte sie dann sanft. »Von wissenschaftlicher Seite aus kann ich dir sagen, dass er unsinnig ist. Die Neurobiologen halten die Seele für eine Einbildung. Sie betrachten unser Gehirn als eine unendlich komplizierte Maschine. Demnach ist all unser Fühlen, Erleben und Denken das Ergebnis physikalischer Vorgänge im Kopf. Könnten wir diese Neurobiologie vollständig begreifen, dann wäre die Seele endgültig als Illusion entlarvt, als religiöse Spinnerei. Das Ich-Bewusstsein ist ein Konstrukt des Gehirns, um auf der Basis von Intelligenz – also einer biologisch determinierten Informationsverarbeitungskapazität – die Umwelt wahrzunehmen und optimal in ihr zu funktionieren, was im Falle von uns Säugetieren vor allem bedeutet: optimal zu überleben und sich optimal fortzupflanzen.«
Momo war anzusehen, dass er mit dieser Sichtweise nicht einverstanden war oder einfach nicht jedes der komplizierten Worte verstand. Bei Ryk war Letzteres der Fall, er hatte über so etwas noch nie nachgedacht und dementsprechend auch keine Meinung dazu.
Doch ehe Momo seinem Missfallen Ausdruck verleihen konnte, hob Sia eine Hand und lächelte. Sie war noch nicht fertig. »Es gibt auf der anderen Seite Wissenschaftler, die diese Problematik etwas differenzierter betrachten. Dabei helfen Erkenntnisse aus der Quantenphysik.«
»Sia, das versteht hier niemand«, wandte Ryk schwach ein. Wenn sie einmal richtig in Fahrt war und auf Lehrmodus schaltete, war sie wirklich kaum aufzuhalten, und auch diesmal ließ sie sich durch die Bemerkung des Springers keinesfalls beirren.
»Hör mir zu, Ryk. Es ist eine wichtige Frage.«
»Ich weiß nicht einmal, was Quantenphysik ist. Und ich bin mir sicher, alle Quantenphysiker wurden vom Hive gefressen.«
Momo kicherte.
Sia fand das nicht ganz so witzig. »Umso wichtiger, dass du etwas lernst. Also: Der Dualismus zwischen Körper und Seele ist für viele Quantenphysiker ebenso real wie die Tatsache, dass Licht beide scheinbar gegensätzlichen Formen annehmen kann: elektromagnetische Welle und handfestes Teilchen. So existiert auch ein universeller Quantencode, in den die gesamte lebende und tote Materie eingebunden ist. Dieser Quantencode hat sich seit dem Urknall über den gesamten Kosmos erstreckt. Konsequenterweise glauben solche Theoretiker also an eine Existenz nach dem Tode. Was wir unser Leben in dieser von unseren Sinnen erfassbaren Welt