Kleiner Glaube - großer Gott. Tom Wright

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Kleiner Glaube - großer Gott - Tom Wright

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wenn wir dem Tod ins Auge sehen, müssen wir uns erinnern, dass unser Gott der Gott ist, der Jesus von den Toten auferweckt hat. Das Leben des Christen ist kein Leben, das auf eigenen Füßen steht oder das sich auf den eigenen Glauben stützt. Es ist an jedem Punkt auf den Charakter Gottes gegründet, darauf, wie Gott ist. Und der Höhepunkt des Kapitels spricht zum gewöhnlichen Christen im Alltagsleben. Darauf ist oft hingewiesen worden. Auffahren auf Flügeln wie Adler ist schön und gut. Es ist oft einfacher, weiterzumachen, wenn wir etwas Aufregendes tun. Wenn unser Leben aus den immer gleichen alten Dingen besteht, nur Schritt für Schritt vorwärts geht und aus einem langsamen Spaziergang ohne überraschende Wendungen oder interessante Aspekte besteht, dann ist es nicht immer so leicht. In diesen Momenten müssen wir etwas von dem Gott wissen, der niemals müde wird. Bei Beerdigungen und in Neujahrsgottesdiensten wird oft über die Zeit nachgedacht und dass letztlich uns alle der Tod ereilen wird. Das ist eine Wahrheit, die der Betrachtung wert ist, besonders in einer Ära, in der kaum über den Tod gesprochen wird. Wir müssen dieser Wahrheit jedoch die andere Wahrheit beiseite stellen, die der Hymnus erwähnt: die Wahrheit, dass Gott wie ein unumstößlicher Felsen seine Söhne und Töchter zur Herrlichkeit führt. Seine Fürsorge steht im Hintergrund unserer Beharrlichkeit.

      An dieser Stelle möchte ich eine Passage aus Kolosser 1 einbringen, in welcher der Apostel Paulus das, was Jesaja sagt, geschickt aufgreift und verstärkt. In Vers 11 betet Paulus, die Kolosser mögen „gestärkt werden mit aller Kraft durch seine herrliche Macht zu aller Geduld und Langmut“. Paulus zögert nicht zu sagen: Christ zu sein ist keine leichte Sache, sondern erfordert kontinuierliche Arbeit und Wachsamkeit. Das ist jedoch kein Grund zur Verzweiflung. Im nächsten Vers heißt es: „Mit Freuden sagt Dank dem Vater, der euch tüchtig gemacht hat zu dem Erbteil der Heiligen im Licht.“ Gott selbst macht uns also tüchtig, befähigt uns, gibt uns die Kraft, die uns zu Heiligen macht. Dies Geheimnis steckt schon in Vers 11: gestärkt mit aller Kraft durch seine herrliche Macht. Es heißt nicht: Gestärkt durch unsere Gefühle oder dadurch, dass wir fröhlich die bestimmte Aufgabe erfüllen, die uns momentan anvertraut ist. Das griechische Wort, das in der Lutherbibel mit „durch“ wiedergegeben ist, kann das Phänomen bezeichnen, wenn man von etwas im positiven Sinne mitgerissen wird – wenn man z. B. in einem Fluss stromabwärts schwimmt. Die Strömung nimmt den Schwimmer mit. Er oder sie muss natürlich auch selbst schwimmen, doch aufgrund der Strömung kann man weiter und schneller schwimmen und mit weniger Anstrengung, eben nicht alleine mit eigener Kraft. So ist es auch, wenn unsere Schwachheit im Strom der Allmacht Gottes schwimmt. Unser Gott ist der Gott, der den Müden Kraft gibt.

      Das bringt mich zum Anfang zurück. Der Glaube ist kein allgemeines Vertrauen in irgendetwas oder irgendjemanden. Glauben heißt: unsere Situation und unsere Schwäche im Lichte dessen anschauen, wer Gott ist und was er für uns getan hat. So ist auch unsere Hoffnung kein vager Optimismus. Hoffnung heißt: Die Zukunft im Lichte desselben Gottes zu sehen und im Lichte dessen, was er verheißen hat, für uns zu tun. Er verfolgt seine Absichten, und das wirkt sich aus, Jahr um Jahr. Dieser Glaube und diese Hoffnung ermöglichen uns, „des Herrn würdig zu leben“ (Kolosser 1,10). Zwei Haltungen gilt es zu vermeiden: Auf der einen Seite die Vorstellung, Gott würde uns „alles abnehmen“, sodass wir uns zurücklehnen und alles ihm überlassen können. Auf der anderen Seite die götzendienerische Vorstellung, unser Gott sei nicht wirklich in der Lage, sich um uns zu kümmern und uns die Kraft zu geben, die wir in der Arbeit für ihn brauchen. Wenn wir auf den wahren Gott schauen und auf ihn harren, werden wir entdecken: Wenn es gilt aufzufahren, dann können wir es auf den Flügeln des Adlers tun; wenn es gilt zu laufen, können wir es tun, ohne matt zu werden; und wenn es gilt zu wandeln, können wir das tun – des Herrn würdig und ohne müde zu werden.

      3

      Nicht im Schauen

      WIR KÖNNEN UNS NUN EINE ganz zentrale Passage in der Bibel anschauen, die den Glauben behandelt. Es handelt sich um Hebräer 11. Dort sagt der Autor: „Ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen“ (Vers 6).

      Wenn wir nicht aufpassen, entsteht in unserem Kopf das Bild von Gott als einer Art himmlischem Prüfer. Dieser hat ziemlich willkürlich entschieden: Es gibt nur einen einzigen Maßstab, an dem sich entscheidet, ob man die Prüfung besteht oder durchfällt. Wer Glauben hat, besteht; wer keinen Glauben hat, fällt durch. Das scheint jedoch nicht nur willkürlich zu sein. Wenn wir davon ausgehen, dass die Allgemeinheit unter „Glaube“ nicht viel mehr als „Gutgläubigkeit“ versteht, dann ist das auch noch ausgesprochen unfair. Warum sollen einige Menschen bevorzugt behandelt werden, nur weil sie zufällig fähig sind, bestimmte Vorstellungen mit Haut und Haaren zu schlucken, die andere Menschen, vielleicht die Mehrheit, um keinen Preis akzeptieren kann?

      Nach allem, was bisher gesagt wurde, wird es keine Überraschung sein, dass ich mich gegen diese Auffassung vom Glauben wenden werde. Ich werde dafür sorgen, dass der Autor des Hebräerbriefes seine eigene Verteidigung übernehmen kann.

      Das erste, was es zu registrieren gilt, richtet sich besonders an diejenigen, die sich vorstellen, der Glaube sei eine vollkommene Gewissheit über den Sinn des Lebens, eine vollständige und klare Gotteserkenntnis, die den glaubenden Menschen befähigt, ruhig durch das Leben zu marschieren, ohne mit der Wimper zu zucken angesichts all der Probleme und Schwierigkeiten, mit denen es die meisten von uns zu tun haben. Wer meint, dass der Glaube so ist wie gerade beschrieben, wird gewöhnlich entweder in krasser Selbsttäuschung enden oder sich verwundert fragen, warum der Glaube scheinbar so schwierig ist – und das gilt für Christen wie für Nichtchristen. All diesen Leuten sagt der Hebräerbrief rundheraus: Nein, ihr liegt falsch. Glaube ist das Gegenteil von Schauen. „Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht“ (Hebräer 11,1). Daher der Titel dieses Kapitels, mit einem Seitenblick auf 2. Korinther 5,7. Der Glaube ist keine mysteriöse Fähigkeit, mit einem geheimen Schlüssel durch das Leben zu schweben, der alle Türen öffnet. Der Glaube ist die Bereitschaft, auf der Basis dessen zu denken und zu handeln, was wir von Gott wissen (was sehr wenig sein kann), und ihm zu vertrauen, dass er uns nicht im Stich lässt. Das trifft gleichermaßen auf Menschen zu, die jahrelang an Gott geglaubt haben, aber den Glauben brauchen, um den nächsten Tag zu überstehen, und auf Menschen, die sich nie sicher waren, ob sie an Gott glauben oder nicht, also auf Menschen, die diesen Glauben wirklich zum ersten Mal brauchen.

      Der Autor von Hebräer 11 veranschaulicht, was er meint. Gott sagt: „Noah, es wird eine Flut geben; geh hin und bau eine Arche.“ Und Noah geht hin und baut sie, wobei er vermutlich den Spott der örtlichen Wetterpropheten ertragen muss. Gott sagt: „Abraham, ich möchte, dass du den Ort verlässt, an dem du geboren und aufgewachsen bist, und woanders hingehst – und kümmere dich im Moment nicht darum, wo das sein wird. Ich habe Pläne mit dir.“ Abraham gibt seine Sicherheit auf und geht im Glauben, nicht im Schauen, in das Land, das Gott seinen Nachkommen geben wollte. Gott sagt: „Sarah, du wirst einen Sohn zur Welt bringen.“ Menschlich gesehen war das unmöglich. Doch Sarah glaubt das und Isaak wird geboren – sie glaubt trotz ihres nervösen Gekichers, das ihre Unsicherheit kaschiert.

      In jedem dieser Fälle handelt es sich bei den betreffenden Personen nicht um Supermystiker, die im Vergleich zu uns in anderen Sphären leben. Auch ihnen wird kein Blick auf eine himmlische Landkarte gewährt, auf der die kommenden Weltereignisse eingezeichnet sind. Sie bekommen allerdings Verheißungen: Wenn sie in diese oder jene Sackgasse laufen, wird Gott vor ihnen eine Tür auftun, die sie sich nie erträumt hätten. Das ist auch heute noch so für die Christen, die das Gefühl haben, Gott ruft sie auf einen neuen Weg oder weist sie an, irgendwelche liebgewonnenen Besitztümer, Beziehungen oder Gewohnheiten aus ihrem Leben zu streichen. Gott scheint zu sagen: „Mach dich zum Narren. Geh in die Wüste, verlass deine gegenwärtige sichere Existenz, verlass die Dinge, auf die du dich verlässt.“ In gewissem Sinne sagt er das natürlich auch. Doch diejenigen, die ihn beim Wort nehmen, wissen, dass die Sache nicht so einfach funktioniert. „Gott hat wunderbare Dinge für diejenigen vorbereitet, die ihn lieben“ – stimmt, doch dieselbe Passage sagt auch:

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