Klartext. Dominic Multerer

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Klartext - Dominic Multerer Dein Business

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      Schlimmer ist das schon für eine neue Mitarbeiterin in einer Werbeagentur, die nach zwei Dritteln der Probezeit vom Chef hört, alles sei super und man plane langfristig mit ihr. Daraufhin zieht sie mit Ehemann und Kindern von der einen Ecke Deutschlands in die andere – eben dahin, wo die Agentur sitzt –, um eine Woche vor dem Ende der Probezeit vom Chef zu erfahren, dass er sie jetzt doch nicht mehr so toll findet und rausschmeißt. Wer jetzt sagt: »Hätte sie halt die komplette Probezeit abwarten müssen«, der hat nicht kapiert, worum es geht. Gesetze und Vorschriften sind gut und schön, aber ein Wort, auf das man sich verlassen kann, ist unabdingbar dafür, dass es in Unternehmen rundläuft. Richtig kritisch wird es dann, wenn es um Tausende Arbeitsplätze und um Milliardenwerte geht, die man entweder erhalten oder vernichten kann.

      Gibt es Karstadt noch, wenn dieses Buch gedruckt ist? Wenn ja, würde es fast an ein Wunder grenzen. 2010 kam mitten in der Krise ein schillernder Investor, bekam den Konzern vom Insolvenzverwalter praktisch geschenkt und versprach Mitarbeitern, Kunden und Gläubigern das Blaue vom Himmel. Was für eine tolle Marke! Welch eine Tradition! Was für ein Potenzial! Die Deutschen sind ja immer selig, wenn ein Amerikaner mit Privatjet und Picasso-Sammlung über irgendetwas Deutsches ins Schwärmen gerät. Doch war hier irgendwo Klartext zu hören? Gab es irgendwelche wirklich verbindlichen Zusagen? Fehlanzeige!

      Vier Jahre später schrieb die Wirtschaftswoche:

      Eine feine Sache: Jemand sagt, ich bin Milliardär, ich bin Investor, ich bin selbstlos und ich verstehe etwas von Wirtschaft, von Geld und von Firmensanierung. Und die aus der langjährigen Karstadtkrise kaum schlauer gewordenen Verantwortlichen, die das Sagen über den Karstadtkonzern hatten, sagen umgekehrt zu diesem: Wir schenken dir, Investor, das Unternehmen für einen Euro und zu Traumtänzerbedingungen: Du musst selber kein Risiko eingehen, du musst nicht investieren, wenn du nicht willst, du kannst also gar keine Verluste machen, aber umgekehrt wenn – gegebenenfalls wider Erwarten – eines Tages doch Gewinne entstehen, dann sind diese Gewinne deine Gewinne, lieber Herr bescheidener Milliardär.

      Quelle: http://www.wiwo.de/unternehmen/handel/bettina-roehl-direktberggruen-macht-sich-laecherlich/10200034-2.html – 01.04.2015

      Besser kann man den Wahnsinn kaum auf den Punkt bringen, der hier abgelaufen ist. Und besser lässt sich auch kaum zeigen, was mit dem Thema Klartext alles verbunden ist, denn die Ereignisse bei Karstadt stellen das krasseste Gegenteil von Klartext und Verbindlichkeit dar, das sich denken lässt. Da übernimmt jemand ganz unverbindlich die Verantwortung für 17.000 Mitarbeiter. Aber nur, solang die Medien ihn lieb haben. Als es öffentlich Kritik hagelt, reicht er sein Konzernchen weiter. Man kann schon froh sein, dass er Karstadt nicht bei den Ebay-Kleinanzeigen unter »Zu verschenken oder für 1 Euro« inseriert hat.

      Klartext beginnt also mit Verbindlichkeit im Alltag und hört da auf, wo es ums Ganze geht. Ohne Klartext geht es nicht.

      FAZIT

      Reflektieren, sich für einen Standpunkt entscheiden, diesen verständlich nach außen tragen, sich der Diskussion stellen, nicht sofort einknicken und trotzdem offen dafür sein, die eigene Meinung zu ändern – das ist Klartext, wie ich ihn verstehe. Oder besser: Das sind die Grundlagen von Klartext. Zu den einzelnen Klartext-Prinzipien komme ich später noch. Wer jederzeit verpflich tet ist, klare und verbindliche Aussagen zu machen, der ist auch gezwungen nachzudenken. Denn Verbindlichkeit setzt einen Standpunkt voraus. Und um einen Standpunkt zu haben, muss ich reflektieren. Das heißt: Ich sollte reflektieren, statt mir meine Meinung irgendwo zu borgen. Klartext setzt Bewusstheit und Reflexion voraus. Sie sehen: Wir sind mit dem Thema Klartext noch nicht fertig. Aber das Buch ist auch noch nicht zu Ende.

      »Klartext braucht es in Unternehmen grundsätzlich für zwei Ziele: Entweder es geht darum, besser zu werden, oder es geht darum, ein Problem zu lösen.«

      Dominic Multerer

      KAPITEL 2

      BEWUSST KLARTEXT REDEN

      Es gab da mal ein schräges Experiment: Man hat Affen im Zoo lauter Töpfe mit Farben ins Gehege gestellt und dazu Papier ausgebreitet. Affen sind intelligent, deshalb haben sie tatsächlich angefangen zu malen. Sie haben ihre Finger in die Farbtöpfe getaucht und sich dann auf dem Papier ausgetobt.

      →

      Inzwischen ist dieser Versuch x-fach wiederholt worden. Der Clou dabei: Teilweise sehen die Ergebnisse abstrakten Gemälden weltberühmter Künstler des 20. Jahrhunderts verblüffend ähnlich. Im Internet gibt es unter reverent.org sogar einen Test, bei dem Sie raten sollen, wer das jeweils gezeigte Bild gemalt hat: Mensch oder Affe? Gar nicht so einfach zu entscheiden, kann ich Ihnen sagen!

      Der Affe als Künstler

      Und eben weil das nicht so einfach ist, entstand die Idee zu einem weiteren Experiment. Diesmal ein bisschen dreister. Man hat ein paar der schönsten Affengemälde in einer stylischen Galerie aufgehängt und Gäste zu einer Vernissage eingeladen. Denen hat man allerdings nichts von den Affen erzählt, sondern behauptet, die ausgestellten Gemälde seien Werke eines bisher unbekannten Künstlers, der zurzeit international der Shootingstar sei. Daraufhin standen die Leute vor den Bildern und sagten »Oooh!« und »Aaah!« und »Toll!« und »Wie innovativ!« und »Wie expressiv!«. Als der Schwindel nach einer Weile aufgelöst wurde, waren die Gäste stocksauer. Von den Bildern wollte keiner mehr was wissen.

      Die Frage ist: Warum waren die Leute eigentlich so enttäuscht? Okay, man hatte sie angelogen. Nicht schön. Trotzdem: Erst fanden sie die Bilder toll und dann plötzlich nicht mehr. Dabei hat sich an den Bildern allein durch die Information, dass sie von Affen gemalt wurden, gar nichts verändert. Wenn es für die Leute einen so großen Unterschied macht, ob ein Affe oder ein gefeierter Künstler ein abstraktes Gemälde schafft, dann sollten wir uns anschauen, worin dieser Unterschied besteht. Letztlich doch nur darin, dass der Künstler bewusst die Absicht hat, ein Kunstwerk zu schaffen, und der Affe eben nicht. Das Ergebnis ist dasselbe.

      Was beabsichtigen Sie?

      Wie komme ich darauf im Zusammenhang mit Klartext? Ganz einfach: Es gibt Leute, die reden Klartext, ohne die Absicht zu haben. Dass andere ihre Worte als Klartext empfinden, ist ihnen gar nicht bewusst. So ging es beispielsweise mir selbst damals, als alle sagten, ich redete Klartext, und ich nicht wusste, was sie damit meinten. So geht es auch Jochen Schweizer. Als ich in seinem Büro war, um ihn für dieses Buch zu interviewen, fragte er mich: »Glaubst du ernsthaft, irgendjemand kauft ein Buch über Klartext?« Ich antwortete: »Ja.« Da schüttelte Jochen den Kopf, als wollte er sagen: »Bescheuerte Idee, dein Buch.«

      Nach meinem Gespräch mit Jochen Schweizer war mir völlig klar, warum er persönlich kein Buch über Klartext braucht. Mehr noch, warum in seiner ganzen Firma niemand so ein Buch braucht. Jochen Schweizer redet immer Klartext und macht sich keinen Kopf deswegen. Seine Mitarbeiter reden ebenfalls Klartext, sowohl untereinander als auch mit ihrem Chef, sprich: mit Jochen. Für mich ist Jochen Schweizer allerdings ein Ausnahmefall: ein Klartext-Typ in einer Klartext-Firma und einem Klartext-Universum. Universum heißt, er arbeitet auch nur mit Partnern zusammen, die mit ihm konform sind. Jochen Schweizer aufzufordern, bewusst Klartext zu reden, wäre so, als ob Sie die Bodyguards von Barack Obama bitten würden, mal böse zu gucken. Ja, was machen sie denn die ganze Zeit?

      Noch mal zurück zu den Affen. Angenommen, Sie sind kein Affe, sondern Kunststudent. Sie malen abstrakte Bilder. Und Sie sagen sich: »In so einer schicken Galerie würde ich meine Sachen auch gern hängen sehen.«

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