Mut braucht eine Stimme. Peter Holzer

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Sein – Tun – Haben

      Ein wesentlicher Teil des unstillbaren Hungers nach Aktivität wird den Kindern schon frühzeitig eingeimpft. Wenn ein Teenager in seinem Zimmer auf dem Bett rumlümmelt, ermahnen die Eltern ihn: »Beschäftige dich! Tu etwas Sinnvolles! Mach Hausaufgaben!« Das Tun wird zum Leitbild erhoben.

       Jeder neue Kauf bekämpft das Gefühl der inneren Leere.

      Das setzt sich im Erwachsenenalter fort. Wir tun unglaublich viel und sind unglaublich beschäftigt. Wenn wir eine innere Leere spüren, reagieren wir darauf, indem wir einfach noch mehr tun und zum Workaholic mutieren. Alternativ weichen wir in einen Konsumwahn aus und entwickeln eine Sammelwut: teure Uhren, schicke Schuhe, seltene Autos. Wir sammeln, um zu haben. Es ist gar nicht so wichtig, ob es auch verwendet wird. Doch jeder neue Kauf bekämpft das Gefühl der inneren Leere. Zumindest für kurze Zeit. Dann müssen wir wieder etwas Neues kaufen. Der Wunsch nach Haben treibt uns an.

      Doch mehr tun oder mehr haben löst das Gefühl der inneren Leere nicht. Seit ein paar Jahren dürfen gestresste Menschen dann eben ins Burn-out ausweichen. Weil sie so viel tun, können sie nicht mehr. Dafür gibt es auf einmal respektvolle Anerkennung: »Wow, der hatte ein Burn-out.« Mir scheint dies eher ein Pseudo-Burn-out zu sein. Und gleichzeitig eine schallende Backpfeife für jene, die wirklich an Burn-out erkrankt sind.

      Auch ein Pseudo-Burn-out ist langfristig keine Lösung, denn es befreit nicht von der Leere. Doch was kann helfen? Der Teenager hat es noch gewusst. Er gammelte ab. War einfach nur da, in einer Art meditativem Zustand. War im Sein. Wenn die Eltern ihn denn sein ließen …

      Wenn Sie Tun und Haben völlig überstrapazieren, geraten Sie ins Ungleichgewicht. Dann verspüren Sie diese innere Leere, merken, dass noch etwas fehlt. Lösen können Sie es nur, indem Sie das tun, was notwendig ist: nämlich mehr sein. Also auf Ihre innere Stimme hören. Sich selbst, Ihre noch nicht genutzten Potenziale, Wünsche und Träume kennenlernen. Um der Mensch zu werden, der Sie sein können.

       Das Diktat der Neugier

      Wir sind anfällig für Angebote und Anfragen von außen, weil der Mensch von Natur aus neugierig ist. An dieser Eigenschaft ist nichts auszusetzen, sie spricht für Offenheit gegenüber Neuem, für einen Forscher- und Entdeckerdrang, der wiederum eine der Voraussetzungen für Kreativität, Innovation und Fortschritt ist.

       Neugier ist nur eine Form von Gier.

      Auf der anderen Seite ist die Neugier, wie der Begriff es schon sagt, eine Form von Gier. Und Gier hat die Eigenschaft, dass sie unstillbar ist. Wenn der Mensch gierig ist auf Neues, dann schnüffelt er wie eine ausgehungerte Hyäne an allem, was frisch auf den Markt dringt und einen Mehrwert verspricht: an den Trainingsmethoden des diesjährigen Tour-de-France-Gewinners, dem neuen Nassrasierer mit noch einer Klinge mehr, der nun endlich wirklich gut rasiert, am neuen Kochbuch von Sarah Wiener, an der neuesten Software für die Personalverwaltung, die noch mehr Vorgänge automatisiert, an der neuen Heimgymnastik aus den USA, die eine unglaubliche Elastizität in der Wirbelsäule verspricht, an der nächsten Veränderungswelle in der Firma, die durch tolle Namen und Hochglanzbilder überzeugen will, an der neuesten Windelmarke und natürlich am Konkurrenzprodukt, das – lange erwartet – den Windelfüllstand per Smartphone anzeigt, und schließlich am neuen Lebenspartner, der nun endlich das erhoffte Seelenglück mit sich bringt und nicht so viele Fehler hat wie der Ex. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Neu, neu, Hauptsache, neu.

      Momentan sind im Business zum Beispiel die »agilen Methoden« in aller Munde. Kein Unternehmen, das ich derzeit berate, ist nicht darum bemüht, »agiler« zu werden. Auf die Frage, wofür genau das Unternehmen diese Methoden braucht, haben die meisten Führungskräfte allerdings keine spezifische Antwort. Ob es in ihrem Fall sinnvoll ist oder nicht, diese Methoden einzusetzen, darüber haben sich die wenigsten ernsthaft Gedanken gemacht. Die meisten springen auf den fahrenden Zug auf, weil der Zug eben fährt – und sie keinen Trend verpassen wollen, der sich später vielleicht als wichtig herausstellen könnte.

      Und natürlich gibt es unzählige solcher Hypes. Die gesamte Wirtschaft ist im Grunde nur damit beschäftigt, alten Wein in neuen Schläuchen zu verkaufen. Warum tun Unternehmen das? Weil diese Strategie aufgeht. Weil wir bei Neuem wie der pawlowsche Hund anfangen zu sabbern. Wenn »neu« auf der Packung steht, greifen wir zu. Immer in der Hoffnung, dass das Neue noch besser, noch schneller, noch einfacher ist.

      Und genau das meine ich, wenn ich sage: Das Diktat der Neugier ist einer der wesentlichen Treiber der unstillbaren Sehnsucht in uns. Sie bewegt uns zu Handlungen, deren Notwendigkeit wir häufig nicht erklären können. So verlieren wir eher den Fokus, als dass wir dorthin gelangen, wohin wir wirklich wollen.

      Weiter zeigt sich die unstillbare Sehnsucht in einer unbändigen Sammelwut, die seit der Altsteinzeit nur das Objekt der Begierde gewechselt hat, aber in ihrer Intensität erhalten geblieben ist.

       Wir sammeln und bunkern unabhängig vom Bedarf.

      Vor zwei Millionen Jahren war es eine lebenserhaltende Maßnahme, dass der Mensch alles Essbare, was er fand, sammelte. Nahrung war damals rar, und es war eine schlichte Notwendigkeit, dorthin zu gehen, wo die Pilze, Beeren und Kräuter wachsen, diese einzusammeln und dann weiterzuziehen zu den nächsten Pilzen, Beeren und Kräutern. Heute wiederum wäre unser Überleben kaum gefährdet, wenn wir etwas weniger Kalorien, vor allem aber auch weniger Zertifikate, Fortbildungen, Hobbys, Urlaubseindrücke, Alltagsgegenstände oder Kontakte sammeln würden. Doch irgendwie können wir es nicht lassen. Wir sammeln und bunkern weiter, als ob es kein Morgen gäbe, und setzen damit – unabhängig vom Bedarf – die alte Tradition unserer Vorfahren fort.

      Darüber hinaus denke ich: Hinter dem Sammeln und der Neugier steckt noch etwas anderes. Und zwar Angst. Angst vor der Zukunft. Angst davor, Ziele nicht zu erreichen. Angst vor Verlust, vor Versagen, vor dem Verlieren. Angst, den falschen Weg einzuschlagen. Angst, etwas zu verpassen.

      Diese Angst bestimmt unser Handeln. Wie ein Hund nehmen wir jede Fährte auf, die sich finden lässt, und folgen ihr, auch wenn wir nicht wissen, ob der Weg sinnvoll ist, uns einfach nur ablenkt oder vielleicht sogar ins Verderben führt. Immer noch besser, als Ungewissheit passiv zu ertragen.

      Aber sosehr sie auch in uns verankert sein mag – sie ist kein Phänomen, dem wir hilflos ausgeliefert sind. Im Gegenteil: Jeder Einzelne von uns kann der Angst durch aktives Handeln etwas entgegensetzen. Wir tun dies mehr oder weniger bewusst. Es gibt Alternativen, wir müssen nur lernen, sie zu sehen.

       Input-Fabrikanten

       So war ich damals: Ich dachte vollkommen Inputzentriert.

      Der Großteil des Inputs, der uns erschlägt, ist nicht gottgegeben. Nein, den produzieren Sie und ich selbst. Wenn ich an die Zeit zurückdenke, als ich noch in der Finanzbranche Karriere machen wollte, muss ich heute lachen. Was war ich damals vernarrt in Input! Da bin ich allen Ernstes durch die halbe Republik gefahren, zu jedem Kontakt, der auch nur halbwegs nach Potenzial aussah. Besuchte jedes anspruchsvolle Verkaufs- und Führungsseminar, das ich nur finden konnte. Wir erstellten neue Flyer, erarbeiteten neue Rechentools, produzierten neue Homepages und gaben jedem neuen Vertriebsansatz die Chance, uns zum Durchbruch zu verhelfen. In meinen Mittzwanzigern strotzte ich nur so vor Energie und Ehrgeiz. Dass das Klinkenputzen nach dem Gießkannenprinzip

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