Mut braucht eine Stimme. Peter Holzer

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Mut braucht eine Stimme - Peter Holzer Dein Erfolg

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Wenn Sie Ihrem Chef auf einmal widersprechen, obwohl Sie doch bisher zu all seinen Vorschlägen Ja und Amen gesagt haben, steckt darin Konfliktpotenzial. Doch der selbst befeuerte Mechanismus des Tornados lässt sich nur durchbrechen, wenn Sie wissen, was Ihnen wirklich wichtig ist, und wenn Sie den Mut haben, dazu zu stehen und Ihre Werte zu vertreten – trotz möglicher Einbußen.

      Wenn eine bessere Zeiteinteilung nicht die Lösung des Problems ist – könnte es dann sein, dass die neuen technischen Möglichkeiten weiterhelfen können? In allen Lebensbereichen – zum Beispiel Ernährung, Sport, Logistik, Produktion, Verkehr, Medizin und Gesundheit – gibt es ständig technische Innovationen und wissenschaftliche Errungenschaften. Sie eröffnen ungeahnte Möglichkeiten. Und ich denke dabei nicht nur ans iPhone oder die Konservierbarkeit von Lebensmitteln, an Same-Day-Delivery und Just-in-time-Produktion, sondern auch an neue Entdeckungen, von denen wir jetzt noch gar nicht wissen, wie sie unseren Alltag in fünf bis zehn Jahren beeinflusst haben werden.

      Nehmen wir zum Beispiel medizinische Optionen wie das Social Freezing. Ursprünglich konzipiert zur Konservierung der Eizellen weiblicher Krebspatientinnen vor einer Chemotherapie, ist Social Freezing inzwischen zum Massenphänomen avanciert. Firmen wie Apple oder Facebook bieten ihren Mitarbeiterinnen sogar an, die Kosten dafür zu übernehmen, um von der Schaffenskraft junger Frauen länger profitieren zu können. Das Verfahren wird als probates Mittel gepriesen, die eigene Zeit nicht zu verschwenden. Wir spielen einfach ein bisschen Gott und bestimmen über Leben und Tod.

      Es scheint, als würden mit solchen Instrumenten immer mehr Dinge in immer kürzerer Zeit machbar – ein optimiertes und immer dichter gepacktes Leben wird zur Normalität. Aber helfen diese Mittel uns wirklich dabei, alles tun zu können und zu nichts mehr »Nein« sagen zu müssen? Vermehrt sich unsere Zeit dadurch?

      Es ist richtig, dass Sie zum Beispiel während einer S-Bahn-Fahrt in 20 Minuten Dinge erledigen können, für die Sie früher mehrere Stunden gebraucht hätten: Lebensmittel einkaufen, Klamotten aussuchen, den Bürobedarf für den nächsten Monat ordern, E-Mails beantworten, Flüge buchen, Rückrufe tätigen, Fotos machen und verschicken, eine Audionotiz aufzeichnen und versenden und vieles mehr. Und das alles, ohne auch nur ein einziges Mal aufzustehen. Doch ob Sie mit dieser gestiegenen Effizienz zum Ziel kommen, hängt davon ab, ob Sie mit der Abarbeitung der Aufgaben wirklich Freiräume schaffen und für Ihr Wohlbefinden sorgen – oder ob Sie nicht stattdessen die Zahl der abzuarbeitenden Aufgaben verdoppelt haben. Denn auch Ihre Kollegen – gar nicht faul – nutzen jede freie Minute, um »mal eben was zu erledigen«. Sie beantworten zum Beispiel Ihre Mail oder nutzen ihre freie Minute, um Ihnen eine neue Aufgabe an die Hacken zu heften. Und so hecheln Sie genauso wie zuvor wieder dem Aufgabenberg hinterher, der statt geschrumpft schlechtestenfalls sogar noch angewachsen ist. Vielleicht hat Sie der Effizienz- und Geschwindigkeitswahnsinn im Management Ihres Tornados weitergebracht. Doch was ist mit den wirklich wichtigen Dingen in Ihrem Leben? Ihre Ehe ist durch den ganzen Kram nicht romantischer geworden. Die Beziehung zu Ihren Kindern nicht enger. Und der Kontakt mit Ihren Eltern nicht versöhnlicher.

       Gerade im Umfeld von Lebensentscheidungen wütet der Tornado heftig.

      Gerade im Umfeld von Lebensentscheidungen wütet der Tornado heftig. Und besonders dort werden wir Opfer des Instant-Virus. Denn wenn eine Mitarbeiterin den Kinderwunsch auf später verschiebt, um ihre Karrierechancen zu nutzen, findet sie gar keine Zeit, ihren eigenen Lebensweg zu verfolgen. Für Kinder braucht es auch den richtigen Partner. Aber für Dating und Flirten ist – der Karriere sei Dank – gerade keine Zeit. Erst muss sie noch all das Wichtige erledigen, bevor sie sich der Partnersuche und möglichen Kindern widmet. Wenn sie dann mit 45 immer noch keinen Partner an ihrer Seite hat – oder alle Zeugungsversuche missglückt sind –, schlägt die harte Realität zu. Wir haben eben keine Sicherheit, dass alles so kommt, wie wir es planen. In unserer von der Natur bereinigten Kunstwelt voller Hightech und Wissenschaft vergessen wir gerne, dass wir trotz allen Fortschritts (noch) nicht alles kontrollieren und beeinflussen können.

      Völlig verblendet durch Instant- und Input-Virus und den wilden Tornado um uns herum drehen wir an den falschen Schrauben. Das ist, als würden Sie in Ihrem Wohnzimmer sitzen und bemerken, dass es durch das Dach tropft. Schnell stellen Sie einen Eimer hin, um das Wasser aufzufangen, und tauschen diesen stündlich gegen einen leeren aus – statt das Loch im Dach zu reparieren. All die wunderbaren Errungenschaften unserer modernen Konsum- und Technikwelt werden Ihnen nicht helfen können, Ihre Zeitverschwendung einzudämmen. Denn um aus Ihrer Zeit eine erfüllte Zeit zu machen, brauchen Sie eine neue Sichtweise.

      Auch wenn es sich für Sie oft anders anfühlt: Wie Sie auf den Druck reagieren, der auf Ihnen lastet, entscheidet niemand anderer als Sie. Nur Sie selbst bestimmen, wie Sie sich verhalten und was Sie tun. Und vor allem: wie Sie leben wollen.

       Ich bestimme selbst!

      München, ein Mittwochabend. Ich sitze im Taxi auf dem Weg von einer Konferenz mit Finanzvorständen. Ich habe dort einen Vortrag gehalten darüber, wie Unternehmen noch schneller erfolgreich werden können. Alle haben hoch konzentriert zugehört. Hinterher bin ich mit einigen ins Gespräch gekommen. Sie haben mir erzählt, dass sie sich nach mehr Fokus und Wirksamkeit sehnen. Ich habe gespürt, wie sehr sie im Tornado stecken: Sie kontrollierten ständig mitten im hektischen Stimmengewirr den Maileingang auf ihren Smartphones und erledigten Rückrufe. Dann stopften sie viel zu hastig die kleinen Häppchen vom Buffet in sich hinein, bevor sie sich zum nächsten Termin verabschiedeten.

      So ein Tag zehrt auch an meinen Reserven. Die Technik war mitten im Vortrag ausgefallen. So musste ich den Raum ohne Mikro beschallen. Nach diesem Kraftakt für meine Stimmbänder freue ich mich auf einen Moment der Ruhe und falle erschöpft ins Taxi. Sehne mich nach zu Hause, nach einer Umarmung meiner Frau und ein bisschen sportlichem Gerangel mit meinem Sohn.

      Mein Taxifahrer wirft mir im Rückspiegel einen freundlichen Blick zu – schon beim Einsteigen ist mir seine warme Stimme aufgefallen und seine heiter-gelassene Ausstrahlung. Ich bin neugierig und stecke mein Telefon wieder in die Tasche. Wir unterhalten uns, obwohl meine Stimme schon etwas heiser ist. Ich erfahre, dass er Syrer ist, seit vielen Jahren in Deutschland lebt und dieses Jahr bereits siebzig wird. Aber er arbeitet noch immer. Weil die Rente nicht reicht.

       Mit siebzig noch Taxifahrer? Ich frage ihn: »Und – sind Sie glücklich?« Er zögert keinen Moment und antwortet mit einem Funkeln in den Augen: »Aber ja!« Ich will wissen, was für ihn Glück bedeutet. Er nennt, ohne zu zögern, drei Aspekte: Er führt eine gute Ehe, seine Familie ist gesund – und er ist finanziell unabhängig. Der letzte Punkt lässt mich stutzen: »Wie meinen Sie das? Sie sagten doch gerade, dass Sie zu wenig Rente bekommen …«

      Er lächelt und erklärt es mir mit ruhigen Worten. Er meint »finanziell unabhängig« nicht im Sinne von »reich«. Nein, das ist er nun wirklich nicht. Er hat harte Zeiten hinter sich und es gibt gute und weniger gute Tage. Aber, hey, er ist sein eigener Boss, er kann selbst bestimmen: »Ich fahre mein eigenes Taxi – das ist meine Firma! Ich bestimme selbst, wann und wie lange ich fahre. Ich bin der Herr meiner Zeit!« Wie er das so erzählt, wirkt er nicht naiv und weltfremd, sondern klar und geerdet. Und ganz und gar nicht hektisch. Mir fällt auf, dass er der erste entspannt wirkende Mensch ist, der mir heute über den Weg gelaufen ist.

      Welch ein Kontrast! Ein einfacher Taxifahrer strahlt mehr Selbstbestimmtheit aus als Menschen, in deren Händen die Verantwortung für millionenschwere Budgets und Tausende von Mitarbeitern liegt. Ist das Rezept so einfach? Wissen, was einem wichtig ist, sein Leben und seine Zeit darauf ausrichten – und schon bin ich glücklich?

       Ein harter Weg ist kein Hindernis für Glück. Im Gegenteil!

      Keine

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