Von den Einrichtungen der Klöster. Johannes Cassianus

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Von den Einrichtungen der Klöster - Johannes Cassianus Die Schriften der Kirchenväter

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      Derjenige, welchem die Einladung zur Gebetsversammlung und die Sorge für deren Zusammenberufung übertragen ist, wagt nicht, hie und da, wie es ihm gefällt, oder wie er gerade in der Nacht aufwacht, oder wenn ihn etwa seine Schlaflosigkeit dazu treibt, die Brüder zu den gewöhnlichen Nachtwachen zu wecken, sondern zur gewohnten Zeit erforscht er ängstlich und wiederholt an dem Laufe der Gestirne die zur Versammlung bestimmte Stunde und ladet dann erst die Brüder zur Verrichtung des Gebetes ein. Er sucht dadurch einen zweifachen Fehler zu vermeiden: einmal die festgesetzte Stunde zu verschlafen und sodann dieselbe zu früh anzusagen, um desto bälder wieder dem Schlafe sich überlassen zu können; auf diese Weise würde er weder für den heiligen Dienst, noch für die Ruhe der Brüder, sondern bloß für seine eigene Bequemlichkeit Sorge tragen.

      18. Vom Samstag Abend bis zum Sonntag Abend kniet man nicht.

      

      Auch Das ist noch zu erwähnen, daß vom Samstag Abend, mit welchem gleichsam schon der Sonntag anbricht, bis zum folgenden Abend bei den ägyptischen Mönchen die Kniee nicht gebeugt werden; aber auch an allen Tagen zwischen Ostern und Pfingsten geschieht Dieß nicht, sowie auch an diesen die gewöhnliche Fastenregel nicht beobachtet wird. Den Grund hiefür werde ich in den Collationen seiner Zeit auseinandersetzen. Unsere jetzige Aufgabe ist, die Verhältnisse in kurzer Aufzählung zu berühren, damit das Buch nicht den festgesetzten Umfang überschreite und den Leser mit Überdruß erfülle.

      Drittes Buch: Von dem vorgeschriebenen Officium des Tages.

      

      1. Einleitung.

      

       Von der Verrichtung des nächtlichen Psalmengebetes, wie sie in Aegypten gebräuchlich ist, glaube ich, mit Gottes Hilfe und soweit es meine schwachen Kräfte vermochten, genügend gesprochen zu haben; jetzt ist es meine Aufgabe, von der Feier der Terz, Sext und Non nach der Uebung der Klöster in Palästina und Mesopotamien zu handeln, um so, wie ich in der Vorrede gesagt habe, die Vollkommenheit der Aegyptier und die unnachahmliche Strenge ihrer Regel durch die Gebräuche dieser Mönche zu mildern.

      2. Von den Ägyptern wird das Gebet, ohne Unterschied der Stunden, beständig bei der Handarbeit geübt.

      

      Bei den ägyptischen Mönchen wird der Gebetsdienst, den wir zu gewissen Stunden, durch die Mahnung des an die Thüre klopfenden Bruders veranlaßt, dem Herrn darbringen, den ganzen Tag hindurch in steter Verbindung mit Handarbeit freiwillig verrichtet. Sie widmen sich nämlich in ihren Zellen der Arbeit beständig in der Weise, daß die Betrachtung über die Psalmen und übrigen Theile der heiligen Schrift nie ganz ausgesetzt wird. Hiemit verbinden sie jeden Augenblick Bitten und Gebete und bringen auf diese Weise den ganzen Tag mit Beten zu, was wir nur zu bestimmten Stunden thun. Deßhalb wird, abgesehen vom abendlichen und nächtlichen Gebete, des Tages über keine öffentliche Feierlichkeit bei ihnen gehalten; nur am Samstag und Sonntag kommen sie um die dritte Stunde zusammen, um die heilige Kommunion zu empfangen. Diese Art des Gebetes ist vollkommener; denn was unaufhörlich dargebracht wird, ist mehr als Das, was in Zeitabschnitten verrichtet wird; und angenehmer ist eine freiwillige Gabe als die Verrichtungen, zu welchen die Regel zwingt. Dieß preist schon der König David als etwas Herrliches, wenn er singt: „Willig bringe ich dir das Opfer dar,“27 und: „Das willige Lob meines Mundes möge dir wohlgefällig sein, o Herr!“28

      3. Im ganzen Orient werden die Terz, Sext und Non schon nach drei Psalmen und Orationen geschlossen. — Warum man gerade diese Stunden zur Abhaltung des betreffenden Gottesdienstes wählte.

      

      In den Klöstern Palästinas, Mesopotamiens und des ganzen Orients wird die Gebetsfeier der genannten Stunden nach Abbetung von je drei Psalmen beendigt. Auf diese Weise wird zu den festgesetzten Zeiten Gott ein immerwährendes Gebet dargebracht, und auch die nothwendig zu verrichtenden Arbeiten werden, wenn den geistlichen Verpflichtungen in rechtem Maße genützt ist, in keiner Weise gehindert. — Wir lesen, daß auch der Prophet Daniel29 zu diesen drei Zeiten täglich bei offenem Fenster im Speisesaal zum Herrn sein Gebet gesandt habe. Und nicht mit Unrecht wurden gerade diese Zeiten für diesen heiligen Dienst bestimmt; denn in ihnen wurden die größten Verheissungen erfüllt und unser Heil besiegelt. Die dritte Stunde erinnert vorzugsweise an die Herabkunft des von den Propheten verheissenen heiligen Geistes über die im Gebete begriffenen Apostel. Als nämlich über die vermittelst der Eingebung des heiligen Geistes ihnen zu Theil gewordene Sprachengabe das ungläubige Judenvolk staunte und spottend bemerkte, sie seien „voll des süßen Weines“, da trat Petrus in ihre Mitte und sprach:30 „Ihr Männer von Israel und Alle, die ihr in Jerusalem wohnt, Dieß sei euch kund und vernehmet meine Worte! Denn nicht sind diese, wie ihr vermuthet, trunken, — es ist ja die dritte Tagesstunde, — vielmehr ist es Dieß, was gesagt worden ist durch den Propheten Joel: Es wird geschehen in den letzten Tagen, spricht der Herr: Ich werde ausgießen von meinem Geist über alles Fleisch, und eure Söhne und eure Töchter werden weissagen, und eure Jünglinge werden Gesichte sehen, und euren Greisen werden Traumerscheinungen erscheinen.“ Dieß alles sehen wir um die dritte Stunde erfüllt, wie auch die von den Propheten verkündete Ankunft des heiligen Geistes zu den Aposteln um dieselbe Zeit stattfand. Um die sechste Stunde aber ist das unbefleckte Opfer, unser Herr und Heiland, dem Vater dargebracht worden, und das Kreuz für das Heil der ganzen Welt besteigend tilgte er die Sünden des menschlichen Geschlechtes und hat entwaffnet die Fürstenthümer und Mächte und sie zur Schau gestellt, und uns alle, die wir der unbezahlbaren Schuldverschreibung anheimgefallen waren, hat er befreit, indem er dieselbe tilgte und an das Siegeszeichen seines Kreuzes heftete. Um die sechste Stunde wird ferner dem heiligen Petrus in einer Verzückung die Berufung aller Völker durch das Herablassen des vom Himmel gesandten Tuches und die Reinheit aller in demselben befindlichen Thiere durch die Stimme vom Himmel geoffenbart: „Steh’ auf, Petrus, schlachte und iß!“ Dieses an den vier Enden vom Himmel herabgelassene Tuch bezeichnet offenbar nichts Anderes als das Evangelium. Scheint es nämlich, als habe das durch die vierfache Aufzeichnung der Evangelisten unterschiedene Evangelium vier Enden, so ist es doch nur ein Ganzes: denn es berichtet gleichmäßig desselben Christus Geburt und Gottheit und enthält seine Wunder und Leiden. Schön aber nennt die heilige Schrift das Tuch nicht ein „linnenes“, sondern ein „gleichsam linnenes“. Das Linnen nämlich ist das Zeichen der Abtödtung. Weil also der Herr bei seinem Leiden nicht nach dem Gesetze der menschlichen Natur, sondern nach seinem eigenen freien Willen sich dem Tode unterzogen hat, wird es ein „gleichsam linnenes“ genannt. Denn er starb dem Fleische, nicht dem Geiste nach, weil weder seine Seele in der Unterwelt verblieb noch sein Fleisch die Verwesung schaute. Und ferner sagt er: „Niemand nimmt mein Leben weg von mir, sondern ich gebe es hin, von mir selber aus, und ich habe Macht, es hinzugeben und es wieder zu nehmen.“31 Auf diesem vom Himmel gesandten, d. h. vom heiligen Geiste beschriebenen Tuche der Evangelien sollen alle Völker, die einst ausser der Erfüllung des Gesetzes standen und daher für unrein galten, nach der Stimme des Herrn durch Annahme des Glaubens sich versammeln; hier sollen sie sich zu ihrem Heile von dem Götzendienste abwenden und zu der durch Petrus gereinigten gesunden Speise herankommen. Um die neunte Stunde aber stieg der Heiland in die Unterwelt hinab, verscheuchte durch den Glanz seiner Herrlichkeit die undurchdringliche Finsterniß der Vorhölle, erbrach ihre ehernen Pforten, sprengte ihre eisernen Riegel und nahm die Gefangenschaft der Heiligen, welche ohne Erbarmen in der Finsterniß der Unterwelt eingeschlossen gehalten wurden, nun zu ihrem Heile gefangen und führte sie mit sich zum Himmel empor.

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