Goldmadonna. Bernhard Wucherer

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Goldmadonna - Bernhard Wucherer

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die ersten 48 Stunden nach der Tat die wichtigsten für die Ergreifung von Tätern waren. Aus diesem Grund und wegen des besonders grausamen Falles wollte er schnellstens mit seinen Leuten reden, weswegen er sie gleich am Montagmorgen zusammenrief.

      Locki hatte es bereits geahnt und so wartete der mit einer Leinendecke belegte Besprechungstisch bereits mit einer Kanne Kaffee und Croissants auf die Polizisten. Genau das brauchte der Chef, bevor er mit seinem kleinen Mitarbeiterstab die bisher eher dürftigen Erkenntnisse bündelte. Anstatt selbst etwas zu sagen, ließ er Devaux den Vortritt mit ihrer Ortsanalyse.

      »Weil es vom Place de la Halle aus direkt in den Friedhof geht, haben die beiden Kollegen aus Clermont den gesamten Platz unter meiner Aufsicht abgesucht. Aber ebenso wie auf dem Friedhof selbst haben wir dort nichts gefunden. Trotz der Dunkelheit haben wir die Suche in der Nacht bis zum Tor unter dem Rathaus und um die Kirche herum ausgedehnt.«

      »Und?«, drängte Le Maire in seiner typisch ungeduldigen Art. Er hatte sich irgendwelche Spuren des Phantoms erhofft, das er in der Tatnacht hinter der Kirche in Clermont gesehen und vergeblich gejagt hatte.

      Devaux zuckte resignierend mit den Schultern. »Außer den Schleifspuren, die sich auf dem Asphalt außerhalb des Friedhofes verloren haben, war nichts zu finden.«

      »Auch keine Fußabdrücke des Flüchtenden?«

      »Nein.«

      »Und die Fahndung nach ihm?«

      »Die wurde auf Ihre Anordnung hin unverzüglich eingeleitet. Aber …«

      »Schon klar!«, unterbrach Le Maire verständnisvoll, weil ihm klar war, dass die Fahndung noch keinen Erfolg zeitigen konnte und weiterhin wohl auch nicht würde, weil der Flüchtende längst über alle Berge war. »Dann veranlasse bitte schnellstens, dass mindestens zehn, besser mehr Beamte das gesamte Dorf auf den Kopf stellen.«

      Kapitel 3

      Dem Niederländer Louis van Basten war es nach langen Hin und Her gelungen, das Haus am altehrwürdigen Münsterplatz mitten in Aachens Altstadt zu kaufen, in dem vor längerer Zeit mit der »Albrecht-Dürer-Stube« ein Öcher Traditionslokal beherbergt gewesen war. Und weil der Umbau des ehedem beliebten Lokals unweit des Kaiserdoms den Anforderungen des Denkmalamtes unterlag, musste er ständig nervenaufreibende Verhandlungen führen, Kompromisse eingehen … und mehr Geld ausgeben, als er eingeplant hatte. Also war ihm nichts anderes übrig geblieben, als sich schon seit Frühjahr mehr in der nordrhein-westfälischen Kaiserstadt als in seinem niederländischen Heimatort Vaals aufzuhalten. Er musste mit Hand anlegen, wo es nötig war. Aus diesem Grund hatte er sich am frühen Montagabend mit seiner Innenarchitektin verabredet.

      Der große und kräftig gebaute Mann mit den zu einem Dutt zusammengebundenen Haaren verließ gerade die Kirche St. Foillan schräg gegenüber dem Dom, als Eleonore Olbrich die Krämerstraße herunterkam und winkend auf ihn zulief.

      Der Witwer war an diesem Tag unter anderem nach Aachen gefahren, weil er wieder ein paar Dinge aus seiner alten Wohnung in Vaals in seine neue im oberen Stock seines Restaurants bringen musste. Seinen Umzug hatte er peu à peu organisiert. Den Termin mit der Innenarchitektin hatte er unbedingt einhalten wollen, obwohl es den gottesfürchtigen Mann in die Kirche gezogen hatte, um für seine erst vor Kurzem verstorbene Frau Aninda zu beten. Der gelernte Restaurator und Steinmetzmeister war Gott bedingungslos ergeben, beseelt von seinem Glauben an Jesus Christus und an ein Leben nach dem Tod, entweder im Himmel, im Fegefeuer oder in der Hölle … ein jeder, wo er hingehörte.

      »Können Sie bitte kurz Ihre Bluetooth-Knöpfe aus Ihren Ohren nehmen?«, rief die Innenarchitektin und kreiste mit ihrem Zeigefinger vor dem rechten Ohr herum.

      »Was? Ach so? Ja, natürlich. Entschuldigung. Jetzt kann ich Sie hören.«

      »Mein aufrichtiges Beileid. Wie geht es Ihnen?« Eleonore Olbrich schaute den künftigen Gastwirt besorgt an. »Sie schwitzen ja und wirken abgehetzt. Ist alles in Ordnung?« Die Innenarchitektin hatte erst vor ein paar Tagen erfahren, dass van Bastens Frau Aninda durch einen tragischen Sturz die häusliche Treppe herunter einen Genickbruch erlitten hatte, während ihr Mann in Aachen gewesen sein musste. »Es tut mir leid, dass ich von der Beerdigung nichts erfahren habe. Selbstverständlich wären mein Mann und ich gekommen, um …«

      »Schon gut!«, wehrte van Basten ab. »Der Herr behütet alle, die ihn lieben«, ergänzte der einerseits gebrochen, andererseits irgendwie steinern wirkende Mann, der Frauen gegenüber stets versucht hatte, Stärke zu beweisen. Um einen dementsprechenden Eindruck auch bei seiner Architektin zu erwecken, ging er nicht weiter auf das ein, was sie gesagt hatte. Stattdessen kam er gleich zum Geschäft. Dabei schlug er den Weg am Dom vorbei ein, über den Münsterplatz in Richtung des nahen Fischmarktes, vor dem sich sein zukünftiges Lokal befand.

      Nachdem sie vor dem alten Kaufmannshaus mit den beiden rundbogigen Glasfronten im Erdgeschoss angekommen waren, zeigte er mit ausgebreiteten Armen zur Beschriftung über der Eingangstür. »Ich hätte dort gerne blattvergoldete Metallbuchstaben in einer breit laufenden Frakturschrift. Geht das?«

      Eleonore Olbrich musste nicht überlegen. »Wir haben zwar einen Buchstaben mehr in unserer Firmierung als die bisherige Bezeichnung des Lokals mit 17 Buchstaben und zwei Wortzwischenräumen. Dafür verwendet man bei Frakturschriften Versalbuchstaben nur in Bezug auf die übliche Großschreibung. Somit gewinnen wir in der Breite etwas Platz. Es ist schade, dass im Sturz zwischen dem Erdgeschoss und dem ersten Stockwerk die Höhe zu knapp ist, um größere Lettern anbringen zu können. Deswegen müsste die ›Breite Kanzlei‹ passen und groß genug wirken.«

      »Weshalb ausgerechnet diese Schrift?«, mochte van Basten wissen. Wegen seines alten Berufes kannte er diese Fraktur, die durch ihre s-förmigen Schnörkel im Aufstrich verziert ist und allein schon deswegen besticht.

      Die Architektin schmunzelte, als sie ihm erklärte, dass dies ihre Lieblingsfraktur sei und die »Breite Kanzlei« im Gegensatz zu anderen Frakturschriften wie zum Beispiel der »Walbaum« schönere Großbuchstaben habe, was sich gerade beim »Z« bei der Bezeichnung »Zur Goldenen Madonna« zeigen würde. »Ich bin zwar keine Grafikdesignerin, weiß aber, dass es auf eine ›Corporate Identity‹ ankommt, die zur Art des Restaurants passt, wenn man Erfolg haben möchte. Und die Authentizität, die Ihr geplantes Speiselokal im Schatten des altehrwürdigen Kaiserdoms ausstrahlen wird, zeigt sich ja jetzt schon am bisher zusammengetragenen Interieur!«

      »Sie haben recht«, nahm van Basten den Ball auf. »Das Landesamt für Denkmalpflege verbietet uns ja ein Schild und besteht auf Einzelbuchstaben. Das ist auch gut so. Wir möchten die schöne alte Fassade ja nicht verschandeln, oder? Lassen Sie uns reingehen.«

      Wie meistens waren sich der feinsinnige Auftraggeber und die kreative Innenarchitektin einig. Überdies hatten sie sich von Anfang an bestens verstanden, was für eine harmonische und zielführende Zusammenarbeit zum Wohle des Objektes gesorgt hatte. Kein Wunder also, dass die beiden seit Wochen um eine persönlichere Anrede ihres Gegenübers herumeierten. Weil sie mit ihren 42 Jahren zwar fünf Jahre älter, aber eine Frau und zudem die Auftragnehmerin war, er hingegen zwar der Mann in diesem gestalterischen Duo, aber auch der Jüngere war, hatte sich bisher keiner der beiden getraut, dem anderen das »Du« anzubieten.

      Im Inneren des schmalen Mittelhauses aus dem 17. Jahrhundert erwartete die beiden eine fast schaurig anmutende Szenerie. Im fahlen Licht, das sich bei tristem Herbstwetter in der bereits einsetzenden Dunkelheit durch die beiden Frontfenster ins Innere mühte, wurden sie von den dunklen Konturen mehrerer Menschen erwartet. Zumindest schien dies so. Eine einsam hängende brennende Glühbirne hellte den Raum nicht merklich auf.

      »Waren Sie

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