Goldmadonna. Bernhard Wucherer

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Goldmadonna - Bernhard Wucherer

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den Anzug angezogen, den er ansonsten niemals »freiwillig« tragen würde.

      *

      »Sag mal, spinnst du? Willst du mich natzen!«, schimpfte Angelika, die in ihrem engen Kostümchen eine ganz besonders gute Figur abgab, obwohl ihr die Zornesröte ins Gesicht geschossen war.

      »Wieso?«, wunderte Frederic sich allen Ernstes, als sie durch die Tür der »Friterie du Perron« an der Ecke Rue de Rey nahe seiner alten Wohnung spazierten, wo Angelika ungläubig auf die frittierten Kartoffelstäbchen in der Auslage starrte, während er im Geiste bereits genüsslich damit begonnen hatte, sein Menü zusammenzustellen.

      Fast angewidert wandte Angelika ihren Blick ab und schaute wehmütig zum Fenster hinaus. Anklagend zeigte sie über die Hauptstraße zum »Place du Marché« hinüber. »Hättest du mich nicht wenigstens ins ›Å Pilori‹ einladen können? Ist das nicht eines deiner beiden Stammlokale gewesen, als du noch in Lüttich gewohnt hast? Weshalb haben wir uns so rausgeputzt? Nur dass du mich in eine gewöhnliche Frittenbude schleppst?«

      »Entschuldige, mein Schatz! Weil ich schon lange nicht mehr bei meinem alten Freund ›Fritten Ralf‹ war, dachte ich mir …«

      »Was dachtest du dir?«, unterbrach Angelika schroff. »Nichts hast du dir dabei gedacht, als du mich ohne Vorwarnung hierhergebracht hast.« Während Angelika so richtig loslegte, brummte es in Frederics Hosentasche. Egal, wer dran ist, der Anruf kommt genau zur richtigen Zeit, dachte er sich und fischte sich zu Angelikas Erstaunen sein ausnahmsweise einmal betriebsbereites Mobiltelefon aus der Tasche. Dass der Akku seines Handys geladen war, lag nur daran, dass er sehnlichst darauf hoffte, endlich Arbeit zu bekommen, derentwegen er seinen Urlaub würde abbrechen müssen.

      Als Angelika weiterschimpfen wollte, sagte er nur: »Entschuldige bitte.«

      »Schon gut!«, schnaubte sie, aber ihr Unmut war noch lange nicht verraucht.

      »Oh, Locki! Du bist es! Was gibt’s? … Aha! … Schon gut!« Gleich darauf schoss ein erschrocken wirkendes und irgendwie doch zufrieden klingendes »Was?« aus ihm heraus. Nachdem er einige Male still genickt hatte, fragte er seine Sekretärin: »Wo?« Gleich darauf sagte er in versehentlich gut gelaunt klingendem Tonfall: »Ich fahre sofort los. Ruf die uniformierten Kollegen in Clermont an, dass sie alles absperren und nichts berühren oder verändern sollen!«

      Angelika hatte sich zwar vorgenommen, umgehend weiterzupoltern, sowie Frederic sein Telefonat beendet haben würde, ahnte aber, um was es darin gegangen war. »Wer war das?«, säuselte sie und spielte dabei die Uninteressierte.

      »Das hast du doch gehört, Schatz! Es war Mademoiselle Loquie, meine Sekretärin!«

      »Und? Was ist los? Nun sag schon!«

      Frederic atmete tief durch, bevor er antwortete: »Es tut mir leid, aber ich muss weg! Wir haben eine Leiche!«

      »Wo?«

      »Keine 30 Kilometer von hier!«

      »Wo?«, wiederholte sie genervt.

      »In Clermont!«

      »Meinst du Thimister-Clermont in der belgischen Wallonie? Das kenne ich! Ein süßes mittelalterliches Örtchen.«

      »Entschuldige bitte, Angelika. Ja! Selbstverständlich meine ich dieses Clermont und nicht das Clermont in Frankreich oder gar in Florida!«

      Während Frederic sich insgeheim darauf freute, endlich wieder einen Mordfall lösen zu dürfen, anstatt mit Angelika einen auf fein machen zu müssen, holte sie ihr nagelneues iPhone hervor und versuchte, damit ins Netz zu gelangen.

      »Also … Äh … Ich muss jetzt fahren!« Wenn der Kriminalbeamte hoffte, sich so einfach loseisen zu können, irrte er sich gewaltig. Angelika fragte ihn, ob er sie nicht mitnehmen mochte.

      Der Mordermittler überlegte einen Moment lang. Dann zuckte er mit den Schultern und sagte, dass er grundsätzlich nichts dagegen habe, es aber nicht ihr Fall sei, weil der Tote, »… wie wir nun ja festgestellt haben«, in der Provinz Lüttich aufgefunden worden sei. Damit – so glaubte er – sei die Sache vom Tisch.

      »Da irrt sich der Herr Kriminalhauptkommissar aber gewaltig!«, entgegnete sie selbstbewusst.

      »Wie … Wie meinst du das?«, wunderte sich Frederic.

      »Sieh selbst!«, sagte sie und hielt ihm triumphierend ihr Smartphone entgegen.

      »Ja und? Du hast einen Routenplaner aufgerufen. Was soll das?«

      Angelika lachte siegessicher auf, bevor sie ihm erklärte, dass es von Lüttich nach Clermont genau 28,4 Kilometer, von Aachen aus aber nur 23,3 Kilometer waren. »Also liegt Aachen näher am Tatort als Lüttich, oder? Außerdem ist dies sowieso nicht dein Fall, weil du in Eupen und nicht mehr in Lüttich arbeitest! Hast du das vergessen?«

      Nun triumphierte Frederic: »Dennoch wurde ich angerufen! Und von Eupen aus sind es nur gute 14 Kilometer!«

      Er sah Angelikas fordernden Blick und fluchte still in sich hinein. Er wusste, dass er sagen konnte, was er wollte, er hatte schon verloren. Also gab er sich lieber gleich geschlagen, als sich auf eine lange Diskussion einzulassen, bei der er am Schluss sowieso den Kürzeren ziehen würde. »Von mir aus!«, knurrte er. »Möglicherweise hast du Glück.«

      Angelikas Augen weiteten sich erwartungsvoll. »Weshalb?«

      »Na ja, ich hatte dir doch davon erzählt, dass der junge Nachfolger von Docteur Brülèe zur Fortbildung in Brüssel ist. Somit ist die Gerichtsmedizin in Lüttich derzeit verwaist.«

      Bevor es sich Frederic doch noch überlegte, fiel sie ihm um den Hals und küsste ihn. »Danke, Lemmi!«

      Nun stieg ihm die Zornesröte ins Gesicht. »Ich habe dir schon tausendmal gesagt, dass du mich nicht so nennen sollst! Und nun lass mich in Ruhe mit meinem Chef telefonieren, damit er unserer neuerlichen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zustimmen kann! Das klappt nur, wenn er seinen Segen gegeben hat. Und den bekommen wir nur, wenn es Docteur Baguette gelingt, Oberstaatsanwalt Delieux ebenfalls mit ins Boot zu nehmen.«

      »Aber das war doch sicher nicht zufällig, dass sie in Eupen angerufen und dich zu dem Fall gerufen haben, oder?«, wunderte sich Angelika und setzte keck nach: »Dann gibt es sicher auch keine Probleme, wenn ich dich bei der Aufklärung dieses Falls unterstütze.«

      Kapitel 2

      Und ob der leitende Lütticher Staatsanwalt Martin Delieux zugestimmt hatte. Denn der Mann war wegen eines überaus günstigen Zufalls erst vor einem Jahr zum Oberstaatsanwalt avanciert und musste sich in seiner neuen Position beweisen. Und dies tat er am besten, indem er möglichst viele, vor allen Dingen schnelle Erfolge erzielte. Weil dies ohne Mordfälle aber schwierig war, hatte er Docteur Baguettes Vorschlag zugestimmt, keine Zeit zu verlieren und die deutsche Rechtsmedizinerin mit der Leichensektion zu betrauen. Weil das Dream-Team Le Maire/Dr. Laefers bei den »Frittenmorden« vor zwei Jahren und bei den »Glühweinmorden« im vergangenen Jahr bereits hinreichend bewiesen hatte, dass es gut und erfolgreich zusammenarbeitete, konnte dies einer raschen Aufklärung des aktuellen Falls nur dienlich sein und für Delieux schnelle Ergebnisse zeitigen, mit denen er sich würde schmücken können. Deswegen war der Oberstaatsanwalt über seinen eigenen Schatten gesprungen und hatte seine Ressentiments Le Maire gegenüber beiseitegeschoben – zumindest vorübergehend. Er

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