Black*Out. Andreas Eschbach

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Black*Out - Andreas Eschbach страница 6

Black*Out - Andreas Eschbach Blackout - Hideout - Timeout

Скачать книгу

aus es in den Garten ging. Sie malte ausschließlich Blumen und Vögel, und von beidem hatte der verwilderte Garten mehr als genug zu bieten.

      Christopher hatte auch viel Zeit bei ihr und ihren riesigen, nach Farbe duftenden Leinwänden verbracht und ihr dabei zugesehen, wie sie mit sachten, hingebungsvollen Pinselstrichen malte. In diesen Momenten war sie ihm immer, trotz ihres farbverschmierten Kittels, wie eine feine Dame vorgekommen, und dass es sich nicht gehört hätte, sie zu stören oder auch nur mit einer Frage zu unterbrechen, war die selbstverständlichste Sache der Welt gewesen.

      Einige Male hatte sie ihre Werke in Ausstellungen gezeigt, sich aber oft einfach nicht von Bildern trennen können. Es war ihr immer nur ums Malen gegangen, nicht darum, Geld zu verdienen.

      Christophers Mutter war ganz anders als ihre Eltern. Vielleicht lag es an dem Umfeld, in dem sie aufgewachsen war, aber für sie war Geld so wichtig, dass sie es zu ihrem Beruf machte. Sie absolvierte eine Banklehre, studierte später Finanzwirtschaft und war, als sie den Mann kennenlernte, der Christophers Vater werden sollte, eine der wenigen Frauen im Devisenhandel des großen Frankfurter Bankhauses, in dessen Computerabteilung er zu der Zeit arbeitete.

      Deswegen blieb, sobald Christopher auf der Welt war, sein Vater zu Hause, um sich um ihn zu kümmern. Als Christopher etwas größer war, gründete sein Vater eine eigene kleine Softwarefirma, die er von zu Hause aus betreiben konnte, und wenn er einmal zu Kunden musste – was nicht allzu oft vorkam, denn so richtig gut lief seine Firma nie –, waren die Großeltern immer verfügbar, um auf ihn aufzupassen. Und ab und zu ließen sie sich auch das nötige Geld aufdrängen, um das Dach der alten Villa abdichten und den Zaun erneuern zu lassen. Nur der Garten blieb so wild, wie er geworden war.

      Christopher wuchs mit Computern auf. Dass er das Programmieren sehr früh lernen würde, war absehbar gewesen. Dass er allerdings schon mit acht Jahren besser programmierte als sein Vater, dass er die Fehler in dessen Programmen zu finden und Routinen mit Zugriff auf das Betriebssystem zu schreiben imstande sein würde – Funktionen, die so komplex waren, dass James Kidd Schwierigkeiten hatte zu verstehen, was sein Sohn da machte –, das war nicht unbedingt vorhersehbar gewesen. Aber es erwies sich bald als recht nützlich.

      Und Spaß machte es auch. Großen Spaß sogar.

      So hatten die ersten vierzehn Jahre von Christophers Leben ausgesehen: das reinste Paradies auf Erden.

      Bis das Unglück über die Familie Raumeister-Kidd hereinbrach.

      Es begann damit, dass Großmutter erblindete.

      »Also, ehrlich gesagt«, meinte Kyle an dieser Stelle, »wenn mich jetzt jemand fragen würde, was das alles mit abstürzenden Hubschraubern zu tun hat, wüsste ich keine Antwort. Aber mal so richtig gar keine.«

      »Das kommt gleich«, erwiderte Christopher. »Ich habe doch gesagt, es ist eine lange Geschichte.«

      8

      Die Blindheit von Christophers Großmutter kam nicht schlagartig; sie begann schleichend, beinahe unauffällig, verschlimmerte sich dann aber unaufhaltsam weiter in einer Weise, dass man das Gefühl bekam, den Zeitpunkt, an dem sie endgültig nichts mehr sehen würde, auf den Tag genau vorherberechnen zu können.

      Die Krankheit hatte einen komplizierten lateinischen Namen, galt als sehr selten, und über Fälle von Heilung war nichts bekannt. Es begann mit blinden Flecken, Stellen in ihrem Gesichtsfeld, die wie ausgeblendet, wie verschwunden waren – nicht Flecken von Schwärze, sondern von Nichts, so, als würde an diesen Stellen die Welt nicht existieren –, und diese Flecken wurden immer zahlreicher und größer. Man versuchte allerhand Therapien und Operationen, aber nichts half.

      Das deprimierte Christophers Großmutter maßlos und erbitterte seinen Großvater ebenso sehr. »Wenn sie ihre Hand verloren hätte«, erklärte er Christopher eines Tages, »dann könnte ich ihr wenigstens eine neue machen. Ich würde ihr die beste künstliche Hand aller Zeiten machen, das kannst du mir glauben; ein Wunderwerk würde ich bauen, wie es die Welt noch nicht gesehen hat. Aber wenn sie ihr Augenlicht verliert… Was soll ich da machen? Mit einem Glasauge ist ihr ja nicht geholfen. Und mit einer Kamera auch nicht – wo sollte ich die anschließen? An ihre Sehnerven? Das übersteigt nicht nur meine Fähigkeiten; das kann niemand auf der Welt.«

      Und weil das Unglück gern in Gesellschaft kommt, passierte bald darauf das mit Christophers Virus, der die ganze Welt für ein paar Tage in helle Aufregung versetzte. Weil Christopher dafür den Computer im Büro seiner Mutter verwendet hatte, wurde sie entlassen, und deswegen und um irgendwann wieder Ruhe vor den Journalisten zu haben, deren reißerische Artikel über »Computer Kid« kein Ende nahmen, zogen seine Eltern mit ihm nach England, in ein, wie Christopher fand, ungemütliches Haus in einer hässlichen Vorstadt von London.

      So unumgänglich dieser Umzug auch gewesen sein mochte, er ließ Christophers Großmutter noch weiter in Schwermut versinken.

      »Warum hast du das überhaupt gemacht?«, wollte Serenity wissen. »Das mit dem Virus, meine ich.«

      Christopher sah sie an. »Das ist eine andere lange Geschichte.«

      Sie winkte ab. »Okay. Erzähl weiter.«

      Christophers Mutter bemühte sich erst einmal nicht um eine neue Stelle; nach allem, was passiert war, war es nötig, dass zumindest einiges Gras über die Sache wuchs, ehe sie hoffen konnte, irgendwo einigermaßen unbelastet neu anfangen zu können. Deswegen lehnten sie höflich, aber bestimmt ab, als ein gewisser Richard Bryson, ein bekannter Unternehmer und Filmproduzent, sie aufstöberte und Interesse bekundete, Christophers Geschichte zu verfilmen. Er bot auch viel Geld an, aber sie lehnten trotzdem ab.

      Da Mutter nun zu Hause bleiben musste, sah Vater sich in der Pflicht, einen Job zu suchen. Als er nach einigen anfänglichen Misserfolgen auf eine obskure Anzeige antwortete, kam er mit einer ebenso obskuren kleinen Softwarefirma in Kontakt, die gerade einen Programmierer suchte, und zwar für ein Projekt, das in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Fakultät der Londoner Universität in Angriff genommen werden sollte und das, wie der Zufall so spielt, zum Ziel hatte, den Bau besserer Prothesen zu ermöglichen.

      Geleitet wurde das Projekt von Stephen Connery, einem Neurologen und Hirnchirurgen. Dr. Connery war ein sympathischer Junggeselle, der nur zwei Leidenschaften kannte: die Arbeit im Labor – und die freie Natur. Sein Büro glich einem Wald, so viele Topfpflanzen hatte er darin stehen, und er unternahm fast jedes Wochenende eine Wandertour mit Zelt und Rucksack, selbst bei Regen und Sturm.

      Dr. Connery hatte im Labor gerade zum ersten Mal erfolgreich Neuronen – Gehirnzellen also – mit elektronischen Schaltkreisen gekoppelt. Diese Technik wollte er dahin gehend weiterentwickeln, dass man solche sogenannten neuroelektronischen Schnittstellen künftig in Prothesen einbauen konnte, um etwa die Motoren eines künstlichen Armes über genau diejenigen Nerven zu steuern, die vor dem Verlust des echten Armes dessen Muskeln gesteuert hatten. Auch sollte es diese Technik ermöglichen, Sensoren in dem künstlichen Arm mit den Nerven des Tastsinns zu koppeln, sodass man den neuen Arm nicht nur steuern, sondern auch fühlen konnte. Auf diese Weise, so die Überlegung, würde sich eine Prothese irgendwann beinahe wie ein echter Körperteil anfühlen und so ein nahezu normales Leben ermöglichen.

      Keine Frage, dass James Kidd, der Schwiegersohn des Frankfurter Prothesenbauers Heinz Raumeister, bei diesem Angebot keine Sekunde zögerte, ungeachtet des damit verbundenen, eher niedrigen Gehalts. Keine Frage auch, dass sie Christophers Großvater davon berichteten und über alle Entwicklungen auf dem Laufenden hielten.

      Und keine Frage, dass sie alle wissen wollten, ob auf diesem Wege womöglich eine Schnittstelle geschaffen werden konnte, die es ermöglichen würde, Blinde

Скачать книгу