Perry Rhodan Neo 196: Entscheidung auf Kahalo. Susan Schwartz
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»Die Energiereserven müssen geschont werden, und wir befinden uns nicht in akuter Gefahr. Das Protokoll F-88-ZSX sieht vor, dass ...«
»Ich hab's verstanden!« Von einer solch fruchtlosen Diskussion bekam ich nur Kopfweh. Vielleicht hatte das Situativ bei den Sprüngen so kurz hintereinander und dem herausfordernden Dauereinsatz etwas abbekommen. Vielleicht war der Energieaufwand insgesamt zu hoch gewesen und wir mussten derzeit auf Sparflamme laufen.
Die Gerätewand fuhr plötzlich zurück, die Fesselfelder verschwanden unerwartet, und ich drehte verblüfft den Kopf.
»Du solltest Lockerungs- und Bewegungsübungen machen«, forderte die Amme mich auf. »Ich verschaffe dir etwas Freiraum.«
»Endlich!«, rief ich.
In meiner gedanklichen Vorstellung ließ ich schon mühelos meine Muskeln spielen, bewegte mich so federnd wie gewohnt.
In der grausamen Wirklichkeit indes brauchte ich mehrere Minuten, um mich überhaupt aufzurichten. Als ich endlich auf eigenen Füßen stand, bebten meine Oberschenkelmuskeln, und ich musste mich an der Sitzschale festhalten. Meine Finger zitterten ebenfalls.
»War es jedes Mal so?«, fragte ich keuchend, als hätte ich einen halben Stadtmarathon ohne vorbereitendes Training hinter mir.
»Das ist nicht von Bedeutung.«
Das war wohl wieder einmal schonend gemeint, und ich beließ es dabei. Diesmal war das Vergessen ein Segen, denn hätte ich mich vorher daran erinnert, hätte ich mich vermutlich gar nicht erst aus der Sitzschale gewagt.
Die Amme fuhr die Technik zurück, Aggregate verschoben sich und ich konnte mich zum ersten Mal richtig bewegen. Ich begann mit Übungen, die die Koordination der Muskeln verbesserten, ebenso die Durchblutung. Die Amme unterstützte meine Bemühungen mit belebenden Impulsen. Obwohl die Anstrengung nicht sonderlich groß war, geriet ich außer Atem und schwitzte. Der Zellaktivator sandte warme Wellen durch meinen Körper. Das heftige Muskelzittern ließ endlich nach, der Schweiß trocknete auf meiner Stirn.
»Gibt es hier einen Jacuzzi?«, fragte ich scherzhaft. Es würde guttun, die Muskeln zu entspannen und die Lebensgeister zu mobilisieren, und außerdem wäre ich danach sauber.
»Ich weiß nicht, was das ist«, gestand die Amme.
»Egal.« Ich winkte ab. »Amme, während ich mich in der nächsten halben Stunde damit beschäftige, Geist und Körper wieder vollends zu vereinen, hältst du Wache. Ich will alles wissen, was draußen vor sich geht. Vor allem möchte ich eine Aufzeichnung des Angriffs von vorhin sehen. Und ich verlange nochmals, den Schutzschirm ...«
»Abgelehnt. Das ist kontraproduktiv zu deiner Aufgabe. Es könnte vom Stationssystem falsch aufgefasst werden.«
»Na schön – solange ich dadurch nicht in Gefahr gerate, soll es mir egal sein«, gab ich nach. »Die Wandung ist extrem dick und sollte an diesem Ort als Schutz reichen. Aber du informierst mich, sobald Hak Gekkoor eintrifft! Dann ändern sich die Verhältnisse nämlich, und wir müssen alles einsetzen, was wir haben.«
Ich lauschte ein paar Sekunden, dann wurde meine Stimme scharf. »Ich erwarte die Bestätigung meines Befehls!«
»Befehl bestätigt.«
»Also dann, frisch ans Werk!«
Obwohl ich sehr müde war und mich lieber lang ausgestreckt und geschlafen hätte ...
Gorwall zog sich nach seinem Angriff sofort wieder in den Wald zurück. Bestimmt hatten Außenkameras ihn beobachtet und die Bilder nach innen übermittelt, aber das war ihm egal. Sollte der Insasse ruhig wissen, mit wem er es zu tun hatte.
Das Raumschiff hatte keine Waffe eingesetzt, weder defensiv noch offensiv. Es nahm ihn wohl nicht ernst. Das störte ihn nicht, im Gegenteil. Dadurch konnte er im passenden Moment besser angreifen.
Irgendwann musste der Insasse herauskommen. Um zu erledigen, weswegen er gekommen war. Oder um Schäden an seinem Transportmittel zu beseitigen.
Gorwall kannte seinen Gefängnisplaneten in- und auswendig, die Natur würde das bald auf ihre Weise regeln.
»Ich kriege dich«, flüsterte er. Es war ungewohnt, die eigene Stimme wieder zu hören. Seine einzigen Lautäußerungen, seit man ihn im Stich gelassen hatte, waren die der Wut und des Schmerzes gewesen. Doch das Sprechen verlernte man anscheinend nicht: Kehle, Zunge und Stimmbänder funktionierten einwandfrei. »Dann kann ich dir Fragen stellen, bevor ich dich eliminiere.« Darüber, wie der Stand der Dinge draußen im All war und welche Möglichkeiten Gorwall offenstanden, bevor er sich eine neue Welt aussuchte.
Vielleicht war der Reisende sogar noch von weiterem Nutzen? So verlockend der Gedanke an Fleisch auch war, Gorwall durfte sich davon nicht zu Unbedachtheiten verleiten lassen. Er hatte keine Ahnung, wie lange er schon festsaß, es konnten Jahrzehnte, Jahrhunderte oder sogar noch mehr Zeit vergangen sein. Anfangs war er mühelos in der Lage gewesen, die Zeiten umzurechnen, doch seit sein Planhirn nicht mehr richtig funktionierte, konnte er nur noch in sinnloser Weise die Tage auf dieser Welt zählen. Deshalb hatte er irgendwann damit aufgehört – es war zu frustrierend.
Es fiel ihm schwer, sich in Geduld zu üben. Nach all der langen Zeit auf einmal berechtigte Hoffnung hegen zu dürfen, von diesem Schlammklumpen zu entkommen, verlieh ihm neuen Lebenswillen.
Nun galt es vor allem, Kräfte zu sammeln. Angesichts dieser Chance durfte er keinen Fehler begehen.
»Ich kriege dich«, wiederholte er mit einem Zischen. »Bald!«
6.
»Er ist wieder da«, flüsterte Sud. Sie holte ihre Hand aus der Quantenebene und materialisierte sie über Marshalls Brustkorb, während die Kardioeinheit, deren Arbeit Sud mit ihren Psi-Kräften unterstützt hatte, die reanimierenden Nanosonden desaktivierte.
Erleichtertes Seufzen machte die Runde. Die Vitalwerte sahen noch nicht perfekt, aber schon deutlich positiver aus. John Marshalls Herz schlug wieder, noch ein wenig arrhythmisch, aber Julian Tifflor versicherte, dass sich das rasch geben würde.
»Diese Hürde wäre bewältigt«, fügte der Chefarzt hinzu. »Nun sollte John aufwachen können.«
Marshall bekam leichte Stimulanzien verabreicht, die ihm den Weg erleichtern sollten. McGraw hielt weiterhin seine Hand, drückte sie hin und wieder. Dieser Reiz würde ihn zusätzlich dabei unterstützen, dessen waren Tifflor und Sud sich sicher.
Die Hoffnung, dass das Erwachen wie in einem Trivid-Drama schon nach wenigen Augenblicken geschähe, erfüllte sich jedoch nicht.
»Wir wissen nicht, was John durchlebt hat«, meinte Gucky. »Vielleicht fürchtet er sich vor dem Erwachen.«
»Solange er nicht einfach verschwindet, soll es mir recht sein.« Belle McGraw lachte nervös. Auch sie fürchtete sich inzwischen vor Johns Erwachen. Das war vielleicht sogar der nervenaufreibendste Moment. Würde er erwachen? Und wenn ja, wie viel von John Marshall wäre noch in ihm vorhanden?
»So weit wird er