Der Diwan. Mohammad Schemsed-Din Hafis Hafis
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2Diese Weisheitslehre musste also schon Salomon von seinem Reitpferd, dem Ostwind, anhören.
3Das Schicksal, die Welt, das Glück wird von den persischen Dichtern immer als ein betrügerisches altes Weib personifiziert. Das Letzte (wie ein persischer Dichter so schön es malet), nicht blind, hat ein Auge, aber nicht auf der Stirne, sondern auf dem Scheitel des Kopfes. Es tappt mit den Händen herum, um Menschen zu greifen, statt deren es aber meistens nur Esel greift, die es hinaufhebt bis zum Scheitel, um zu sehen, was es gegriffen. Sobald es sieht, dass es Esel statt Menschen sind, wirft es dieselben ferne von sich und greift dafür andre Esel.
LX.
Noch niemand sah dein Angesicht,
Doch harren dein schon tausend Nebenbuhler;
Noch in der Knospe harren dein
Schon tausend Nachtigallen.
Wenn ich mich deiner Wohnung nah’,
Was nimmt es dich, sprich, was nimmt es dich wunder?
Unendlich viel der Fremden gibts
Im Lande, die mir gleichen.
So weit bin ich von dir entfernt,
O möchte niemand sich von dir entfernen!
Doch des Genusses Hoffnung ist
Sehr nahe mir gelegen.
Die Kloster- und die Schenkenluft1
Sind wenig voneinander unterschieden,
Das Antlitz des Geliebten strahlt,
Wo immer es sich findet.
Wo frommer Zellen heilig Werk
Betrieben wird mit regem Geist und Eifer,
Dort tönt des Mönches Glockenschall,
Dort tönt des Kreuzes Name.
Ist ein Geliebter, welcher nicht
Den Liebenden des Anschauns würdig hielte?
Ich bin nicht krank, und wenn ichs bin,
So ist der Freund beihanden.
Hafisens Klagen um den Freund
Sind doch zuletzt nicht in den Wind gesprochen.
Sie sind ein altes Fabelbuch
Und eine Wundersage.
1Nicht nur die mystischen Kommentatoren Schemi und Saruri, sondern auch selbst Sudi meint, dass hier unter der Klosterliebe der Islam und unter der Schenkenliebe alle übrigen Religionen verstanden würden, und dass Hafis habe sagen wollen, es gelte gleich viel, Gott auf diese oder jene Art anzubeten. Dies wollen wir nun auch so verstanden wissen, obgleich die darauf folgenden Strophen zur Vermutung berechtigen, dass sowohl die Kloster- als auch die Schenkenliebe im eigentlichen Sinne genommen ist.
LXI.
In deinem Locken-Netz hat sich mein Herz verstricket,
Durchbohr’s mit einem Blick, es hat es wohl verdienet.
Wenn meines Herzens Wunsch von deinen Händen kommet,
Sei schnell, es ist das Gute hier an seinem Orte.
An deiner Seite schwör’ ich es, mein süßer Abgott,
Wie Kerzen will ich mich des Nachts für dich verbrennen.
Als du auf Liebe sannst, Bülbül, hab’ ich gesprochen:
Tu’s nicht, denn selbstisch sorgt die Rose ihretwegen.1
Der Moschus Sinas braucht nicht erst des Rosenduftes,2
Die Blase nimmt den Wohlgeruch vom eignen Kleide.
Geh nicht in den Palast empfindungsloser Herren,
Der Schatz des Heiles liegt zu deinen eignen Füßen.
Verbrannt ist zwar Hafis, allein im Bund der Liebe
Hält er stets fest, was Treue sich bedinget.
1Der durch das ganze Gasel laufende Reim ist chuischten est, d.i. selbst ist, durch dessen Beibehaltung das Deutsche hie und da vollends unverständlich geworden wäre, teils wegen der unnatürlichen Versetzung des Hilfszeitwortes, teils wegen der verschiedenen Bedeutung des persischen Chuischten, das nicht allein selbst, sondern auch sein Eigen bedeutet und hier bald in einem, bald in dem andern Sinne genommen wird.
2Moschus aus Tschin und Thigil, d.i. aus Sina und Tutistan bedarf des Rosenduftes nicht. Unter diesem Moschus wird aber hier nicht der eigentliche Moschus, sondern das moschusduftende Haar schöner Knaben aus Sina, und besonders aus der Stadt Thigil, die daher berühmt ist, verstanden. Kaaba, das hier mit Kleid übersetzt worden, ist ein persischer Kaftan, von vorne offen und unter dem linken Arme aufgebunden, oder vielmehr in dem Gürtel aufgeschlagen.
LXII.
Dir mein Herz zu eröffnen verlangt mich,
Und von deinem zu hören verlangt mich.
Zu verstecken das Mädchen der Liebe,
Nebenbuhlern und Neidern verlangt mich.
Eine heilige Nacht, wie die Nacht Kadr,1
Ganz mit dir zu verkosen, verlangt mich.
Wehe! ähnliche liebliche Perlen
In der Nacht zu durchbohren verlangt mich.2
Diesen Abend nur eile zu Hilfe,
Morgen wieder zu blühen verlangt mich.
Wie Hafis zum Verdrusse der Gegner,
Trunken Lieder zu singen, verlangt mich.
1Kadr, die heilige Nacht des Mondes Ramasan, in welcher das von Ewigkeit her geschriebene Wort Gottes, der Koran, vom Himmel zuerst zur Erde auf den Propheten niedersank.
2Im Persischen: solche zärtliche Klagen zu durchbohren, d.i. zärtliche Lieder zu dichten; die Verse sind Perlen, welche der Dichter durchbohrt, um sie an dem Faden des Gasels anzureihen. Dasselbe Bild brauchen persische Dichter auch vom höchsten Liebesgenusse; Verse und Mädchen sind Perlen, die gebohrt und gereiht werden zum Halsschmuck.
LXIII.
Morgenwind, o Hudhud!