Das Buch vom Bambus. Vladislav Bajac
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Читать онлайн книгу Das Buch vom Bambus - Vladislav Bajac страница 16
Als der Priester seine Bewunderung für das, was er sah, zum Ausdruck brachte, erbebte Sung vor Zufriedenheit. Es war der Augenblick gekommen, seinen Gast mit den Möglichkeiten seiner Werkstatt vertraut zu machen. Er informierte ihn über die vorhandene Fähigkeit, für die Bedürfnisse des Klosters Bücher auch ins Japanische zu übertragen. Der Priester erwies ihm die Ehre, den Vorschlag zu akzeptieren und vertraute ihm dann ein Geheimnis an, von dem er zugab, gedacht zu haben, dass es auch eines bleiben würde: Das Kloster hatte mehrere Exemplare dieses Sutras bei verschiedenen Meistern bestellt, um dann das beste auszuwählen. Dass sie auch nicht einen der Abschreiber vom jeweils anderen in Kenntnis setzten, hatte einen einfachen Grund. Dieses Sutra sollte ein Geschenk für das Oberhaupt der Provinz Qingdao werden. Hätten sie den Meistern gesagt, für wen es sein sollte, wäre nicht sicher, ob sie das bekämen, was jene wirklich können, sondern wahrscheinlich wäre es etwas zu Außergewöhnliches und damit dann kein Geschenk, was ein Kloster einem Landesherrn zu überreichen wünscht.
Sung löste eine Verbeugung seines Gastes aus, als er auf diese Erklärung lediglich erwiderte: »Ich verstehe, was Ihr Wunsch war!« Er staunte nicht weiter darüber, dass seine Arbeit dem hohen Herrscher übergeben werden sollte. Beim Fortgehen fügte der hohe Würdenträger des Klosters hinzu:
»Meister Sung, ich denke, wir werden sie häufig brauchen.«
Wahr ist, dass Sung auf einen derartigen Erfolg nicht zu hoffen gewagt hatte. Er war zufrieden mit dem, was sie vollbracht hatten, und er dachte, dass dies kein sicheres Zeichen dafür sein musste, dass sie etwas Besseres gefertigt hatten als ein anderer es vermocht hätte. Bald konnte er sich von der völligen Zufriedenheit seines ersten Auftraggebers überzeugen. Ein Abgesandter des Klosters kam von nun an regelmäßig und brachte buddhistische Schriften. Darunter waren recht viele in Japanisch. Sung gelang es, von solchen ein zusätzliches Exemplar herzustellen und diese in seiner Bibliothek aufzubewahren. Auf diese Weise nahm seine Sammlung von Texten aus Indien und China mit jedem Monat an Umfang zu. Bei dieser doppelten Arbeit war ihm Chio eine große Hilfe. Sie erledigte alle Arbeiten, die auch er machte, schnell und sauber, mitunter auch schöner als er. Sie war sehr talentiert.
Die Arbeit nahm immer mehr zu. Sungs sichere Hand sprach sich im Land herum, und so eilten von überall Klienten herbei. Sung musste weitere drei Abschreiber einstellen; Geld dafür war genug vorhanden. Es fiel ihm nicht schwer, welche zu finden. Er musste sie eigentlich nur unter den vielen auswählen, die da kamen, um ihm ihre Dienste anzubieten. Auch weiterhin galt es, einen kleineren Teil von Büchern abzuschreiben, die in Japanisch waren. Sung behielt sie bei sich, denn nur er und Chio arbeiteten daran, damit nicht herauskam, dass sie in mehreren Exemplaren existierten.
Da er sich auf das Abschreiben nur einiger Bücher beschränkt hatte, blieb Sung Zeit, sich mit dem Bambus zu befassen. Und Geld gab es jetzt mehr als genug.
Chio war glücklich über das Gelingen ihrer Pläne, wenngleich nun weniger Zeit für den Austausch von Blicken und Worten war. Ihre Zeit sollte erst noch kommen. Sie beschloss, die jetzige etwas zu beschleunigen.
XV
Zum ersten Mal bat mich Daishi Tetsujiro zu einem Vortrag des Rōshi. Außer dem Sutrabuch hatte ich jetzt auch ein Bündel Anekdoten aus dem Leben verschiedener Zen-Meister bei mir. Wir saßen in mehreren Reihen, jeder ein Manuskript des Sutras vor sich, das heute durchgenommen werden sollte. Nach dem Lesen des Sutras erklärte der Meister dessen Bedeutung in freier Interpretation, bestand jedoch keineswegs darauf, dass seine Auslegung als die einzig mögliche anzusehen sei. Vielmehr verlangte er von uns noch tiefere Erkenntnisse als die seinen. Mir gefiel diese Sicht der alten Texte, die – so der Meister – ungeachtet ihrer starren Rolle zum Zeitpunkt des Entstehens neue Deutungen zuließen.
Ich hatte den Eindruck, und dieser Eindruck wandelte sich mit der Zeit zu einer Überzeugung, dass in Dabu-ji jegliches Tun die Vorarbeit für etwas war, das erst noch geschehen würde. Und wenn es geschah, würde niemand außer demjenigen, dem es widerfuhr, wissen, was das eigentlich ist. In diesem Augenblick würde alles bisher Getane aufhören zu existieren und seinen Sinn verlieren, und man würde es nur als ein Werkzeug betrachten müssen, mit dem man etwas erreicht hatte, das nur in einem losen Zusammenhang damit stand. Ich hatte vor, dies bald dem Meister mitzuteilen. Nicht, um ihm meine Fortschritte zu beweisen (vorausgesetzt, ich hatte recht), noch nicht einmal, um mich zu vergewissern, ob ich auf dem rechten Weg war, sondern allein deshalb, weil ich einen Eindruck wie diesen aus mir herauslassen musste, selbst wenn ich mich damit der Lächerlichkeit preisgab.
Am Ende des Vortrags gab der Rōshi noch eine praktische Mitteilung bekannt.
»Wie angekündigt wird in einigen Tagen ein Gesandter des Shoguns das Kloster besuchen. Der Grund seines Besuchs ist uns nicht mitgeteilt worden. Wahrscheinlich soll er uns über neue Entscheidungen und Veränderungen im Staat unterrichten. Ich habe beschlossen, ihn zu empfangen. Da es in jüngster Zeit viele neue Herrscher und Gesetze gegeben hat, bezweifle ich, dass uns der Bote des neuen Shoguns irgendetwas Neues zu sagen haben wird. Beobachter sind immer klüger als die Beteiligten. Der Beteiligte erlebt ein Ereignis zum ersten Mal, sodass er meint, dies müsse auch auf alle anderen zutreffen. Nun, wir werden wie auch bisher Wohlwollen zeigen.«
Nachrichten, die das Leben außerhalb des Klosters betrafen, erreichten die Brüder auf zwei Wegen: über die Mönche, die Almosen sammelten, oder indem der Rōshi verkündete, was er für notwendig erachtete. Das hieß aber nicht, dass die Oberen des Klosters nicht über alles Bescheid gewusst hätten, was im Lande vor sich ging. Im Gegenteil. Tatsächlich sahen sie nur vieles davon als unwesentlich für das Dasein in Dabu-ji an. Wie andere Klöster gab es auch Dabu-ji und seinen starken Einfluss auf das Volk lange genug, als dass man sich bei Veränderungen im Staate zu sehr um sein Schicksal hätte sorgen müssen. Manche Herrscher waren dem Zen-Orden mehr, manche weniger zugeneigt, was im Großen und Ganzen die Stellung eines solchen Klosters nicht allzu sehr verändern konnte. Das war auch mir bekannt.
Ryokai sagte zu mir ein wenig verwundert: »Der Meister will, dass du in sein Zimmer kommst.«
»Aber ich bin doch gar nicht mit den Köans an der Reihe!«
»Er will dich privat sehen.«
Der Rōshi rief selten jemanden auf diese Art zu sich. Oder wusste das nur keiner außer dem Betroffenen?
Nachdem ich meine Sandalen ausgezogen hatte, schlug ich mit dem Stab den Metallgong, um mich bemerkbar zu machen. Das Umpan zeigte dem Rōshi angeblich dabei den Grad der Erleuchtung an, den der sich ankündigende Schüler erreicht hatte. Das war uns zwar allen bekannt, doch waren wir nicht imstande, auf diesen besonderen Klang Einfluss zu nehmen, da wir ja nicht wussten, welche Klänge gut und welche schlecht waren. Diesmal war das für mich bedeutungslos. Der Meister ließ es mich indirekt wissen.
»Cao, wenn der Gast kommt, von dem ich gesprochen habe, halten wir ein Cha-no-yu ab. Dich habe ich ausgesucht, damit du uns bedienst und Gesellschaft leistest. Ich möchte, dass der Tee so ist, wie er sein soll, und du auch.«
Mit einer Verbeugung zeigte der Rōshi das Ende meines Besuchs an. Die Entscheidung duldete keinen Widerspruch. Abgesehen davon hatte sie eine Ehre für mich zu sein.
Ryokai brach in Freude aus, als ich mich seiner Hartnäckigkeit beugte und ihm erzählte, was mir der Meister aufgetragen hatte.
»Weißt du, Cao, seit ich hier bin, ist mir noch nicht die Ehre einer solchen Einladung zuteil geworden. Jetzt wirst auch du auf deine Art die erste