Befreite Schöpfung. Leonardo Boff
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Dieser gesamte Prozess erinnert an die Worte von T.S. Eliot:
„Wo ist die Weisheit, die uns im Wissen abhanden kam?
Wo ist das Wissen, das wir mit der Information verloren haben?
Dem könnten wir sogar noch eine dritte Zeile hinzufügen:
Wo ist die Information, die wir in der Zerstreuung verloren haben?
Die globalisierte Kultur streckt ihre Fangarme aus und versucht dabei alles an traditionellem Wissen an sich zu reißen und zu monopolisieren, was sich als profitabel erweisen könnte. Das kann man überdeutlich am Bestreben der transnationalen Konzerne erkennen, das Leben selbst zu patentieren. Die Welthandelsorganisation öffnete dafür die Tore, als sie den Patentschutz für Samen und genetisches Material zuzulassen begann. Vandana Shiva schreibt, dass zwei US-amerikanische Konzerne das ausgenutzt haben, um Patente für Basmati-Reis und Neem – ein natürliches Pestizid und Funghizid – einzureichen. Beide Pflanzen wurden seit Jahrhunderten von indischen Bauerngemeinden kultiviert.16 Diese Art von „Biopiraterie“ wird zur Normalität. Es hat sogar Versuche gegeben, Gene einer autochthonen Bevölkerung patentieren zu lassen. Dass dieser Wahnsinn innerhalb der (Un-)Ordnung, die derzeit den Planeten beherrscht, als folgerichtig angesehen werden kann, ist ein klarer Beweis für den krankhaften Charakter, der ihr zutiefst eingeschrieben ist.
Zerstörung der Vielfalt
Die „Monokultur des Geistes“ breitet sich aus und vernichtet dabei andere Kulturen, Sprachen und Wissenssysteme wie ein Krebsgeschwür. Genauso wie die einheimischen Pflanzen- und Tierarten aussterben und durch einige wenige, wirtschaftlich nützliche Varianten ersetzt werden, so verschwinden auch ganze Kultursysteme. Viele von ihnen haben sich innerhalb von Tausenden von Jahren entwickelt und sind einzigartig an ein bestimmtes Ökosystem angepasst. Das trifft besonders auf die autochthonen Kulturen zu. Jeder Verlust einer Kultur bedeutet den Verlust an Vielfalt, den Verlust am wahren Reichtum der Erde. So wie die Vernichtung einer Pflanzenart im Regenwald den Verlust eines Heilmittels gegen Krebs oder einer wertvollen Nahrungsquelle bedeuten kann, so bedeutet auch die Zerstörung von einzelnen Mosaiksteinen des weltweiten kulturellen Gesamtbildes eine Minderung der Schönheit und des Geheimnisses des Lebens selbst. Das ist etwas, das niemals zutreffend gemessen oder quantitativ zum Ausdruck gebracht werden kann.
Ein besonderes Beispiel dafür ist der Rückgang der in der Welt gesprochenen Sprachen. Die Sprache ist in vieler Hinsicht ein zentraler Aspekt der Kultur, denn sie bewahrt in sich einzigartige Weisen zu denken auf. Der Verlust einer jeden einzelnen Sprache bedeutet also den Verlust einer einzigartigen Perspektive, einer einzigartigen Weise, die Welt zu verstehen. Vor etwa zehntausend Jahren, so schätzen Sprachwissenschaftler, gab es zwölftausend Sprachen, die von den damals lebenden fünf bis zehn Millionen Menschen auf der Welt gesprochen wurden. Heute sind davon nur noch siebentausend übrig, obwohl die Weltbevölkerung auf über sechs Milliarden angestiegen ist. Gleichzeitig hat sich der Verlust an Sprachen beschleunigt, insbesondere im Lauf des letzten Jahrhunderts. Zurzeit verlieren wir etwa eine Sprache am Tag. Bei dieser Verlustrate wird es in hundert Jahren nur noch 2500 Sprachen geben. Andere Fachleute sind sogar noch weniger optimistisch und nehmen an, dass bis zum Jahr 2100 90 % der noch verbliebenen Sprachen verschwunden sein werden (Worldwatch Institute 2007).
In seinem Werk über den Aufstieg und Fall der Weltzivilisationen schrieb der Kulturhistoriker Arnold Toynbee, dass eine Zivilisation, die sich im Abstieg befindet, zu immer größerer Uniformität und immer mehr Standardisierung neigt. Wie gesunde Ökosysteme ermöglicht auch eine gesunde Zivilisation eine Vielfalt von Kulturen und Wissensformen. Uniformität ist ein Anzeichen für Stagnation und Verfall (Korten 1995).
Die immer größere Gleichförmigkeit der sich global ausbreitenden Kultur ist eine Begleiterscheinung der zunehmend vereinheitlichten Weltwirtschaft. In seinem Buch The Economy of Commerce vergleicht Paul Hawken (1993) unsere derzeitige Weltwirtschaft mit der ersten Ausbreitung von Unkraut. Auf Feldern, die gerade erst abgeerntet worden sind, wachsen die Pflanzen um die Wette, um den Boden so schnell wie möglich zu bedecken. Es wird viel Energie vergeudet, und die Artenvielfalt ist gering. Die Pflanzen, die man in solchen Biotopen findet, sind im Allgemeinen nicht sehr nützlich für andere Arten, auch nicht für die Menschen. Im Gegensatz dazu weisen die Ökosysteme mit der größten Artenvielfalt das größte Entwicklungspotenzial auf, wie zum Beispiel alte Waldbestände und Korallenriffe. In ähnlicher Weise vernachlässigt unsere Weltwirtschaft in ihrem wahnhaften Drang nach ungezügeltem Wachstum und nach Ausdehnung andere, wichtigere Eigenschaften wie etwa Komplexität, Kooperation, Bewahrung und Vielfalt. Es ist ein unreifes System.
Analog dazu kann man dies auch auf das Wachstum einer globalen Monokultur anwenden. Letztlich stellt der Verlust der kulturellen Vielfalt für die Gemeinschaft der Menschen ebenso eine Bedrohung dar, wie der Verlust der Vielfalt an Ökosystemen unseren Planeten insgesamt gefährdet. Wir ersetzen ein vielfältiges „Ökosystem von Kulturen“ durch eine Monokultur, die sich wie Unkraut verhält, rasch wächst, doch von geringem Nutzen ist. Schlimmer noch: Die sich ausbreitende Unkrautkultur enthält ein tödliches Gen, genauso wie eine gentechnisch veränderte Baumwollart das Pestizid Bt produziert, und damit wird es in vieler Hinsicht zum Gegenspieler des Lebens selbst.
Macht als Herrschaft
Im Zentrum der globalen Krankheit, die die Welt befallen hat, steht eine Auffassung von Macht als Herrschaft. Um sich auf der ganzen Welt durchzusetzen, hat der Kapitalismus (und sein Vorläufer, der Merkantilismus) Zwang ausgeübt, zunächst in Form des Kolonialismus. Zwischen 1500 und 1800 eroberten oder unterwarfen europäische Mächte den Großteil der Welt ihrer Herrschaft. Ab dem Beginn des 19. Jahrhunderts jedoch begannen sich die Menschen in den betreffenden Regionen gegen diese Herrschaft aufzulehnen. Dieser Prozess nahm vor allem in Lateinamerika seinen Anfang. Während die hauptsächlich von der Mittelklasse getragenen Unabhängigkeitsbewegungen selten bedeutende Veränderungen für die ärmsten Bevölkerungsschichten bewirkten, zwangen diese Kämpfe die Hegemonialmächte dazu, ihre Strategie zu ändern. Gegen Ende der 1960er-Jahre war der traditionelle Kolonialismus, der sich auf direkte politische Gewalt stützte, fast vollständig von einem wirtschaftlichen Neokolonialismus ersetzt worden. In den letzten Jahren haben transnationale Konzerne (in Zusammenarbeit mit den Ländern, die ihnen politisch als Handlanger dienen) ihre Kontrolle ausgedehnt: zuerst mithilfe der Strukturanpassungsmaßnahmen und in jüngerer Zeit durch einen „liberalisierten“ Handel und Investitionsabkommen, die die Kontrolle durch die Einheimischen und die Souveränität der Bürger zunichte machen, aber gleichzeitig die Rechte der ausbeutenden wirtschaftlichen Kräfte, insbesondere der großen Konzerne, garantieren.
Diese wirtschaftlichen Waffen sind wirksame Herrschaftsinstrumente, doch sie werden auch durch die Drohung mit Waffengewalt gestärkt. Militärausgaben verschlingen immer noch einen großen Teil der weltweiten Ressourcen. Dem SIPRI (Stockholmer internationales Friedensforschungsinstitut) zufolge haben die Regierungen der Welt im Jahr 2007 1,3 Billionen US-Dollar (das entspricht 2,5 % des weltweiten BIP) zur Unterstützung des Militärs ausgegeben. Was vielleicht noch wichtiger ist: Viele der intelligentesten und talentiertesten Köpfe der Welt sind immer noch mit militärischer Forschung befasst. Was könnte alles passieren, wenn man