Picasso sehen und sterben. Jost Baum

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Picasso sehen und sterben - Jost Baum Mord und Nachschlag

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sag’ doch, daß du ein Vollidot bist! Der will uns das Ding in die Schuhe schieben. Scheiße Mann, wir sind reif!

      Du vielleicht, ich nicht … ich hab’ immer Handschuhe an, wenn ich ein Ding drehe!

      Toll und die Fußabdrücke, Kratzspuren von Werkzeugen, was weiß ich. Was ist damit?

      Wir waren immer vorsichtig. Sogar Gesichtsmasken haben wir getragen, obwohl uns niemand sehen konnte. Haben alle tief und fest gepennt. Weißt du noch, als der Alte nach seiner Brille gekramt hat, als wir in seinem Schlafzimmer waren und seine Rolex vom Nachttisch geklaut haben, während er wach wurde? Lannier kicherte und schlug sich auf die Schenkel. Na gut, vielleicht hast du Recht! Margoux lenkte ein. Aber wir müssen vorsichtig sein, dürfen jetzt keine Fehler machen, vor allen Dingen nicht auffallen, wenn wir Geld ausgeben. Wir müssen die Kohle weiter bunkern, den Schmuck, die Kreditkarten und das ganze Zeug rühren wir für eine Weile nicht an.

      Bist du bescheuert? Ich hab’ Schulden, Mann … Was meinst du, warum ich bei der Sache mitmache. Mir steht das Wasser bis zum Hals. Rosaline und die Kinder wollen jeden Monat Bares sehen. Das Jugendamt hat mich am Arsch und dann dieser Kredit für den BMW … Nee, nee, so läuft das nicht, Margoux … Ich brauche das Geld und zwar dringend und sofort! Margoux schwieg. Er dachte nach, dabei trommelte er mit den Fingerspitzen auf das Lenkrad.

      Paß auf, ich hab’ einen Käufer für die Rolex. Ich werd’ dir das Geld vorstrecken. Irgendwann hole ich mir meinen Anteil wieder, okay?

      Na gut, knurrte Lannier. Fahr endlich weiter, ich brauch’ ein Bier und was zwischen die Kiemen.

      Drei

      Roubaix klopfte an die Tür und wartete nicht, bis sich jemand meldete. Er trat ein, dicht gefolgt von Arnoult, der überrascht schien, wie hell und freundlich der Wohnungsflur war, im Gegensatz zum Treppenhaus der Villa.

      Kommen Sie! drängte Roubaix, der den Gang entlang eilte und die Tür zur Küche aufstieß. Madame Bertrand, eine etwa sechzigjährige, grauhaarige, stämmige Frau mit breiten Hüften und dicken Oberarmen, stand, ganz in schwarz gekleidet, an einem schweren Küchentisch aus Eiche, übergoß ein Kaninchen, das in einer Casserolle lag, mit einem kräftigen Rotwein aus Bandol und garnierte es mit einem Tymianzweig. Arnoult sog den Geruch nach Knoblauch, Kräutern und Gewürzen ein und bekam Appetit auf einen deftigen Braten, als er die Kupfertöpfe- und pfannen betrachtete, die nebeneinander aufgereiht über dem Kamin hingen. Gegenüber von Madame Bertrand saß ein junger Mann vor einer Schale mit Kaffee, in die er von Zeit zu Zeit ein Baguette tunkte.

      Seinem wachsbleichen Gesicht und den teigigen, aufgedunsenen Gesichtszügen sah man die regelmäßige Nachtarbeit an.

      Darf ich vorstellen, Monsieur Arnoult, Mordkommission Marseille, Madame und Patrique Bertrand.

      Der junge Mann nickte geistesabwesend in Richtung Arnoult, biß von seinem Baguette ab und spülte den Happen mit einem Schluck Kaffee hinunter.

      Ich hab’ schon alles gesagt, erklärte Madame Bertrand mit weinerlicher Stimme und wischte sich mit dem Handrücken eine Träne aus dem rechten Auge.

      Wenn sie bitte so freundlich wären …, murmelte Arnoult.

      Madame Bertrand hob resigniert ihre Schultern und ließ sie fallen, als wäre alle Kraft aus ihr gewichen.

      Wann ist es passiert?

      Heute morgen um drei Uhr, entgegnete Madame Bertrand mit leiser Stimme. Mein Mann ist zuerst wach geworden, wenig später auch ich. Wir hatten ein Geräusch gehört und ich habe auf die Uhr geschaut. Mein Mann ist aufgestanden und wollte das Licht anmachen, aber das funktionierte nicht. Er hat dann eine Taschenlampe aus der Kommode im Flur geholt, die er für solche Fälle dort aufbewahrt. Dann hat er die Tür aufgemacht und wollte in den Keller gehen, um nach der Hauptsicherung zu sehen. Vorher hat er noch den Schlüsselbund vom Haken genommen, an dem auch der Schlüssel für den Sicherungskasten hing. Wenig später habe ich einen Schrei gehört. Ich hatte plötzlich furchtbare Angst. Schließlich bin ich doch aufgestanden und hinter meinem Mann hergegangen. Er lag unten am Fuß der Treppe, die Taschenlampe und die Schlüssel neben sich. Ich dachte zuerst, er sei gestürzt. Ich habe mir den Schlüsselbund geschnappt und bin dann schnell in den Keller gerannt, um die Sicherung einzuschalten. Der Sicherungskasten stand offen und ich konnte das Ding dann wieder einschalten. Ich weiß nicht, wer den Kasten offen gelassen hat. Als ich wieder oben ankam, sah ich, daß mein Mann aus einer Kopfwunde blutete. Neben ihm lag ein eiserner Schürhaken, den wir im Winter benutzen, um den Kamin im Wohnzimmer anzuheizen. Jemand hat ihm damit den Schädel eingeschlagen, schluchzte sie mit erstickter Stimme. Ich habe eine Zeit lang gebraucht, um mich zu fassen, bevor ich die Kraft hatte, die Polizei anzurufen. Das ist alles …

      Arnoult wandte sich an Patrique Bertrand: Was ist mit ihnen, wann haben sie vom Tod ihres Vaters erfahren?

      Es ist genug, sie sehen doch, daß meine Mutter …!

      Na schön, wenn sie jetzt nicht antworten wollen, muß ich sie für heute abend auf die Gendarmerie vorladen, erwiderte Arnoult ungerührt. Er wunderte sich, daß er die Untersuchung bis jetzt ohne weitere Komplikationen über die Bühne gebracht hatte. Sein Wundmal hatte sich nicht bemerkbar gemacht und seine Stimme war fest geblieben.

      Patrique Bertrand schwieg eine Weile. Er nestelte eine Gitanes Maïs aus der Packung, zündete sich die filterlose Zigarette an und nahm einen tiefen Zug, bevor er anwortete.

      Ich bin Kellner im Yachtclub von St. Cyr. Gestern abend gab es eine heiße Party anläßlich einer Regatta im Clubhaus. Monsieur Heroult und seine Freundin waren auch dabei. Wir haben bis heute morgen vier, fünf gefeiert, bis die Polizei uns endlich gefunden hatte. Niemand hat bei dem ganzen Lärm, den die Partygäste veranstalteten, das Telefon gehört, als meine Mutter versucht hat, mich anzurufen. Irgend ein Sergeant hat mich angesprochen und mir mitgeteilt, daß mein Vater ermordet wurde. Monsieur Heroult und seine Freundin wollten mich in ihrem Alfa mitnehmen, aber ich bin lieber mit meinem eigenen Wagen hierher gefahren. Und jetzt lassen sie uns bitte in Ruhe …, schloß Patrique Bertrand mürrisch.

      Sicher, aber wir sehen uns noch, erwiderte Arnoult gelassen und trat zusammen mit Roubaix den Rückzug an.

      Nachdem sie die Wohnung verlassen hatten, nahm Roubaix den Kommissar beiseite. Einer unserer Gendarmen hat den jungen Bertrand, seine Freundin Monique und Heroult samt Begleitung, eine Filmschauspielerin aus Paris, auf dessen Yacht im Hafen von St. Cyr angetroffen. Was auch immer die vier dort getrieben haben, sie scheinen zur Tatzeit dort gewesen zu sein, grinste Roubaix anzüglich.

      Na schön, lassen wir das, seufzte Arnoult. Knöpfen wir uns den jungen Erben vor!

      Vier

      Die Tür des Büros, das im Erdgeschoß des Westflügels der Villa lag, stand weit offen. Heroult winkte die beiden Polizisten herein, als er sie im Foyer erblickte. Er war hoch gewachsen, hatte eine sportliche, durchtrainierte Figur, war Anfang vierzig, braungebrannt und trug ein Polohemd zu einer Designerjeans. An seinem rechten Armgelenk glänzte eine goldene Rolex Submariner Date mit blauem Ziffernblatt. Heroult stand vor einem Stahlschrank, dem er einen Aktenordner entnommen hatte, in dem er blätterte. Er lächelte geschäftsmäßig, als er Arnoult und Roubaix Stühle vor seinem Schreibtisch und Getränke anbot.

      Ein Schluck Wein, einen Pastis, Cognac, Cassis, was darf es sein?

      Sind wir schon beim Aperitif, grinste Arnoult, als er an den angebotenen Cassis dachte, den Likör aus schwarzen Johannisbeeren aus der gleichnamigen Küstenstadt, die nur wenige

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