Picasso sehen und sterben. Jost Baum

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Picasso sehen und sterben - Jost Baum Mord und Nachschlag

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ihnen ein wenig über seinen Halbbruder und den verschwundenen Picasso erzählen. Christophe würde ungern auf die Präfektur kommen und er hatte den Eindruck, beim letzten Gespräch mit ihm seien sie so kurz angebunden gewesen. Bitte tun sie ihm den Gefallen, mir zuliebe, flehte Françoise fast.

      Na schön, wann soll es losgehen? Arnoult seufzte müde und erschöpft.

      Wenn es ihnen nichts ausmacht, erwarten wir sie morgen gegen elf Uhr am Hafen. Das Schiff heißt Petite Fleur und ist eine weiße vierzig Fuß lange Yacht. Sie liegt dort drüben zwischen dem Zweimaster und diesem doppelstöckigen Kabinenkreuzer. Françoise deutete vage in Richtung der Hafeneinfahrt.

      Ich werde sie schon finden, wenn sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen, verabschiedete sich Arnoult, stand auf und ging, ohne sich noch einmal umzublicken, zu seinem Wagen. Er öffnete die Tür, ließ sich ächzend hinter das Lenkrad in den Sitz fallen, tastete nach der Flasche Evian, die er unter dem Beifahrersitz fand und nahm einen tiefen Schluck, bevor er den Strohhut ins Gesicht schob. Jetzt hieß es warten und sich entspannen. Fünf Minuten später verließ Françoise Clavine das Clubhaus. Sie sah trotz ihres Migräneanfalls blendend aus in ihrem knielangen Sommerkleid, der schlanken Figur, den langen Beinen und den Riemchensandalen mit dem halbhohen Absatz. Sie öffnete die Tür des weißen Renault Clio, der etwa zwanzig Meter entfernt im Schatten einer Platane geparkt war, startete den Motor, gab Gas und verließ den Parkplatz in einer Staubwolke. Arnoult stieg aus, ging zu dem Clubhaus und fand wenig später den Hintereingang, den er gesucht hatte. Die schwere Eisentür war unverschlossen und öffnete sich zu einem Lagerraum, in dem Weinkartons, Kisten mit Thunfisch- und Tomatendosen, Säcke mit Zwiebeln und Knoblauchbündel in eisernen Regalen, die die Mauern entlang liefen, gestapelt waren. Die nächste Tür führte ihn in einen Flur, der hinter der Bar lag. Aus der Küche, die links von ihm lag, hörte er, wie Monique mit jemandem lachte und schäkerte. Von dort war nicht zu befürchten, daß man ihn entdeckte. Er wandte sich nach rechts und schlich den Flur entlang.

      Patrique Bertrand war immer noch mit seinen Gläsern beschäftigt und bemerkte ihn nicht, als er lautlos hinter ihn trat.

      Kann es sein, daß sie ihre Freundin auf den Strich schicken? Arnoult flüsterte und stieß ihm gleichzeitig den Zeigefinger wie einen Pistolenlauf in die Rippen. Bertrand zuckte zusammen und ließ das Glas fallen, das in den Ausguß fiel und in tausend kleine Stücke zersprang.

      Kommissar Arnoult, was fällt ihnen ein, sind sie wahnsinnig? Bertrand war wachsbleich und seine Stimme zitterte.

      Oder kann es sein, daß sie sich von Françoise Clavine eine kleine sexuelle Gegenleistung erhofften? Arnoult blieb ungerührt. Bertrand faßte in die Brusttasche seines weißen Hemdes und fingerte eine Packung Gauloise hervor, nahm ein Bic-Feuerzeug vom Tresen, steckte die Zigarette an und nahm einen tiefen Zug, bevor er antwortete.

      Selbst wenn es so wäre, was geht sie das an?

      Da haben sie sicherlich recht, Bertrand, trotzdem haben sie meine Frage noch nicht beantwortet.

      Monique ist ein süßes kleines Ding, das gerne zeigt, was sie hat, zumal, wenn sie ein bißchen Geld dafür bekommt. Hören sie, Monsieur, Heroult ist kein Kind von Traurigkeit und hat ein paar Flaschen Champagner springen lassen. Immer wenn Monique beim Strippoker verloren hat, mußte sie mit einem Kleidungsstück bezahlen, während Heroult und Mademoiselle Clavine sich freigekauft haben.

      Wie waren sie denn an dem Spiel beteiligt? Na, was ein Kellner so macht, füllt die Gläser, mischt die Karten, sammelt das Geld ein, grinste Bertrand anzüglich. So, und jetzt muß ich mich an die Arbeit machen, wenn sie mich bitte entschuldigen wollen, knurrte Bertrand und wandte sich wieder seinen Gläsern zu.

      Ich hoffe, der Abend hat sich für sie gelohnt. Wir sehen uns noch, Bertrand, höhnte Arnoult, drehte sich um und verließ die Bar auf demselben Weg, den er gekommen war.

      Sieben

      Der Tag hatte gut begonnen. Sie hatten sich im azurblauen Licht eines frühen Septembermorgens geliebt und dann beschlossen, eine Auszeit von den Schrecknissen dieser Welt in Gordes zu nehmen. Ein Nest, das sich in die Terassen eines Bergsporns am Rande des Plateau des Vaucluse klammert. Gordes wurde in den Sechzigern von Künstlern und Malern entdeckt. In der Mitte des Dorfes schlummert ein von Efeu überwuchertes Renaissanceschloß, das Victor Vasarely für den symbolischen Preis von einem Franc für 55 Jahre pachtete und für sich selbst renovierte. Der aus Ungarn stammende Op Art-Künstler war längst in Frankreich heimisch geworden und richtete dort ein Museum ein. Bald siedelten sich Kunsthandwerker, Restaurants und Andenkenläden an, die schnell zu einem Touristenmagnet wurden.

      Die Häuser Südfrankreichs haben mir eine in sich widerspruchsvolle Perspektive aufgezeigt. Niemals gelingt es dort dem Auge, Schatten und festes Mauerwerk klar zu unterscheiden. Flächen und Räume, Formen und Hintergründe vermischen sich, wechseln einander ab, werden zu Abstraktionen und beginnen ihr eigenständiges Leben … schrieb der Maler einst an einen Freund in einem Brief, den Arnoult während seines Studiums gelesen hatte. Wenn er in der schwirrenden Mittagshitze vor seiner Staffelei saß und die Formen sich auflösten, sodaß der Betrachter denkt, daß die Dinge schweben, hatte Arnoult erkannt, das Vaserely recht hatte und ihm im Stillen zu der exakten Beschreibung der Phänomene gratuliert.

      Suzanne sagte ihre Veranstaltung über die Frühchristlichen Symbole bei den Kelten ab, die sie im historischen Seminar der Universität von Aix-en-Provence halten sollte und Arnoult rief seinen Chef an und behauptete, daß er einen Außentermin habe, der ihn bis in die späten Abendstunden beschäftigen würde. Sie waren sich wie zwei Pennäler vorgekommen, die die Schule schwänzten. Arnoult ließ das Verdeck des Peugeot Cabrio herunter, setzte eine Ray Ban-Sonnenbrille auf, schaltete das Radio ein, öffnete Suzanne die Tür, die in ihrem dünnen Sommerkleid verführerisch wie eine griechische Göttin aussah und startete mit quietschenden Reifen in ihre heimliche Vergnügungstour. Sie verließen Marseille, folgten der Küstenstraße, die sich parallel zur Route National vorbei an kahlen Felsen schlängelte, und bogen in Höhe von La Bourdonniere in Richtung des Pilon du Roi ab, als plötzlich ein Lastwagen vor ihnen, vollgeladen mit Tomatenkisten, ächzend und stöhnend die holprige Piste entlang fuhr. Arnoult gab Gas, schaltete zurück in den dritten Gang, beschleunigte und setzte sich neben den LKW. Zu spät bemerkte er den Citroën, der direkt auf ihn zukam. Wie in Trance riß Arnoult das Lenkrad herum. Dann ging alles sehr schnell. Das Cabrio raste in den Straßengraben, überschlug sich mehrmals, rammte einen Felsblock und ging in Flammen auf.

      Arnoult schreckte hoch. Er war schweißgebadet. Wie in einem immer wiederkehrenden Film sah er er den blutüberströmten Körper Suzannes und ihre weit aufgerissenen Augen, die ihn anzuklagen schienen.

      Niemals, niemals wieder wird alles so sein wie früher, stöhnte Arnoult, fuhr sich mit den Händen durch das Gesicht, spürte das Flammenschwert der Narbe und wälzte sich aus dem Bett.

      Er versuchte sich zu orientieren. Dann erkannte er das Zimmer wieder. Er war im Quatre Poisson, einem Hotel am Place du Marché in St. Cyr abgestiegen. Madame Bousset, die Wirtin, eine kleine dralle Person mit hochtoupierten blonden Haaren und einer überdimensionalen Brille, die mit Glitzer verziert war, hatte ihm diese Bleibe zugewiesen. Todmüde hatte er sich auf das Bett fallen lassen und war sofort eingeschlafen. Warum hatte er zweimal am Tag denselben Albtraum gehabt? Ein Jahr lang war es ihm gelungen, die Dämonen der Vergangenheit zu bannen. Lag es daran, daß Françoise Clavine ihn an Suzanne erinnerte? Die gleichen fließenden Bewegungen. Er hatte sie beobachtet, wie sie in ihren weißen Clio einstieg. Die lässige Art, wie sie ihre Sonnenbrille in die Haare schob, selbstbewußt aber auch verletzlich. Françoise Clavine hatte seinen Eispanzer berührt, den er sich nach dem Tod von Suzanne zugelegt hatte. Er selbst hatte sich diesen Unfall nie verziehen. Er war für den Tod seiner Frau verantwortlich. Wochenlang vernachlässigte er seine Arbeit als Polizist. Arnoult trank mehr als ihm gut tat

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