Rubine im Zwielicht. Dieter Jandt
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Rubine im Zwielicht - Dieter Jandt страница 2
»Spiele du endlich schnell«, lachte Sa
Der schwere Vorhang teilte sich. Ein kleines, dürres Männlein mit einer Schürze kam aus dem vorderen Raum. Es trug ein Tablett mit kleinen, schlanken Gläsern, die mit Çay, dem hellbraunen, türkischen Tee, gefüllt waren, und ging hinüber zu den Tischen am Fenster.
»Du bist ziemlich gereizt, seitdem dein Bruder tot ist«, sagte Sa
Der Kellner trat an ihren Tisch heran und stellte zwei Gläser mit Çay ab. Er schob zögernd die kleinen Löffel zurecht, die auf den Untertassen lagen. Dann murmelte er hastig: »Lochner ist tot!«
Der Kopf mit der Sonnenbrille ruckte hoch. Derintop schien aufspringen zu wollen. Das Männlein zuckte zusammen.
»Ich weiß sonst auch nichts. Ich hab‘s nur gerade gehört«, entschuldigte es sich und verdrückte sich eilig hinter den Vorhang.
Sa
Derintops schwarze Löcher waren auf den Boden gerichtet, er schien zu überlegen. Sa
»Da hast du Recht.« Derintop war aufgestanden. Seine Bewegungen waren flinker als es seine massige Figur vermuten ließ. Wortlos verließ er den Raum.
3.
Wagner schloss die Wohnungstür hinter sich und warf die Herrentasche auf den Küchentisch. Er setzte sich und verhielt sich mucksmäuschenstill, als sei er soeben in eine fremde Wohnung eingedrungen. Sein Atem ging schwer. Nicht durchtrainiert, stellte er fest. Wie auch, bei diesem Scheißjob den ganzen Tag zwischen Notebook und Computer.
Wagner horchte nach draußen, dann ruckte er den Reißverschluss der Tasche auf. Er schaute kurz hinein. Da war ein blauer Luftpostumschlag mit asiatischen Schriftzeichen und einer hiesigen Adresse. Wagner zog den Brief heraus und bestaunte die fremdartigen, fein geschwungenen Buchstaben, die sich in langen Reihen über die Zeilen zogen, ohne einen Abstand zwischen den Worten. Wagner zuckte mit den Schultern, schob den Brief in den Umschlag zurück und zog eine handgroße Cellophantüte heraus. Darin weitere kleinere Cellophantüten, etwas Buntes schillerte ihm entgegen. Ungeschickt drückte er an der Schweißnaht herum, bis sich die Tüte endlich öffnete. Er schüttete den Inhalt aus. Vier blaue Steine kollerten über den Tisch und blieben funkelnd liegen. Die nächste Tüte enthielt zwei gelbe Steine, wie die blauen erbsengroß. Wagner sah genau hin. Er hatte keinen blassen Schimmer von Edelsteinen. Waren die echt? Die gelben hatten dunkelbraune Flecken. Also doch eher nicht. Die anderen beiden Tüten warf er ungeöffnet auf den Tisch. Rötlich funkelte es darin.
Wagner stand auf und ging zum Wohnzimmer hinüber. Die rote Lampe des Anrufbeantworters blinkte. Wahrscheinlich die Redakteurin des Anzeigenblattes. War vermutlich mit seiner Reportage zum diesjährigen Schützenfest noch immer nicht zufrieden. Sollte sie sie doch selber schreiben! Drei Fassungen für den hohlen Zahn, wo kam man da hin? Als ob er nicht schreiben könnte! Er schaltete den Fernseher ein, der in der Ecke an der Wand hing, und trat zur Kommode, die schräg darunter stand, ein schweres, dunkles Möbel mit Löwenköpfen an den Türen. Er zog die obere Schublade auf und kramte darin herum. Die Sprecherin erzählte etwas von Anschlägen in Bagdad, dann fing sie von den Düsseldorfer Modemessen an. Wagner kramte weiter. Endlich zog er eine kleine Briefmarkenlupe hervor. Er ging wieder in die Küche und reinigte das Glas kurzerhand an einem Trockentuch, das achtlos über einer Stuhllehne abgelegt war. Die Einrichtung der Küche war eine wahllose Ansammlung von Einzelstücken. Ein kleiner Kühlschrank, ein Elektroherd, beide ehemals weiß und Secondhandware, an der rechten Wand ein antiquierter Nussbaum-Küchenschrank mit Brotkasten und Gewürzläden. Unter dem großen Fenster ein schwerer, runder Tisch und vier schlichte Stühle, alle für Wagner. Er hatte die meiste Zeit seines Lebens allein gewohnt. Mittlerweile war er Anfang vierzig, ein Mann mit vollem, welligem Haar, das bis über den Kragen reichte, seine Ohren bedeckte und seinem Gesicht einen gutmütigen Ausdruck verlieh. So, wie man Wagner ansah, dass er nicht viel aus sich und seinem Äußeren machte, ohne dabei ungepflegt zu wirken, so tolerant vermutete man ihn gegenüber seinen Mitmenschen. Von diesem Mann ging keine Gefahr aus.
Wagner drückte seinen Bierbauch gegen die Tischkante und beugte sich mit der Lupe vor dem rechten Auge über einen der blauen Steine. Geschliffen waren sie, das konnte man erkennen, und er wusste, dass es verschiedene Techniken gab, Steine zu schleifen, aber zu sagen, was das hier für ein Schliff war, damit war er überfordert. Doch aus der Tatsache, dass sie überhaupt geschliffen waren, schloss er auf ihre Echtheit. Er wendete den Stein zwischen zwei Fingern hin und her und beobachtete eine Weile das Funkeln des Steines, wenn sich das Licht darin brach, und die vielen verschiedenen Blautöne und Schattierungen, die mosaikartig zu den Rändern hin dunkel ausliefen. Er sah die aufgerauten weißen Ränder auf seinen Fingerkuppen – wie Negative von polizeilich abgenommenen Fingerabdrücken. Wagner nahm die Lupe herunter und legte den Stein auf den Tisch zurück.
Die Sprecherin nebenan redete von der Schwebebahn. Wagner stand auf und stellte sich in den Durchgang zum Wohnzimmer. Er sah den Bahnsteig, rot-weiße Absperrbänder und die mit einem weißen Tuch verhüllte Leiche. Die Schwebebahn war fort. »… kann mittlerweile davon ausgegangen werden, dass der 35-Jährige hinterrücks von der Treppe aus erschossen wurde, während er in der Tür des Schwebebahnwaggons eingeklemmt war. Es wird vermutet, dass der Täter einen Schalldämpfer benutzte, da von den Zeugen niemand einen Schuss gehört hat. Fahrgäste oder Passanten, die eine verdächtige Person während der Tatzeit rund um die Station Landgericht gesehen haben, melden sich bitte …« »Quatsch!« murmelte Wagner. »Hätte ich doch sehen müssen, jemanden auf der Treppe.« »Köln. Nach neuesten Erkenntnissen …« Wagner griff zur Fernbedienung und stellte auf einen Musiksender um, dann gleich