Rubine im Zwielicht. Dieter Jandt
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Читать онлайн книгу Rubine im Zwielicht - Dieter Jandt страница 13
Wagner stocherte auf seinem Teller herum. »Haben Sie die Steine denn dort schon fertig in Ringe oder Amulette einfassen lassen oder erst hier?«
Nok schwieg. Sie trank einen Schluck Rotwein.
»Jedenfalls haben Sie darüber Lochner kennengelernt, stimmt das?«
»Ja, ist schlimm. Der arme Kerl. Ich habe schon davon gehört.«
Nok schaute Wagner mit großen Augen an. Aus ihrem Gesicht war absolut nichts herauszulesen.
Wagner wählte bewusst die Gegenstrategie. Er beschloss mit offenen Karten zu spielen. Warum er das tat, war ihm selbst nicht klar. Vielleicht war es einfach ein Mangel an taktischem Geschick oder auch an Verspieltheit, der ihn oft den direkten Weg nehmen ließ. Er war jetzt aufgestanden, bückte sich unter dem Durchgang zum Wohnzimmer und hob eine der Dielen an. Er zog die Cellophantüte mit den Edelsteinen heraus, setzte sich wieder und schob seinen Teller beiseite.
Er ließ einen Stein auf die Tischplatte kullern. Er war tropfenförmig geschliffen, und man erkannte dunkle und rötliche Kristalle, die miteinander im Lichterspiel waren, wenn man den Stein bewegte »Was für ein Exemplar ist das? Ist es echt?«
Nok kam um den Tisch herum auf seine Seite. »Sagen Sie bloß: Sie haben selbst Edelsteine? Aber warum verstecken sie sie?« Wagner roch wieder ihr Parfüm, als Nok sich über den Tisch beugte. Sie berührte den Stein leicht mit einem Finger. »Wenn er echt ist, ist es ein Rubin. Vielleicht aus Burma, so wie meiner.« Sie deutete auf ihren Ring. »Wo haben Sie den Stein her?«
»Würden Sie ihn haben wollen?«
Nok lachte: »Noch einen? Aber wenn er echt wäre, warum nicht?« Sie begann zu kokettieren und wiegte leicht in den Hüften.
»Wieso wissen Sie das nicht?«
»Das ist heute immer schwieriger auseinanderzuhalten, ob ein Stein echt ist oder echt, aber aufpoliert, geschönt, gefärbt ist und so weiter, oder ob er sogar synthetisch hergestellt ist. Das kann man hier so am Küchentisch nicht feststellen.«
»Wie denn?« Wagner war kurz davor, Nok über die Hüfte zu streicheln, traute sich aber nicht. Stattdessen stand er auf, ging rüber ins Wohnzimmer und kam mit einem Papier zurück. Er legte es vor Nok auf den Tisch: »Das ist vermutlich das passende Zertifikat dazu.«
Nok zog staunend die Augenbrauen hoch: »Na also, dann wissen Sie ja, dass der Stein echt ist.«
»Hatten Sie eigentlich etwas mit Lochner?« Wieder so eine Frage ins Blaue hinein. Gleichzeitig fürchtete er sich vor der Antwort und einem diffusen Neid auf den Toten.
Nok rückte von Wagner ab. »Hat das mein Mann behauptet?«
»Nein, der hat nur geschlagen.«
Nok begann, den Tisch abzuräumen. »Es kann ja sein, dass er etwas von mir wollte, aber – wie sagt man hier? Dazu gehören immer zwei.« Wagner fühlte das sofort auf sich bezogen und kugelte verlegen mit dem Rubin über die Tischplatte.
»Machen Sie das nicht«, Nok legte ihre Hand kurz auf die seine. »Solche Steine sind empfindlich, wissen Sie das? Wenn sie echt sind«, lächelte sie und zog ihre Hand zurück. »Wenn Sie das übrigens ganz genau wissen wollen, sollten Sie einen Gemmologen aufsuchen.«
Nok blieb vor Wagner stehen, der nicht so recht wusste, wo er hinschauen sollte. Er dachte an die Würgefeige und seinen aberwitzigen Vergleich. Im Moment stellte er allenfalls eine Feige in verhaltener Stellung dar. Eine verklemmte Feige, die sich irgendwo am Geäst eines exotischen Wirtsbaumes verhakt hatte. Wagner wurde über sich selbst wütend. Das alles hier brachte ihn aus dem Konzept.
»Das Laab haben Sie hervorragend gekocht, Herr Wagner.« Nok reichte ihm die Hand.
»Sagen Sie doch Jens, das klingt besser.« Da war es nun wieder: der direkte Weg aus der Defensive. Wagner war aufgestanden und folgte Nok zur Tür. Im Hausflur drehte sie sich noch einmal lächelnd um. »Und Ihre Einwanderer? Was machen wir mit denen?« Wagner versuchte ebenfalls ein Lächeln. Nok wartete die Antwort gar nicht erst ab. Wagner sah ihr nach, sah wie der Stoff des Blümchenkleides um ihre Hüften schwang. Als Wagner zurück in die Küche kam, sah er den blutroten Schal über der Stuhllehne. Im ersten Moment dachte er daran, Nok hinterherzulaufen. Dann aber nahm er den Schal in die Hand, fühlte den weichen, hauchdünnen Stoff und roch daran. Er zog den milden Geruch des Parfüms ein, ging ins Wohnzimmer und hängte den Schal an ein kleines Bücherbord über dem Schreibtisch. Er zupfte am Stoff herum, bis er zufrieden nickte.
Draußen schaute Nok kurz auf den weißen Mercedes und ging nach links um die Häuserecke zu ihrem Wagen.
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