Rubine im Zwielicht. Dieter Jandt

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Rubine im Zwielicht - Dieter Jandt Mord und Nachschlag

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in den Keller. Man hörte lautes Rumpeln. Einmachgläser zersplitterten am Boden, ein Metallregal wurde umgestoßen. Zurück im Erdgeschoss griff er zum Schlüsselbund, der neben der Haustür an einem kleinen Holzbrett hing und trat an die metallene Seitentür. Er probierte einige Schlüssel, dann öffnete er und betrat die Garage. Er blieb etwa zehn Minuten fort, dann kam er wieder nach oben.

      Anna Lochner hörte, wie er nebenan im Schlafzimmer das Bett, den Schrank, die Kommode durchwühlte.

      Als er zurück ins Büro kam, zeigte sein Gesicht eine Mischung aus Wut und Enttäuschung. Er sah auf Anna Lochner herab, die auf der Seite lag und gegen die Wand starrte. Er sah, wie ihr Rock verrutscht war, er sah die weißen Seidenstrümpfe unter dem Rock. Er trat an sie heran und setzte einen Fuß auf ihren Oberschenkel. Unter seinem Socken spürte er ihr warmes Fleisch.

      »Nein, bitte nicht. Bitte nicht das.«

      »Doch.« Derintops Fuß rutschte höher.

      »Ich kann doch gar nicht wissen, wo dieses Geld ist. Hören Sie, mein Mann und ich haben doch in der letzten Zeit eigentlich gar nicht mehr zusammen gelebt. Er war doch kaum hier.«

      »Das ist aber schade. Da hat Ihnen sicher was gefehlt.« Derintops Fuß rutschte noch höher. Er sah nun ihren Slip.

      Anna Lochner drehte sich auf den Rücken und versuchte, sich auf dem Laminatboden ein wenig zur Wand zu schieben, um so den Rock wieder etwas herunterzuziehen. Derintops Fuß folgte.

      »Mein Mann hatte eine Geliebte. Schon seit längerem. Eine Asiatin. Er hat sich in der letzten Zeit meistens bei ihr aufgehalten. Glauben Sie mir bitte.«

      »Und das soll mich davon abhalten, dass wir beide jetzt rüber ins Schlafzimmer gehen?« Derintop zog sie brutal an den Achseln hoch. »Wo finde ich diese Asiatin, heh?«

      »Grünsiegelpassagen. Gleich neben dem China-Restaurant. Sie hat dort ein kleines Büro. Import Export.«

      Derintop ließ sie fallen: »Import Export, das haben wir auch immer, so etwas. Passen Sie auf: Ich glaube Ihnen das. So, wie Sie hier herumwimmern, haben Sie wirklich von nichts eine Ahnung. Es kann natürlich auch sein, dass Ihr Mann das Geld doch hier irgendwo gebunkert hat, und Sie wissen das gar nicht. Wenn ich bei dieser Asiatin nicht weiterkomme, tauche ich wieder auf. Dann grabe ich Ihnen den Garten um, wenn es sein muss. Vielleicht mache ich dann auch noch was anderes.« Er stand breitbeinig über ihr und ruckte den Zeigefinger ein paar Mal gegen sie. Dann drehte er sich um, lief die Stufen hinab, öffnete die Haustür und wäre beinahe auf Socken auf die Straße getreten. Er ging zurück ins Wohnzimmer, zog die Schuhe an und verließ das Haus. Er schien sich überhaupt keine Gedanken darüber zu machen, dass er von Nachbarn gesehen werden könnte. Er trat zu seinem BMW, den er direkt vor dem Haus geparkt hatte, zündete sich eine Zigarette an, nahm einen tiefen Zug und zog die Sonnenbrille wieder von der Stirn herab. Er schaute noch einmal auf das Haus, den Vorgarten mit einigen flauschigen Büschen und auf die obere Etage, er betrachtete das alles wie ein Kaufobjekt. Dann setzte er sich in den Wagen, schaltete türkische Musik ein, eine tiefe, melancholische Frauenstimme, und fuhr los.

      9.

      Müßig zu spekulieren, inwieweit Lochner an Hakan Derintops Tod Schuld war. Man mochte der Ansicht sein, dass jeder schließlich für sich selbst verantwortlich ist. Findige Kriminalisten würden in einem solchen Fall eine Art Beihilfe zur fahrlässigen Selbsttötung konstatieren, ein Vorwurf, der vor Gericht erfahrungsgemäß nicht viel hergab. Hakans Bruder Kemal aber kam von seinem vorgefertigten Urteil nicht herunter, dass Lochner Hakan vorsätzlich umgebracht hatte. Die Polizei stocherte im Nebel, Bärhalter hatte inzwischen immerhin Lochners Konten durchstöbert, aber nichts Auffälliges feststellen können. Der Mann war hoch verschuldet.

      Bärhalter hatte zwar davon gehört, dass es eine Szene gab, in der man sich in teuren Hotels traf und um hohe Einsätze spielte, aber das brachte ihn auch nicht weiter. Er beschloss daher, sich wieder auf den Mord an der Schwebebahn zu konzentrieren. Was drei Tage zuvor im 11. Stock des Mercuria-Hotels passiert war, interessierte also im Grunde niemanden so recht, auch nicht Derintop, der hatte ohnehin sein festes Bild. Er wusste, dass sein Bruder und Lochner sich in dieser Nacht über einem Tavla-Spiel gegenübersaßen und um hohe Einsätze spielten. Er hatte Hakan ja selbst zum Hotel gefahren und wusste, dass Lochner bereits oben auf ihn wartete.

      Lochner gab sich betont gelangweilt und schaute, während Hakan Derintop die Steine zu einem neuen Spiel auf das Feld setzte, aus dem großen Fenster, das beinahe die gesamte Wand einnahm. Unten blinkten die Reklametafeln des neuen Einkaufscenters, einige wenige Autos fuhren über die breite Allee, der angrenzende Busbahnhof war bereits leer.

      »Was hältst du davon, erst mal ne Nase nachzulegen«, nuschelte Lochner und fuhr sich mit der Hand durch die kurzen, schwarzen, Gel-getränkten Haare. Die beiden spielten schon seit Stunden. »Man will ja auf Zack bleiben, was, Alter?« Lochner lächelte Hakan wie ein Messer an; dünne Lippen, seine Augen waren kalt. Dabei waren die Pupillen auffallend groß, Lochner wippte ständig mit einem Bein, Übermotorik, unausgelastet.

      »Warum nicht, es läuft ja sowieso gerade bestens für mich«, lachte Hakan, der in dem großen, schwarzen Ledersessel verloren wirkte. Im Gegensatz zu seinem Bruder war er ein schmächtiger junger Mann, kränklich aussehend, mit Rändern unter den Augen. Seine Pupillen waren ebenfalls geweitet, was einen maskenhaften Kontrast ergab. Hakan war der erklärte Schützling seines Bruders. Der hatte ihn mit den Worten verabschiedet: »Pass auf dich auf. Lochner ist eine Ratte. Und wenn er komisch wird, du weißt, wo dein Handy ist, ja?« Hakan war wie ein Dandy gekleidet. Er trug ein violettes Seidenhemd, eine weiße Leinenhose mit Bügelfalte. Der schwere Gürtel mit dem bronzefarbenen Büffelkopf als Verschluss wirkte, als sei er von seinem Bruder geliehen. Die Jacke hatte er an einen Kleiderhaken nahe der Tür gehängt. Ein Umschlag schaute aus der Innentasche hervor.

      Lochner ging rüber zu dem breiten Tisch, der vor dem Fenster stand. Unten jagte ein Polizeiauto mit Blaulicht über die Bundesstraße, das Martinshorn war hier oben kaum zu hören. Lochner warf einen 200-Euro-Schein auf den Tisch und zog ein kleines, weißes Papier heran, das geöffnet vor ihm lag. Er griff zu einer Rasierklinge und begann mit feingliedrigen Fingern, das Kokain auf dem Papier zu tackern. In kurzen Abständen zog er – beinahe verächtlich – Luft durch die Nase, was wie eine unfeine Marotte wirkte, tatsächlich aber das Erkennungsmal eines ›altgedienten‹ Koksers war, dem man nichts mehr vormachen konnte. Vielleicht gab es da ja in irgendeinem Schleimhautwinkel noch einen winzigen Krümel, der sich, zwischen Härchen verhakt, bislang geweigert hatte, in die Blutbahn abzudriften.

      »Und du glaubst also, du hättest schon gewonnen?« nuschelte er über die Schulter hinweg. »Du weißt ja, wenn wir hier nicht alles weggeputzt haben, einschließlich des Wodkas, ist überhaupt nichts entschieden. Außerdem taue ich erst immer in den frühen Morgenstunden auf. Das weißt du doch. Beim letzten Mal hattest du anfangs auch Oberwasser, und dann: niente.« Lochner schabte das Pulver erneut zu einem Haufen, zog ihn wieder mit der Klinge zu einer Leine auseinander und tackerte weiter.

      »Ja, aber da ging es nur um Peanuts. Ich gehe hier mit deinen Hunderttausend raus, das kannst du mir glauben. Letztens habe ich diesen Orhan, diesen Lakai von Sa, bis aufs Hemd ausgezogen. Kannst du mir glauben. Bis aufs Hemd. Sa fand das gar nicht witzig, obwohl es ja nicht seine Kohle war.« Manchmal versuchte Hakan Lochners lässige Ausdrucksweise nachzuahmen, weil er ihn und seine zur Schau gestellte Unverschämtheit insgeheim bewunderte. Allerding wirkte das bei Hakan aufgesetzt, ja lächerlich. »Was ist nun?« Hakan warf betont ungeduldig die Würfel über das Spielbrett.

      »Kannst es nicht erwarten?

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