Rubine im Zwielicht. Dieter Jandt

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Rubine im Zwielicht - Dieter Jandt Mord und Nachschlag

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unbekümmert weiter pfeifen.

      »Oder hatten Sie einen Grund, so schnell abzuhauen? War Ihnen plötzlich schlecht geworden? Oder hatten Sie etwas an sich genommen?«

      Jetzt irgendwas sagen, irgend etwas, dachte Wagner hektisch. »Ziehen Sie wenigstens Ihre Stiefel aus, verdammt nochmal!« schrie er hinüber. »Meinen Sie, ich habe Lust auf Fußpilz?« Wagner hörte, wie Winterberger die Tür des Schlafzimmerschrankes zuschlug und über das Schiffsparkett zurückkam.

      »Es steht eine konkrete Frage im Raum.« Bärhalter baute sich wieder vor Wagner auf. Der Mann roch nach Pfeifentabak. »Man hat Sie gesehen, wie Sie etwas vom Tatort mitgenommen haben.«

      Wagner war froh, dass sein Gesicht ohnehin deformiert war. Da fiel Verlegenheit und eine zusätzliche Rötung nicht so leicht auf. »Und was sollte das gewesen sein?«

      »Warum nicht Edelsteine? Der Mann hat damit gehandelt. Aber das wussten Sie ja vermutlich schon vor uns und bevor er tot war. Habe ich Recht?« Wagner tippte auf irgendeinen billigen schottischen Verschnitt, das Aroma weckte Assoziationen an Schafe, verrauchte Pubs und schalen Whiskey. Er war froh, dass wenigstens seine Nase noch in Ordnung war.

      »Und wie passt das da hinein?« Bärhalter stach mit dem Zeigefinger auf Wagners lädiertes Auge zu. »Sind wir vielleicht irgendwem in die Quere gekommen, hm? Möchte der Herr etwa eine Anzeige erstatten?«

      »Ach was. Irgendein wild gewordener Hundebesitzer, weil ich beim Joggen seinen Pudel angeschrien habe, als der mich attackiert hat.« Wagner musste aus dieser Situation heraus, irgendwie. Er schlängelte sich an Bärhalter vorbei und wies mit langem Arm ins Wohnzimmer. »Ich lasse mir das nicht länger gefallen. Ich schlage vor, ich hole jetzt mein Diktiergerät, und dann können Sie fortfahren mit Ihren Unverschämtheiten.«

      »Es liegt drüben auf der Schlafzimmerkommode.« Winterberger wies mit dem Daumen lässig über die Schulter. Er war zurückgekommen und begann nun, sich für den Besenschrank zu interessieren. Er öffnete ihn und musterte den Inhalt.

      »Also gut.« Bärhalter stieß sich von der Anrichte ab. »Ich gebe zu, für einen Durchsuchungsbefehl reicht es nicht. Aber sollten wir noch einen kleinen Anhaltspunkt finden, dass Sie irgendwie in diesen Fall verstrickt sind, ich schwöre Ihnen, dann krempelt mein Kollege Ihnen tatsächlich die Wohnung um. Dafür zieht er sogar die Stiefel aus.«

      Winterberger warf breit lächelnd den Kopf zurück wie ein wieherndes Pferd und schob hinter Bärhalter ab zur Wohnungstür. »Und vergessen Sie nicht«, schrie Bärhalter durchs Treppenhaus. »Wir behalten Sie im Auge.«

      8

      Derintop stand am Jägerzaun und sah die offene Terrassentür. Er lächelte. Da er nicht wusste, ob sich Anna Lochner womöglich im Wohnzimmer aufhielt, ging er diesmal nicht schnurgerade auf das Haus zu, sondern entlang des Zauns an einer Reihe von Rhododendren vorbei.

      Er trug Jeans und ein blütenweißes Rüschenhemd, das sich eher dazu eignete, bei der Hausbank Eindruck zu machen. Derintop drückte sich gegen die Rückwand, schob seine Sonnenbrille auf die Stirn und lugte durch das große Fenster in das Wohnzimmer. Niemand da. Vermutlich war Anna Lochner oben.

      Derintop zögerte nicht und glitt durch die Terrassentür ins Wohnzimmer. Er zog die Schuhe aus und stellte sie sorgfältig unter der Heizung auf dem Laminatboden ab. Es waren schwarze Halbschuhe mit einer runden Verzierung auf dem Rist und angedeuteten Schnürsenkeln. Er schlich auf weißen Socken zur Tür gegenüber und lauschte. Er glaubte, oben Schritte zu hören und überlegte einen Moment, wie er verfahren sollte: erst im Wohnzimmer suchen oder gleich nach oben.

      Er schaute sich um. Das war kein gewöhnliches Wohnzimmer, fand er. Er vermisste den obligatorischen Schrank, der eine ganze Wand einnahm. Stattdessen Regale mit Büchern und allerlei Schnickschnack aus fremden Ländern. Vor dem großen Fenster eine Sitzgruppe, ein niedriger Tisch, eine offene Vitrine, jedoch nichts, wo man ein Versteck vermuten würde. Alles irgendwie offen. Derintop drückte die Klinke. Er sah vor sich den Treppenaufbau, drüben die Haustür und zog sich geduckt am Geländer die Stufen hoch. Noch vor dem oberen Treppenabsatz sah er am Ende des Flurs eine offene Tür und hörte, wie ein Ordner in ein Regal zurückgestellt wurde.

      Derintop grinste wieder. Er richtete sich auf und spazierte ohne Umstände in das Zimmer: »Merhaba! Frau Lochner. Ich nehme an, Sie erinnern sich nicht mehr.« Anna Lochner war am Schreibtisch zusammengezuckt. Sie trug ein biederes, rosafarbenes Hemd und einen langen, grauen Rock und saß in einem rollbaren Bürostuhl. Sie hatte den Rücken gekrümmt, hielt beide Hände vor den Mund, als müsse sie ihren Schrei auffangen, und sah Derintop aus roten Augen entsetzt an. Der war sofort bei ihr, rollte den Stuhl mit Wucht gegen die Zimmerwand und stützte sich schwer auf die Armlehnen. Er roch nach Rosenwasser.

      »Mein Gott, was wollen Sie? Wer sind Sie?«

      »Wir haben uns schon mal gesehen. Jedenfalls ich Sie, Frau Lochner. Ich sage nur: Wettbüro. Viele viele Türken.« Derintop beschrieb mit dem rechten Arm einen Bogen. »Und dazwischen Ihr Mann. Beim Glücksspiel.« Derintop setzte den Zeigefinger unter sein rechtes Auge und zog die Haut etwas herab.

      Anna Lochner schaute zwischen die Beine Derintops auf den Laminatboden. Sie hatte keine Chance aus der Ecke herauszukommen.

      »Jaha, Glücksspiel. Und Frau Lochner war verdammt unglücklich darüber.«

      »Bitte, tun Sie mir nichts, ich …«

      »… und hat ihm eine Szene gemacht und ihn mitgenommen wie einen Schuljungen. Leider aber …«, Derintop griff mit der linken Hand in das splissige Haar und ruckte ihren Kopf hoch. »Leider hat der gute Mann aber später weitergespielt. Konnte es einfach nicht lassen. Tage später. Im Hotel. Wissen Sie das?« Derintop schrie sie plötzlich an und stieß ihren Kopf gegen die Wand. Anna Lochner weinte. Tränen liefen ihr über das Gesicht. Derintop atmete dicht über ihr. »Sie wissen das, ja? Und Sie wissen auch, dass er meinen Bruder auf dem Gewissen hat.« Er schlug mit der flachen Hand zu. »Und dass er das Geld genommen hat.« Wieder ein Schlag. »Und Sie wissen auch, wo er es versteckt hat!« Noch ein Schlag.

      Anna Lochner hielt die Hände schützend vor das Gesicht.

      »Na los, wo ist es? Sagen Sie es, und ich lasse Sie in Ruhe.«

      »Ich weiß es doch nicht. Wirklich nicht!«

      Derintop packte Anna Lochner mit beiden Händen am Hemdkragen, ruckte sie hoch, sah ihre roten Augen, das Haar, das ihr in Strähnen ins Gesicht fiel, und ließ sie zu Boden fallen. Ihre Unschuld wirkt ehrlich, stellte er sachlich fest.

      »Aber Sie wissen, wo ich hier Schnüre finde, was? Paketschnüre!« Er sah das schwarze Telefonkabel über den Boden schlängeln, riss es aus der Steckdose und kniete sich über Anna Lochner. Die starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. »Sie waren das. Sie haben meinen Mann erschossen!«

      »Vielleicht. Vielleicht ist mir auch jemand zuvorgekommen. Aber es macht keinen Unterschied.« Derintop arbeitete ruckartig, drehte ihre Arme auf den Rücken und zog die Schnur um ihr Handgelenk fest. »Ich suche jetzt nicht nach Klebeband. Wir können uns das ersparen, wenn Sie den Mund halten. Ich schaue mich ein wenig um, und dann sehen wir weiter. Okay? Teekkür ederim. Danke schön.«

      Anna Lochner blieb regungslos liegen. Derintop erhob sich und ging aus dem Zimmer die Treppe hinunter.

      Derintop suchte. Er suchte im Wohnzimmer, im Arbeitszimmer, in der Küche, zog

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