Rubine im Zwielicht. Dieter Jandt

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Rubine im Zwielicht - Dieter Jandt Mord und Nachschlag

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gewohnt ist. Wegen mir klingle unten an, wie das mit ein paar frischen Orangenscheiben aussieht. Das Zimmer geht sowieso auf deinen Namen, ich hab das so angeleiert. Sag einfach Derintop, dann wissen die Bescheid.«

      »Das Restaurant hat doch längst geschlossen.«

      Lochner kicherte vornübergebeugt. Es war eher ein Kichern durch die Nase, und ein paar Kokain-Krümel rutschten über die Tischplatte. »Hakan, wie wir ihn kennen. Immer bescheiden. Ich sag dir, so kommst du zu nichts. Du musst aus den Leuten rausholen, was nur geht, sonst kriegst du am Ende gar nichts. Soll dieser Nachtheini an der Rezeption doch zusehen, wo er die Orangen herkriegt.« Hakan hatte inzwischen die beiden sechseckigen Gläser, die neben dem Spielbrett auf dem Tisch standen, gefüllt – fast bis zum Rand. Er hörte jetzt, wie Lochner mit einem kurzen, heftigen Zug Kokain durch den Geldschein einsog. Hakan sprang auf und stellte sich neben Lochner.

      »Ich hab dir auch gleich eine Line langgezogen. Wenn du sowas machst, sieht das immer aus wie ein Schlachtfeld. Wahrscheinlich zu gierig.« Hakan griff nach dem Geldschein, der zusammengerollt auf dem Tisch lag, aber Lochner kam ihm zuvor: »Ja, wer wird denn gleich! Immer auch an die Hygiene denken. Als hätte er nicht selbst genügend Scheine.« Hakan ging schnell hinüber zum Spieltisch und zog einen Schein von seinem Geldstapel. Lochner folgte ihm, griff nach dem Glas, trank einen kleinen Schluck und lümmelte sich in den Ledersessel. Er hörte, wie Hakan zurückging und hinter ihm mit einem tiefen Zug das Kokain einsog, die Luft möglichst lange anhielt, als würde er es inhalieren, und dann wieder ausatmete.

      »So, komm, keine Zeit verlieren. Jetzt kommt die Wende.« Lochner baute die dunklen Steine in seinem Homeboard auf. Die beiden spielten weitere Stunden, setzten mit raschen Bewegungen ihre Steine auf dem Brett, Lochner tat das mit gesteigerter Arroganz, dem es nichts auszumachen schien, dass Hakans Geldstapel wuchs. Die Flasche Wodka wurde leer. Hakan zeigte einen irren Glanz in den Augen. Die Abstände, in denen die beiden Kokain schnupften, wurden geringer.

      »So kommen wir nicht weiter.« Lochner warf sich in seinem Sessel zurück. Aus seiner schwarzen Herrentasche, die neben ihm auf dem Beistelltisch lag, zog er eine Einwegspritze hervor, eine gelbe Plastikflasche Zitronensaft, ein weiteres Briefchen, in dem vermutlich weiteres Pulver steckte. »Hast du schonmal was von nem Cocktail gehört?« Hakan schüttelte den Kopf und starrte beinahe ehrfürchtig auf das Papier. »Nein? Koks und Heroin, die geilste Mischung, die dir jemals untergekommen ist. Sag ich dir.«

      »Ja, aber spritzen?«

      »Anders bringt‘s das nicht. Das Zeug muss direkt ab ins Blut. Das eine wie das andere. Und zwar gleichzeitig. Wenn du das erst über die Nase nacheinander einnimmst, oh Mann, it takes ages. Nein, das muss gleichzeitig ankommen. Hier.« Lochner hielt die Spritze hoch und schnipste mit dem Zeigefinger dagegen, als sei sie schon gefüllt. »Mach dir keine Sorgen, ich richte alles an. Du kannst ja in der Zeit den Nachtwächter beschäftigen. Frag ihn, wo der Wodka bleibt.«

      Lochner ging wieder zum großen Tisch am Fenster. Es war kaum Verkehr auf der breiten Straße unter ihm.

      »Mensch, Lochner, es ist halb fünf. Da gibt es nichts mehr.«

      Hakan blieb auf seinem Stuhl sitzen und beobachtete, wie Lochner das Kokain auf einen Esslöffel gab, Wasser darüber träufelte und Zitronensaft. Dann hielt er die Flamme des Feuerzeugs unter den Esslöffel und kochte das Kokain auf. Die Unterseite des Löffels wurde schwarz. Er zog die Flüssigkeit mit der Spritze auf, legte sie beiseite und trocknete den Löffel mit einem Ende des Vorhanges. Seine Bewegungen waren flink und sicher. Er nahm ein zweites Briefchen, faltete es auseinander und tackerte das Heroin mit der Rasierklinge klein. Dann schabte er es mit der Klinge auf den Löffel. Dieselbe Prozedur wie mit dem Kokain. Lochner zog auch diese Flüssigkeit in die Spritze, hielt sie vor das Gesicht und schnippte mit dem Zeigefinger dagegen, um Luftbläschen aufsteigen zu lassen.

      »Was ist? Ärmel hoch.«

      »Beide?«

      Lochner kicherte. »Quatsch. Kriegst wohl nie genug, was? Hat überhaupt keine Ahnung, der Mann. Wie viele Spritzen siehst du hier in meiner Hand. Zwei?« Lochner dirigierte Hakan hinüber zum breiten Bett, auf dem eine schwere, weiße Tagesdecke ausgebreitet lag. »Mach es dir gemütlich. Ich zeige dir jetzt, wie das geht. Zuerst mal brauchen wir deinen Gürtel.

      »Muss das sein?«

      »Sicher muss das sein. Meinst du, ich will zusehen, wie du dir stundenlang in den Venen rumstocherst?«

      »Wieso ich? Ich hab das noch nie selbst gemacht.« Hakans Gesicht zeigte eine Mischung aus Angst und Neugierde. Zögernd zog er den Gürtel ab. Der Büffelkopf schlug gegen die Bettkante.

      »Mein Gott, ein schwereres Exemplar konntste dir wohl nicht aussuchen, was? Na, gib schon her.«

      Hakan blieb am Rand des Bettes steif im Hohlkreuz sitzen. Über ihm hing an der Wand ein Ölgemälde mit Landschaftsmotiv: Irgendwelche Bauern stocherten mit Mistgabeln im Stroh herum. Lochner band Hakan den rechten Oberarm ab. Der Büffelkopf hing schwer herunter.

      »So, und jetzt kommt dein Einsatz. Mach ein paar Mal kurz hintereinander eine Faust, und dann suchst du dir in aller Ruhe eine schöne Vene hier in deiner Armbeuge.« Hakan befolgte Lochners Answeisungen. »Sieht ja gar nicht so schlecht aus. Kann man ja fast reinwerfen die Spritze. So, und jetzt stichst du einfach rein und ziehst die Spritze vorsichtig ein wenig zurück. Wenn Blut kommt, hast du gewonnen, dann kannst du das Zeug reinpumpen. Hast du kapiert?«

      Hakan nickte. Er nahm die Spritze aus Lochners Hand. »Und? Was ist mit dir? Willst du denn nicht?«

      »Türken haben den Vortritt.«

      Lochner sah, wie Hakan zögernd die Spritze ansetzte. Es funktionierte. Der Typ schien gar nicht so blöd zu sein. Blut lief in die Kanüle, Lochner löste den Gürtel, und Hakan stach langsam zu, bis zum Anschlag.

      »So, und jetzt ziehst du noch einmal kurz zurück und stichst wieder zu, und das isses dann.«

      Hakan nickte. Als er fertig war, zog er die Spritze aus dem Arm und reichte sie Lochner.

      »Und jetzt leg dich ein bisschen hin, ein paar Sekunden.« Hakan sank auf die Tagesdecke. Er atmete schwer. Schweiß perlte auf seiner Stirn. Lochner wischte ihm mit einem Papiertaschentuch das Blut aus der Armbeuge. »Na, was sagen wir dazu?«

      Hakan sagte gar nichts mehr. Mit einem Ruck bäumte sich sein Oberkörper auf und fiel wieder zurück. Er schnappte hektisch nach Luft, bäumte sich wieder auf, fiel zurück.

      »Heh, mach kein Scheiß!«

      Nach einer Minute machte Hakan gar nichts mehr. Er lag reglos auf der Tagesdecke, den rechten Ärmel des violetten Hemdes hochgekrempelt, der schwere Büffelkopf hing über die Bettkante herunter.

      Lochner stand auf und starrte einen Moment entgeistert auf den leblosen Körper. Dann drehte er sich abrupt um und begann, in aller Eile seine Utensilien einzusammeln, die Spritze, die Briefchen, sein Geld, die Herrentasche. Das Tavla-Spiel konnte liegen bleiben, es gehörte Hakan. Die Gläser, den Tisch und was nicht alles abzuwischen, machte keinen Sinn, er würde jetzt nicht stundenlang hier herumputzen. Lochner ging zur Tür. Er blieb noch einen Moment stehen, hielt die Klinke in der Hand, und schaute ungläubig auf das Bett. Hakan hielt die Augen weit geöffnet und starrte leer gegen die Zimmerdecke. Lochner riss die Tür auf, Hakans Jacke wurde durch den Luftzug leicht am Kleiderhaken bewegt.

      Als Lochner aus dem Fahrstuhl trat, hatte er sich wieder gefasst. Ein schläfriger Portier mit Glatze und grauem Haarkranz saß an der Rezeption und nickte ihm hinterher, wie er

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