Reisch un berümp!. Reiner Hänsch

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Reisch un berümp! - Reiner Hänsch

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sein, dass das schon das Ende dieser Geschichte bedeutet, weil ich dieses Kapitel gar nicht überlebe.

      „Was willst du, du Vollpfosten?“, schnauze ich ihn an, was ziemlich mutig ist, denn Ronny ist echt gefährlich und nicht alleine. Er hat seine ganze Steinzeitlertruppe mitgebracht, die hohl grinsend um ihn herum steht. Wir nennen sie die Schlieper-Gang. Benannt nach der abgewrackten Siedlung, in der sie alle wohnen. Alle sind schon seit vielen, vielen Jahren in der siebten oder achten Klasse der Ede-Kowalski Hauptschule und kommen irgendwie nicht weiter.

      Ich schaffe es gerade noch, mich zu bücken, sodass sein Schlag mir nur die Brille vom Kopf haut. Leider komme ich dabei aus dem Gleichgewicht, tappe halb blind herum – und trete dann auch noch voll drauf. Auf die Brille. Knirsch. Fuck! Sagt man nicht, ich weiß, aber in dem Fall … Ein Bügel ist verbogen und ein Glas gesprungen – naja, nur ein Glas. Unter den Blinden ist der Einäugige … das kennt man ja.

      Verdammt blöde Situation!

      Und ich habe ja so wenig Erfahrung mit Gewalttaten und habe auch kein Interesse, auf diesem Gebiet irgendwelche Fortschritte zu machen. Also entscheide ich mich für einen verbalen Gegenschlag. Viel anderes bleibt mir ja auch gar nicht übrig.

      „Tach, Ronny, wieder mal frustriert heute?“

      Die Frage gefällt ihm gar nicht. Er schnauft und der Boden unter uns zittert. Ich spüre, wie Ronny sich langsam, ganz langsam aufpumpt. Zentimeter für Zentimeter wird er größer und größer und er ist sowieso schon ziemlich groß. Und dick.

      Gleich platzt er.

      Ronny Prosocha. Boah, was bist du lästig.

      Wahrscheinlich ist er ein ganz bedauernswerter Kerl, mit dem man eigentlich ’ne Menge Mitleid haben sollte. Hab’ ich aber nicht. Er geht allen furchtbar auf die Nerven, und alle gehen ihm so gut es geht aus dem Weg, weil er nämlich ganz übel zuhauen kann, wenn man ihn reizt. Und reizen kann man ihn ganz einfach. Wahrscheinlich fühlt er sich jetzt gerade gereizt, weil er nicht genau weiß, was ’frustriert’ heißt.

      Ich muss also etwas vorsichtig sein.

      Ronny runzelt seine viel zu niedrige Stirn und zieht die wilden Augenbrauen bedrohlich zusammen. Sicherlich hat er einen komplizierten genetischen Defekt oder er hat zu wenig Sauerstoff bei der Geburt bekommen, Nabelschnur um den Hals, Steißlage, Zangengeburt … man hört da ja so einiges. Bis heute hat es die Wissenschaft offensichtlich auch nicht fertig gebracht, diese geheimnisvolle Krankheit, oder wenigstens Ronny „Rexona“ Prosocha, in den Griff zu kriegen. Vielleicht hat man auch einfach vergessen, ihn zu behandeln.

      Da!

      Auf ein kurzes gefährliches Kopfnicken des dummen Ronny hin und noch ehe ich überhaupt überlegen kann, ob zuerst Zuhauen nicht vielleicht doch besser wäre, packen mich auch schon die schmutzigen Hände seiner Dreckskerle und zerren mich in die Nische zwischen Knoches Laden und Optiker Heimann direkt hinter das Schild mit der Aufschrift:

      ’Kannste mal sehen – Neue Brille von Heimann!’

      Also, weg vom Dorfplatz, wo ja aber sowieso keiner ist, der uns sehen könnte. Unser kleines Kaff ist heute wie ausgestorben. Obwohl es erst Mai ist, ist es schon so heiß, dass wahrscheinlich alle im Schwimmbad sind.

      Auch Frau Andernach, die das kleine Büdchen - Leute von weiter weg sagen auch Kiosk - mitten auf dem Dorfplatz betreibt, hat zugemacht.

      Kleines verdientes Päuschen.

      „Machst ’n hier? W’s glotz’n da ins blöde Schaufenster vom doofen Knoche, du Opfer?“, würgt Ronny Rexona aus seinem breiten Maul heraus - er riecht etwas nach Zigaretten - und dreht mir ziemlich gekonnt und schief grinsend den Arm um - seine besondere Spezialität, die ich schon mal kennenlernen durfte.

      „Kannste dir denn wat kaufen, Opfer? Haste Jeld? Zeisch ma’!“

      Und dabei rückt er jetzt gefährlich näher. Wirklich unangenehm. Er quetscht seinen fetten Bauch gegen meinen und drückt mich mit dem Rücken an die Mauer. Das ist gar nicht schön. Der Rest der Gang steht blöd grinsend rum.

      „Ich hab’ kein Geld. Haut ab, ihr Gehirnamputierten!“, keuche ich, jetzt doch langsam in eine gewisse Panik geratend. Es wird immer handgreiflicher und da bin ich eben leider, wie schon gesagt, nicht so richtig gut. Naja, und Ronny redet eben nicht so gerne.

      Am liebsten gar nicht. Und so greift der stirnrunzelnde Ronny einfach blitzschnell in meine Hosentasche, versinkt mit dem halben fleischigen Arm darin - ich darf noch kurz seinen stümperhaften Versuch einer selbst tätowierten Schlange bewundern - und findet aber nur zwei Gitarrenplektrons, die ich immer bei mir habe.

      Den Fünfziger findet er im Leben nicht. Der ist unten in meinem rechten Schuh todsicher versteckt.

      „Wo haste denn dein Jeld, Opfer?“, pustet der dicke Ronny mich an und reißt an meinem T-Shirt vom Niederrhein-Kurier, das an den Nähten leicht einreißt.

      „Hab’ kein Geld. Lass mich los! Du stinkst!“

      Ich muss besser aufpassen, was ich sage. Wütend nimmt Ronny jetzt meine Schultasche und kippt sie mit einer großen Geste vor meinen Füßen aus. Oh, Mann!

      Auch das noch.

      „So“, sagt er dann einigermaßen befriedigt mit kurzem „O“ und ich stelle fest, dass es ihm jetzt wirklich etwas besser zu gehen scheint. Na, toll. Dann rückt er noch mal näher an mich ran und sagt: „Lühsch misch nisch an!“, nimmt seine rote Kappe ab und wischt mit dem Handrücken den heftig strömenden Schweiß von seiner Stirn.

      „Zieht ihn ma’ hier rübber!“, befiehlt er seinen Steinzeitochsen und die packen mich an den Füßen und zerren mich noch weiter in die Lücke zwischen den Häusern. Leider verliere ich dabei den rechten Schuh.

      „Ha!“, blökt Ronny, „Da! Haste ja doch Jeld!“

      Und dann schnappt er sich meinen schwer verdienten Fünfziger, der ganz unschuldig aus dem Schuh gesegelt ist, hält ihn triumphierend hoch und die ganze Schliepergang jault vor lauter Freude dazu.

      „Fünfzig Ocken!“, raunzt Ronny voller Ehrfurcht. Und dann sagt seine Meute: „Boah!“

      Und dann grinst er mich wieder schief an.

      „Gib mir sofort meine Kohle wieder, du Drecksack!“, fauche ich ihn an und springe, für alle überraschend, auf, um ihm den Schein wieder zu entreißen. Aber da schnappen mich schon die Schliepers und ehe ich mich überhaupt irgendwie wehren kann, habe ich eins, zwei oder auch dreiundzwanzig ihrer dreckigen Knie im Bauch und sinke mit einem dumpfen „Mmmpf“ wieder in der finsteren Lücke zwischen den beiden Häusern zusammen.

      Im Fallen ist es mir doch glatt noch gelungen, mit der Stirn einen Vorsprung in der Mauer mitzunehmen, bevor ich dann auf einem Kellerrost neben dem Hintereingang von Knoches Laden zu liegen komme. Einmal Überfall mit allem, bitte! Doppelte Portion! Extra Blut dabei? Ja, bitte! Für Zuhause, oder gleich hier? Gleich hier!

      Etwas Blut tropft neben mir auf’s Pflaster.

      Und dann knallt es.

      Eine gewaltige Explosion dröhnt zwischen den Häuserwänden und ein glitzernder, bunter Funkenregen fällt auf mich herab. Es sieht eigentlich sehr schön aus.

      Ich bin also wahrscheinlich

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