Liebesheilung: 7 Arztromane großer Autoren. A. F. Morland

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Liebesheilung: 7 Arztromane großer Autoren - A. F. Morland

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das waren möglicherweise gemütsarme Menschen. Oder abgebrühte Zeitgenossen.

      Ein Pfleger tauchte endlich auf, schnupperte und blickte zurechtweisend.

      „Meine Frau!“, murmelte Walter dumpf. „Sie haben sie schon so lange da drin.“

      Den Pfleger kümmerte es nicht.

      „Rauchen bei den Aufzügen“, erwiderte er lakonisch und verschwand hinter einer Tür.

      Die Schwester kam wieder zurück, diesmal gemessen. Und ohne den silberglänzenden Behälter. Nur erkannte Walter sie zu spät.

      Zwar rannte er ihr nach, versuchte sie vor den gläsernen Türen einzuholen, die den Bereich des OP markierten, aber da schwangen schon die Flügel vor ihm zu. Und drinnen baute sich ein anderer Pfleger auf, der mindestens doppelt so breit in den Schultern war wie er.

      Er hatte Aufsehen erregt, und jetzt behielten sie ihn im Auge, damit er nicht plötzlich in die geheiligten Räume vordrang – verständlich.

      Er rieb sich die schweißnassen Hände an der Hose ab, zog die Krawatte noch weiter auf, die schon auf Langstreckhang zwischen Hals und Bauch baumelte, und verspürte das dringende Bedürfnis, einen Schrei auszustoßen. Weil er hoffte, dass ihm danach besser war.

      Die fernen Geräusche der Klinik drangen wie Signale einer anderen Welt an seine Ohren.

      Türen klappten, Schritte hallten, ganz vorne gingen zwei Schwestern den Quergang entlang und verschwanden wieder.

      Raus hier! Oder er wurde verrückt!

      Er lief los. Die Aufzüge waren unterwegs.

      Frische Luft!

      Die Fenster ließen sich nicht öffnen.

      Wie von Sinnen stürzte er zum Treppenhaus und lief die Stufen hinunter.

      Erstaunt blickten ihm Leute nach.

      Endlich war er unten und atmete tief die Luft ein. Langsam wurde er ruhiger, gewann die Kontrolle über sich zurück und schämte sich fast, dass er sich wie ein Verrückter aufgeführt hatte.

      Mit einem Mal verstand er solche Leute viel besser, die plötzlich durchdrehten. Scheinbar durchdrehten. Man sah ja keinem an, was in seinem Inneren vorging.

      Er kaufte sich eine Schachtel Zigaretten und steckte sich ein Stäbchen an. Das dreißigste, das vierzigste? Er hatte nicht gezählt.

      Nur einen schalen Geschmack spürte er im Mund.

      Sein Blick fiel auf die Telefonautomaten. Die Gönneweins! Tina! Er musste anrufen, musste eine plausible Erklärung geben und darum bitten, dass sie die Kleine noch bei sich behielten, bis er wusste, wie es weiterging.

      Mit zitternden Fingern wählte er. Die Nachbarin hob ab. Und sie platzte fast vor Neugierde.

      „Ein Notfall“, erklärte Walter heiser. „Wir sind hier in Bonn.“

      „Ist etwas passiert?“ Im Hintergrund kläffte der Hund der Gönneweins, und Tinas Stimme klang lustig und lebendig dazwischen.

      „Das möchte ich am Telefon nicht erörtern, Frau Gönnewein. Bitte, können Sie Tina noch bis zum Abend bei sich behalten? Ich hole sie dann ab.“

      „Was ist mit Ihrer Frau?“

      „Das erzähle ich Ihnen.“

      „Möchten Sie Tina haben?“, fragte sie eingeschnappt.

      „Bitte!“

      „Hallo, Papi. Wo bleibt ihr denn so lange? Bringt ihr mir auch was Schönes mit?“

      Er spürte ein Kratzen in der Kehle. „Ganz bestimmt. Sei schön lieb. Was macht der Hund?“

      Sie ließ sich nicht ablenken. „Kann ich die Mami mal haben?“

      „Das geht nicht, mein Schatz. Mami ist gerade beim Doktor. Du, ich muss auflegen. Hier wollen auch andere Leute telefonieren. Tschüs, und benimm dich.“

      „Mach’ ich doch immer“, behauptete sie. Nur klang es nicht sehr überzeugt.

      Er legte auf und wischte sich die Hände ab.

      Wie bringe ich das bloß Tina bei?, überlegte er. Was mach’ ich, wenn ...?

      Wieder spürte er die Verzweiflung. Aber im Ohr hatte er noch die Kinderstimme.

      Finster starrte er den Telefonautomaten an.

      Ablenkung! Auf andere Gedanken musste er kommen, sonst wurde er noch trübsinnig. Die gute Olga!

      Er warf Münzen ein und wählte. Olga Finkenschläger hob am anderen Ende ab. Sie besaß eine Amtsleitung, ihre Gespräche liefen nicht über die Zentrale.

      „Sie, Herr Becker?“, staunte die treue Seele. „Den ganzen Tag schon versuche ich, Sie zu Hause zu kriegen? Wo sind Sie?“

      „Auswärts. Ich möchte jetzt nicht darüber sprechen. Ich will nur Ihre Stimme hören.“

      „Na, da sind Sie aber ziemlich zu Boden gegangen“, sagte Olga. „Sind Sie für eine erfreuliche Nachricht empfänglich?“

      „Ich habe Trost und Aufmunterung bitter nötig.“

      „Dann halten Sie sich gut fest. Der Verkauf hat den Kentenich abgeschossen. Heute Morgen um zehn. Jemand hat seinen Schreibtisch umgewühlt, und da soll was von der Konkurrenz gefunden worden sein, munkelt man. Genaueres weiß ich noch nicht. Deshalb hat er sich wegen der Wärmepumpen dauernd quergelegt. Dem Verkauf kam das jetzt spanisch vor, und da ist’s passiert.“

      „Ach du meine Güte! Und jetzt, Olga?“

      „Ihr Fehlen heute hat Aufsehen erregt, aber im hektischen Trubel um Kentenich ist das untergegangen. Er hat unter Drohungen von wegen Arbeitsgericht und so das Haus verlassen. Die Chefetage hat Hausverbot gegen ihn erteilt. Zumindest so lange, bis die Untersuchungen abgeschlossen sind. Ich hab’ mir ein Glas aus Ihrer Besucherpulle genehmigt. Das musste ich doch feiern.“

      „Das war es auch wert. Olga, es ist möglich, dass ich auch morgen nicht komme. Rufen Sie bitte nicht an. Eine familiäre Angelegenheit.“

      „Dann reiche ich Urlaub für Sie ein. Es sieht besser aus. Wann ist mit Ihnen wieder zu rechnen?“

      „Schwer zu sagen. Ich melde mich wieder.“

      „Grüßen Sie Ihre Frau. – Hat der Blumenstrauß nicht geholfen?“

      Heiß stieg es ihm in die Kehle.

      Er legte einfach auf. Und erst dann begriff er, wie unhöflich er an seiner treuen Mitarbeiterin handelte.

      Wenn er ihr es erklärte, würde sie ihn schon verstehen.

      Der Kentenich raus!

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