Dunkle Seite - Mangfall ermittelt. Harry Kämmerer

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Dunkle Seite - Mangfall ermittelt - Harry Kämmerer

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den Gesuchten aber doch noch: auf Fotos der Homepage einer politischen Vereinigung in München. Die BMB, die „Besorgten Münchner Bürger“, eine rechte Protestpartei.

      Josef kennt die BMB bislang nur vom Hörensagen. Das ist die dunkle Seite der Politik. Jetzt hat er zumindest einen Anhaltspunkt, warum sich der Staatsschutz in den Fall einmischt. Klar, die sind an der rechten Szene dran. Aber welche Rolle spielte Carsten Wiesinger bei dieser Partei? War er ein strammer Rechter, der beobachtet wurde? War er ein Informant? Oder gar ein V-Mann? Alles pure Spekulation. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass Wiesinger Opfer eines simplen Unfalls mit Fahrerflucht ist, geht für Josef gegen Null. Er grübelt weiter. Könnte es ein Attentat gewesen sein? Von radikalen Linken? Oder ist Wiesinger als V-Mann aufgeflogen und ein Opfer von Rechten, denen nicht geschmeckt hat, dass er sie ausspioniert? Josef informiert sich genauer über die BMB und stellt fest, dass diese inzwischen eine feste lokalpolitische Größe sind. Mit guten Chancen, bei der nächsten Kommunalwahl ein zweistelliges Ergebnis einzufahren. Er staunt. Diese politische Entwicklung hat er verpennt. „Nicht gut, wenn man in der eigenen Stadt nicht Bescheid weiß“, murmelt er.

      Er recherchiert weiter, liest über die großen Erfolge der Partei mit ihrem radikal konservativen Programm. „Wenn das eine heimatliche Politik sein soll, na danke! Eklig“, findet Josef nach der Lektüre des Parteiprogramms. Neben einigen verständlichen Kritikpunkten an der zum Teil verfehlten Sozialpolitik der Stadt beinhaltet das Programm an vielen Stellen offene Stimmungsmache gegen Ausländer und Flüchtlinge. Und natürlich die Forderung nach einer Asylobergrenze. ‚Damit sind sie zumindest nicht alleine‘, denkt Josef. ‚Was es aber nicht besser macht.‘

      Als er den Computer runterfährt, fühlt er sich irgendwie beschmutzt, klebrig, ungut. So als wäre er auf Pornoseiten unterwegs gewesen. War er noch nie. Vielleicht sollte er das einfach mal machen, um zu wissen, was los ist in der Welt da draußen. Nein, das macht er nicht, er sieht schon genug Dreck im echten Leben.

      Genug für heute. Er beschließt, zu Fuß heimzugehen, um seinen verwirrten Kopf ein bisschen auszulüften. Vielleicht findet er unterwegs noch einen offenen Blumenladen? Könnte er seiner Frau eine Freude machen. Er sieht auf die Uhr. Es ist kurz nach acht. Keine Chance. Am Hauptbahnhof? Aber da lungern jede Menge unguter Typen rum, verchecken Drogen, warten auf Gelegenheitsjobs aller Art. Hat er jetzt keine Lust drauf. Kein Wunder, wenn die Leute nach mehr Sicherheit schreien und sich einreden lassen, dass das etwas mit der Flüchtlingssituation zu tun hat. Ist das die Logik? Am Hauptbahnhof waren schon immer unangenehme Leute aus aller Herren Länder. Ach, er weiß es doch auch nicht. Nein, heute keine Blumen mehr für seine Frau. Einfach möglichst schnell nach Hause.

      Feindbild

      Am nächsten Morgen unterrichtet Josef seine Kollegen über seine Nachforschungen zu Carsten Wiesinger. Und über die BMB. Der einzige im Team, der die Gruppierung näher kennt, ist Harry. ‚Kein Wunder‘, denkt Josef, denn er kennt Harrys politische Haltung – links, ökologisch, antifaschistisch. Die Partei stellt ein klares Feindbild für ihn dar.

      „Das ist eine der vielen kleinen nationalkonservativen Protestparteien, die diese elende Neiddebatte schüren“, erklärt Harry gerade. „Dass uns die Flüchtlinge alles wegnehmen und wir kriegen nix. Dass der Islam eine Gefahr für Deutschland ist. Dass mit den Flüchtlingen der Terror kommt. Diese ganzen Sprüche.“

      „Ja, klar, wir schaffen das“, murmelt Karl und sieht ihn genervt an.

      Harry reagiert darauf nicht, sondern fährt fort: „Die BMB haben als Partei großen Zulauf, weil viele Leute denken, dass mit den Flüchtlingen die Kriminalität in der Stadt stark gestiegen ist, dass der eh schon überteuerte Wohnraum in München noch knapper wird und so weiter und so fort.“

      „Naja, ein bisschen was ist da auch dran“, sagt Karl. „Warst du in letzter Zeit mal am Hauptbahnhof? Hordenweise junge Männer, viele Afrikaner.“

      „Ach komm, am Bahnhof war schon immer kriminelles Gesocks.“

      „Ja, red dir das mal alles schön.“

      „Ruhe, Jungs!“, geht Josef dazwischen. „Was meinst du, Christine?“

      „Ich weiß es nicht. Du glaubst also, dass Wiesingers Tod irgendwas mit den BMB zu tun hat?“

      „Ja, irgendwie schon. Wir haben ja sonst keinerlei Hinweise. Und dann ist da seine komplett ausgeräumte Wohnung. Also, er war ja schon ausgezogen. Wir haben keine neue Meldeadresse von ihm. Ich hab starke Zweifel, ob der Tote im echten Leben wirklich Carsten Wiesinger hieß. Ich hab recherchiert. Es gibt eine ganze Reihe von Leuten, die so heißen. Sollen wir jetzt alle überprüfen, um rauszufinden, ob da irgendwo eine Leerstelle entstanden ist? Der Aufwand ist zu groß. Das einzig Konkrete sind die Fotos von ihm bei Veranstaltungen der BMB. Dort war er offenbar Mitglied. Ansonsten hab ich nichts Näheres über ihn gefunden.“

      Christine nickt nachdenklich. „Wenn Asche uns zurückpfeift, weil der Staatsschutz da seine Finger drin hat, dann ist das vielleicht ein V-Mann.“

      Harry schüttelt den Kopf. „Wenn der vorsätzlich überfahren wurde, von wem denn und vor allem: warum? Die Linken machen so was nicht. Und die Rechten von den BMB? – Weil er ein Maulwurf war? Nein, so weit gehen selbst diese Leute nicht. Die geben sich doch als die netten Nazis von nebenan.“

      Karl sieht ihn stirnrunzelnd an.

      „Na los, Karl, sag was!“, fordert Harry ihn auf.

      „Nette Nazis – dass ich nicht lache! Eine Partei, die in München bei den Kommunalwahlen antritt, ist wohl kaum eine Nazi-Partei. Wenn ich eins dick hab, dann diese blöden Gutmenschenreflexe! Da legt jemand mal den Finger in die Wunde, sagt offen, dass er besorgt ist, ob das noch alles klappt mit dem Zusammenleben mit den Flüchtlingen, mit der Integration, und sofort haben wir eine elende Debatte über Political Correctness am Laufen. Ich hab keine Ahnung, wie die Leute von den BMB wirklich sind, aber ich werd mich schlau machen. Was ich sicher weiß: Wir kommen nicht weiter, wenn wir die gleich zu den Extremen abschieben. Das ist mir zu einfach.“

      „Ja, da hast du nicht Unrecht“, meint Josef. „Also, zwei Aufgaben: Rauskriegen, ob die beiden Toten bis auf den sehr nahen Wohnort noch mehr verbindet, und dann machen wir uns schlau, was diese Besorgten Münchner Bürger so treiben. Was ihre politischen Ziele sind. Welche Personen sich da engagieren. Und das alles bitte lautlos. Asche wird sich denken, dass wir da nicht einfach klein beigeben, aber er will keine Konflikte mit anderen Behörden. Ich werd mal schauen, wer mir bei den BMB was über diesen Wiesinger erzählen könnte. Die haben bestimmt einen Pressesprecher.“

      „Und wenn der Staatsschutz die observiert?“, fragt Harry. „Dann sehen die doch, dass wir an der Sache dran sind. Und dann hauen sie uns auf die Finger.“

      „Dann haben wir Pech. Aber ich glaub nicht, dass die ständig an denen dran sind. Sonst hätte es den Unfall mit Wiesinger doch kaum gegeben. Aber stimmt schon, jetzt sind sie natürlich angespitzt. Wir müssen sehr vorsichtig sein. Also: an die Arbeit!“

      Josef zieht sich in sein Büro zurück. Er grübelt. Er mag es gerne klar. Nicht, was ihre Arbeit im Detail angeht, da fischen sie oft im Trüben. Aber er weiß schon gerne, ob er sich überhaupt in seinem Zuständigkeitsbereich befindet. Falls diese politische Partei in die Todesfälle involviert ist, dann geht das über die Standardmotive hinaus, mit denen sie sich als Mordermittler sonst befassen. Die Frau, die ihren Mann aus Hass ersticht – die hat ein klares Motiv. Sogar die Beweggründe eines Stalkers, der mordet, um sich zu beweisen, um damit eine Kriminalkommissarin zu beeindrucken, die sind für ihn irgendwie nachvollziehbar. Solche Irren gibt es leider immer wieder. Aber eine rechte Partei mit einem unangenehmen Weltbild, das ist doch keine Heimstatt

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