Der neue König von Mallorca. Jörg Mehrwald

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Der neue König von Mallorca - Jörg Mehrwald

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gemischter Background-Chor auf«, feixte Hugo. Plötzlich stand Frau Katzenberger an ihren Tisch. »Hugo, du hier?«

      »Ja, Dani, hallo!«

      Die Katzenberger wandte sich an die zwei Dicken, die wie verrückt Fotos von ihr machten, und bat sie, an einem gerade frei gewordenen Tisch Platz zu nehmen. Sie werde später für ein Extra-Foto mit Menowin Fröhlich vorbeikommen, der heute noch einen Absacker bei ihr nehmen wolle.

      Die zwei standen verunsichert auf, fügten sich aber in ihr Schicksal. Als sie am anderen Tisch saßen, sagte Ernie: »Die Dani is echt gut.«

      »Ich kenne sie seit zehn Minuten. Hat mich ein Fuffi gekostet, den Tisch exklusiv zu bekommen. Dani liebt Geld, sie riecht es. Solche Frauen brauchen nur das richtige Futter. Hat ein lausiges Musikmanagement, die Kleine. Habe ihr einen besseren Deal versprochen. Außerdem könnte ich sie bei Mörtel Lugner für zehn Auftritte in Wien unterbringen. Mörtel steht auf Blondinen. So, jetzt hör mal, Ernie, du musst in die Höhle des Löwen. Hier ist doch nur harmlos Touri, die Luft brennt in der Schinkenstraße am Ballermann. Wenn du Onkel Jürgen packen willst, dann musst du dort überzeugen. Hast du heute schon dein Ballermann-Training absolviert?«

      Ernie nickte. »Von 7 Uhr bis 10 Uhr Menowin Fröhlich mit Pfeifkonzert und Buhrufen bei bester Laune ertragen und dabei mit Grinsen und positiven Bemerkungen das Publikum aufgeheitert.«

      Hugo schnippte mit dem Finger nach dem Kellner. »Sehr gut, ich will keine Menowin-Parodie auf der Bühne. Dich muss man ernst nehmen. Dem Typen von der BILD habe ich versprochen, er darf ein Gratis-Komasaufen auf einer Yacht mit dir veranstalten. Moët bezahlt, und es gibt Bilder mit nackten Groupies. In zwei Monaten stehen wir auf Nummer eins in der Yellow Press, und dann musst du nur noch das sagen, was ich dir aufgeschrieben habe. Glaub mir, die harten Hunde singen auf Malle, und dann wird kassiert!«

      *

      In einer kleinen, aber stetig wachsenden Brauerei im Ruhrpott fasste zu dieser Zeit ein anderer Mann einen Entschluss.

      »Das will ich mir selber ansehen: ›Bierstraße‹, ›Ballermann 6‹, ›Oberbayern‹ – alles!«, rief Brauerei-Chef Dr. Ernst Stefest begeistert, und seine Faust krachte auf die sorgfältig ausgewählte Schreibtischgarnitur aus Teakholz.

      Stefest hatte nie etwas von Aktionen gegen den Gebrauch von Tropenholz in Form von Mobiliar gehalten. Das kam doch von Leuten, die sich so etwas nicht leisten konnten, und ehe sie es riskierten, vor Neid zu platzen, hetzten sie lieber die halbe Welt gegen Tropenholz auf.

      Markus Müller fuhr zusammen. Als neuer Marketingleiter der Schippchen-Brauerei kannte er Stefest erst 15 Tage, allerdings waren das die 15 anstrengendsten Tage seines bisherigen Berufslebens gewesen.

      »Wie meinen Sie das?«, fragte Müller vorsichtig. Am liebsten hätte er gar nichts gesagt, ihn interessierte nicht einmal im Ansatz, was sein Chef zu sehen gedachte. Denn eins war sicher: »Müller, Sie kommen mit!« war der Satz, den er am wenigsten hören wollte, schon gar nicht an diesem Wochenende. Er hatte Maybritt fest versprochen, das gemeinsam geplante Kulturwochenende mit Museumsbesuch und klassischem Konzert diesmal unter keinen Umständen zu gefährden.

      Nun kam die Gefahr direkt aus dem Mund von Dr. Stefest. Der nickte immer noch zustimmend in Richtung Fernsehgerät, als er den für Müller fast schon tragischen Satz formulierte: »Müller, und Sie kommen mit!«

      Müller malte sich schon die schweren Vorwürfe aus, die Maybritt ihm machen würde. Für sie hörten beim Thema Kultur der Spaß und jegliches Verständnis für berufliche Sachzwänge auf. Als Student hatte er noch die gleichen Ansichten vertreten, aber sein Weltbild war durch 14-Stunden-Arbeitstage schnell relativiert worden. Markus begeisterte sich zwar nach wie vor intellektuell, andererseits aber sehnte er sich in dramatischem Ausmaß nach bloßem Nichtstun. Wenn er Maybritt erneut absagte, stünde seine Partnerschaft vermutlich vor dem Ende. Er rief für sich und alle betroffenen Körperteile vorsorglich den sexuellen Notstand aus.

      Müllers Chef brauchte keine privaten Rücksichten zu nehmen. Die Ehe des Brauereibesitzers verlief seit Jahren schon auf nüchternem Niveau, und Frau Stefest verbrachte die meiste Zeit allein in ihrer Villa auf Sylt. Die beiden Söhne zeigten wenig Interesse an den Geschäften der Schippchen-Brauerei. Gelegentlich meldeten sie sich von Partys irgendwo aus der weiten Welt der Schönen und Reichen.

      Der Videorecorder warf die DVD aus, und Dr. Stefest drückte sie Markus in die Hand.

      »Dieses kleine private El-Arenal-Video hat mich inspiriert, mein lieber Müller.« Stefest nannte jeden »mein Lieber«. Das klang vertraulich, war aber nicht so gemeint. Müller hatte bereits nach wenigen Tagen im Brauereibetrieb des untersetzten, etwas korpulenten, aber wieselflinken Dr. Ernst Stefest mitbekommen, dass es neben »mein Lieber« nur noch eine zweite direkte Anrede gab: »So geht das nicht!« Seitdem gab sich der neue Marketingleiter alle Mühe, mit »mein Lieber« angesprochen zu werden, zumal seine Probezeit noch fünf Monate und zwei Wochen dauerte.

      Stefest schoss aus seinem Chefledersessel hoch und baute sich vor der großen Europa-Karte auf, die an der Wand hing. Wenn er nicht so klein gewesen wäre, hätte er seinen Finger direkt auf Mallorca gesetzt. Da aber auf und ab hüpfende Chefs keinen überzeugenden Eindruck bei ihren Angestellten hinterlassen, stellte er nur lapidar fest: »Wir fliegen morgen früh direkt nach Palma, und von dort aus geht’s in ein Hotel nach El Arenal.«

      Müller wurde blass. Er versuchte, die Mitteilung zu ignorieren, doch sein Gehirn spielte nicht mit. Es wollte Stefests Ankündigung nicht als Scherz durchgehen lassen.

      »Sie meinen, wir besuchen den Ballermann?«

      »Was heißt hier besuchen«, pöbelte Stefest stilsicher in Ruhrpottdeutsch zurück, »wir werden uns unter die Trinker mischen, wir werden sie beobachten, mitfeiern und uns ganz genau ansehen, welche Teile der Bier- oder der Schinkenstraße, des Ballermann 6 oder wie sie alle heißen mögen, einen umsatzträchtigen Platz in unserem ›Trink- und Erlebnispark‹ bekommen, in dem wir unsere wunderbaren Produkte ab nächstem Jahr verkaufen; und damit meine ich nicht nur das Bier der Schippchen-Brauerei! Sie müssen eins begreifen: Der Brauerei-Wettbewerb fordert immer mehr Opfer, auf Dauer können wir uns nicht mehr nur auf die gemütlichen Biertrinker verlassen. Die bringen den Grundumsatz, aber mehr nicht. Die Leute wollen unterwegs sein: Ambiente, Erlebnistrinken, Gruppentrinken – das ist der Markt der Zukunft! Da fließen die Hektoliter! In El Arenal leistet man dazu Pionierarbeit. Müller, mir geht’s um die nächsten zehn Jahre der Schippchen-Brauerei. Da darf man nicht zimperlich sein.« Müller suchte nach passenden Formulierungen, um seine Zweifel artikulieren zu können. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren: »Für Maybritt ist jeder ›Ballermann‹ das Ende der Zivilisation … neue Ideen bei besoffenen Deutschen – unmöglich … ich selbst zwischen diesen grölenden und schwitzenden Leibern … alles für den neuen Erlebnispark … Stefest widerspricht man nicht … meine schöne Karriere …«

      Plötzlich riss das Gedankenstakkato, und Markus Müller ergänzte den Vorschlag seines Chefs in festem Ton: »Kompliment, Chef, wie immer direkt und brillant, wann fliegen wir?«

      »Das kann ich Ihnen gleich sagen.« Stefest setzte sich an den Laptop, um nach Last-Minute-Angeboten zu suchen. Das brauchte seine Zeit, und Müller fand Gelegenheit, in Gedanken schon mal den Koffer zu packen. Stefest schien ihm dabei helfen zu wollen: »Und vergessen Sie nicht Aspirin, Sonnenmilch und Strohhut. Wir müssen auch am Tag trinken. Waren Sie schon mal dort?«

      »Neinnn!«, entrüstete sich Müller.

      Sein Chef grinste. Er wusste natürlich genau, dass Markus Müller überhaupt nicht der Typ für den Ballermann 6 war.

      Dieser

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