Der neue König von Mallorca. Jörg Mehrwald
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Читать онлайн книгу Der neue König von Mallorca - Jörg Mehrwald страница 6
Stefest blickte, mit diversen Arbeitspapieren raschelnd, auf: »Mein lieber Markus, welches Produkt würdest du hier an Bord verkaufen, wenn du mit einem Bauchladen durch die Gänge ziehen …?«
Müller fiel ihm schon ins letzte Wort: »Alkohol, Buttons und Gummi-Gimmicks, die etwas mit Sex und Suff zu tun haben.« Stefest hielt anerkennend inne: »Alkohol in welcher Form?«
»Schnaps in kleinen Flaschen«, erklärte Müller nach kurzem Überlegen, »die die Form einer Palme haben, deren Wedel man abdrehen müsste, um an den Schluck ranzukommen. Und ab fünf Flaschen hat der Kunde genug Wedel, um sich einen kleinen Affen leisten zu können. Den bekommt er gratis. Natürlich gibt es viele verschiedene Affen zum Sammeln.«
Stefest nickte: »Das 101-Dalmatiner-Prinzip.«
»Ja, du entschuldigst mich kurz …« Markus wollte flüchten, er hatte keine Lust, auf dem Flug auch noch Prüfungen seines Verkaufstalents ablegen zu müssen. Und außerdem wollte er endlich herausfinden, wem diese rote Mähne gehörte.
Die WC-Schlange der Trinkerblasen hatte sich gerade auf zwei reduziert, als Markus sich dazustellte. Er blieb kurz stehen, sah um sich herum die in laute Gespräche vertieften Strohhüte eines Kegel-Klubs und entging einer bevorstehenden Kontaktaufnahme durch den dicken Spaßvogel vom Zoll nur mit einer radikalen Kehrtwende.
»Einfach zurückgehen, und ich kann ihr in die Augen sehen«, dachte Markus und hörte noch ein kräftiges »Eyyy« des stehen gelassenen Witzbolds, der in einem schwierigen Erinnerungsprozess gerade einen Blondinenwitz aus seinem Kurzzeitgedächtnis kramte und ihn jetzt nicht loswurde, nur weil dieser Typ einfach wieder umdrehte.
Markus kam dem rothaarigen Geheimnis näher und verlangsamte drastisch seine Schritte. Nein, es war aber auch wie verhext! Rotköpfchen kniete nun auf dem Sitz und unterhielt sich mit seinem Hintermann. Als Markus vorbeitippelte, drehte sie sich, mit dem Rücken zu Markus gekehrt, wieder nach vorne. Er setzte sich geplättet zu Stefest. Die ganze Zeit rührt sich die Frau nicht, und ausgerechnet jetzt musste sie sich umdrehen.
»Du musst einen Joker-Schnaps verkaufen«, knüpfte Stefest unvermittelt an seine Überlegungen von eben an. »Unter all den kleinen Flachmännern befindet sich immer ein Joker. Wer ihn durch Zufall erwischt, bekommt drei Fläschchen gratis.«
»Gute Idee«, erwiderte Markus matt. Sein Chef hakte nach: »Nerve ich dich?«
»Nein. So kann man das nicht sagen«, versuchte sich Markus herauszuwinden.
»Daran wirst du dich gewöhnen müssen. Ich bezahle dich auch dafür, dass du dich von mir nerven lässt. Mich wiederum nerven die Banker. Jeder von uns wird von irgendjemandem genervt. Und außerdem: Ein gutes Pils wird in sieben Minuten gezapft.«
Müller stöhnte innerlich. »In sieben Minuten wird ein Pils gezapft« war für seinen Chef die Grundweisheit aller professionellen Pilstrinker. Stefest hatte aus dem Pilszapfen einen Schöpfungsakt gemacht.
Die Maschine setzte zur Landung an. Markus Müller hoffte inständig, dass die beiden hinter ihm sitzenden und vor sich hingluckernden Sonnenbrillenträger, die während des gesamten Fluges kein Wort gesprochen hatten, die Landung ebenfalls mit geschlossener Ladeluke absolvieren würden.
Kapitel 3
Die erste Nacht
Das großräumige, marmorierte Flughafengebäude von Palma glich einem Heerlager versprengter Truppen von Touristen, die entweder auf ihre junge Reiseleiterin warteten, die sie auf dem Weg zum Hotel im Zubringerbus begleitete, oder die zum Taxi strömten, um möglichst schnell ihren Zielort zu erreichen.
Dr. Stefest schritt schnurstracks durch die Massen hindurch zum Zubringerbus. Gewitterwolken verdunkelten den Himmel. Es war schwül; dass die Wolken außer Dunkelheit vielleicht auch Regen bringen könnten, wurde rundum allerdings lautstark bezweifelt. Die Reisegruppe machte sich selber Mut. Nur noch ein Stündchen, und Bier- oder Schinkenstraße, MegaPark und MegArena lockten mit kühlen Bierchen und viel Stimmung. Stefest konnte das Bier schon auf seinen Lippen schmecken, auch wenn es nicht aus seiner eigenen Brauerei kam. Müller rannte bemüht hinter seinem Chef her und schaute sich die Touri-Massen genauer an.
»Alles potentielle Kunden für unseren Erlebnispark, Markus. Wahnsinn, diese Massen! Wie viel die trinken können!«
Müller stimmte zu, fühlte sich aber an einen ganz anderen Vergleich erinnert. Sein Studienfreund Herby pflegte beim Anblick eines Bernhardiners oder ähnlich großer Hunde immer zu sagen: »Schau dir diesen Köter an! Wie viel der wohl frisst und was der wohl für große Haufen scheißt!?«
Da Markus derartige Hinterlassenschaften, gleich welcher Größe und Art, zuwider waren, würde er sich nie einen Hund anschaffen. Aber Herby hatte recht und Dr. Stefest auch: Diese Menschenmassen wollten sich amüsieren, und für einen Großteil von ihnen bestand dieses Vergnügen aus 24-Stunden-Partys. Und wenn nur ein Bruchteil davon später in den Erlebnispark der Schippchen-Brauerei käme, hätte er einen sicheren Job.
Nach einer guten Viertelstunde gelangten auch die letzten Mitglieder der Reisegruppe unter infernalischem Gejohle und einem mit stets frischer Begeisterung vorgetragenem »Zicke Zacke, Zicke Zacke, hoi hoi hoi!!!!!« zum Bus. Die Reiseleiterin hakte die Namen ab und verabschiedete sich »Bis später!«, da sie für eine Kollegin noch eine zweite Reisegruppe betreuen müsse.
Stefest und Müller saßen auf den vordersten Plätzen schräg hinter dem Fahrer. Sie sahen voller Ungeduld, wie die letzten Fahrgäste zustiegen. Stefest sagte nichts, denn er lauschte aufmerksam dem Gespräch der beiden Busfahrer, die sich in ihren schon etwas betagten Bussen die Fuhre teilten. Der Brauereichef hatte lange kein Spanisch mehr gesprochen, aber er verstand trotzdem noch jedes Wort.
Miguel – das musste, wie Stefest herausbekam, ihr Busfahrer sein – schlug seinem Kollegen gerade eine kleine Wette vor. Er wollte mit ihm ein Wettrennen fahren. Es ging aber nicht darum, als Erster am Hotel anzukommen. Stefest traute seinen Ohren nicht. Die beiden Mallorquiner vereinbarten nichts anderes als eine Raserei auf der kurvenreichen Strecke, die nur einen Zweck erfüllen sollte: nämlich die angetrunkenen Touristen zum Kotzen zu bringen! »Wer am Ende in seinem Bus die sichtbarsten Spuren vorweisen kann, hat gewonnen. Der Verlierer muss beide Busse reinigen.« So lautete die Abmachung.
Stefest war baff. Das war unglaublich. Dagegen waren die kleinen Streiche der deutschen Ballermänner eine Erholungskur für Herzkranke. Aber jetzt etwas zu sagen wäre sinnlos gewesen. Außerdem gingen ihm einige Schreihälse aus dem Flugzeug mittlerweile selbst auf den Nerv. Erst singen, dann reihern – haha, schönes Motto, dachte Stefest und beschloss, sich einfach auf die Schussfahrt zu freuen. Und sein Marketingmann sah so aus, als ob auch er mit den Strapazen einer Kurvenraserei zurechtkommen würde. Stefest verschwendete also keinen weiteren Gedanken an seine Fürsorgepflicht als Arbeitgeber.
Als die Bustüren schlossen, drehte sich Markus um. Ganz hinten saß sie! Verdammt! In dem ganzen Trubel hatte er den Rotschopf völlig vergessen. Aber das musste sie sein. Bingo!
Sein Gespür hatte ihn nicht getäuscht. Diese Frau hatte was! Sie unterhielt sich gerade mit einem langen Dürren, dessen Sonnenbrille eine Nummer zu klein geraten war. Markus war beruhigt, der Typ hatte gegen ihn keine Chance. Ehe er sich die Frau noch näher anschauen konnte, warf ihn ein Ruck gegen seinen Chef.
»Was geht denn jetzt ab?«
Stefest