Der neue König von Mallorca. Jörg Mehrwald

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Der neue König von Mallorca - Jörg Mehrwald

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besitzt alles, was einen guten Auftritt in der Öffentlichkeit garantiert: eloquent in drei Sprachen, schlank, hochgewachsen, gepflegtes Äußeres, sensibel. Aber eins fehlt ihm wie den meisten Marketing-Heinis: der Kontakt zum ganz normalen Biertrinker, dem sogenannten kleinen Mann. Für diese jungen Werbeschnösel existierte der kleine Mann nur in der Zielgruppen-Statistik, und aus dieser Perspektive ist er deswegen so klein, weil er ganz weit weg ist. Sie wollen zwar sein Geld, aber sie sehen den kleinen Mann samt seiner kleinen Frau lieber aus der Ferne.

      Stefest durchsuchte innerhalb weniger Minuten die Last-Minute-Angebote im Internet. Als er die Seiten ausdruckte, beschloss er, dass sein Müller bald nicht nur ganz genau wissen würde, wie der kleine Mann aussieht und was er trinkt, sondern auch wie er riecht – genau!

      »Na also, Glück gehabt, morgen wird es noch nichts, aber übermorgen. Hier – drei Plätze, sehr gut. Ein Doppelzimmer, das nehme ich, und ein Einzelzimmer«, murmelte Stefest. Markus Müllers letzter Hoffnungsschimmer: »Niemand bekommt in der Hochsaison von heute auf morgen zwei Plätze in El Arenal«, war geplatzt. Sein Chef bekam sogar drei Plätze.

      Stefest war zwar alles andere als ein typischer Ballermann-Kunde, aber er akzeptierte Leute, die wenigstens ehrlich dazu standen, zweimal im Jahr die Sau rauszulassen. Für sie wollte er den großen Erlebnispark der Schippchen-Brauerei aus dem Boden stampfen. Eine Multi-Millionen-Investition, in die er drei Banken verwickelte und sein gesamtes unternehmerisches Potential legte. Seine Gäste würden sich geborgen fühlen im vollklimatisierten überdachten Spaß- und Bierbad mit Erlebnisgelände, Motel und jeder Menge Stimmung. Dr. Ernst Stefest wollte der Erste in Deutschland sein, der ein solches Mega-Mekka für gestresste Hobby-Trinker auf die Beine stellte. Eine Art Promille-Disney-Land für Erwachsene, in dem Vergnügen rund um die Uhr garantiert wurde.

      Sogar das Terrain war schon ausgesucht. Günstiges Bauland von einer kleinen Gemeinde, die sich mit einem kompletten Gewerbepark an den Rand des Ruins geplant hatte, bekam Stefest für einen »Appel und ein halbes Ei«, wie ein Vermittler von der Landesregierung den Kaufpreis umschrieb. Stefests Erlebnispark versprach erstklassige Steuereinnahmen und Arbeitsplätze. Stehfest hatte auf einem garantierten 24-stündigen Geschäftsbetrieb bestanden. In der Landesregierung war man froh, dass bald eine Gemeinde weniger am Subventionstropf hängen würde, und schon deswegen stimmte man seiner Bedingung in ungewohnter Eile und mit Hilfe einer schnell konstruierten Ausnahmeregelung zu. Nach dem ersten Betriebsjahr plante Stefest den Gang an die Börse. Die Umwandlung des Parks in eine Aktiengesellschaft sollte nebenbei auch den Vermittler der Landesregierung in den gut dotierten Aufsichtsrat bringen.

      *

      »Macht eine Erbschaft, dieses Würstchen, und haut einfach ab nach Mallorca. Nach elf Jahren Ehe! Lässt mich allein und gibt mir nichts ab von der dicken Kohle! Ich will Beweise für eine Scheidung, verstehen Sie? Ich will nur Fotos und Fakten. Also Weiber und alles, was vor Gericht zählt. Nicht, dass Sie auf die Idee kommen, mir diesen Mistkerl hier anzuschleppen«, blökte Cornelia Obertier, nach Luft schnappend, Nina Blauvogel von der Detektei Bluebird an.

      »Keine Angst Frau Obertier, ich bin Detektivin und keine Kopfgeldjägerin«, versuchte Blauvogel zu beschwichtigen. Nach einer knappen halben Stunde in der verrauchten und vor Kitsch strotzenden Wohnstube der nervigen Frau Obertier vermutete die Detektivin, dass wegen dieser dicken Matrone jeder halbwegs klar denkende Mann fröhlich pfeifend sogar in die Wüste ziehen würde. Sie zog mit spitzen Fingern ihren Standardvertrag aus der Handtasche und legte ihn auf den Tisch. Cornelia Obertier schien gleich zu platzen.

      »Nee, nee, ich unterschreibe nichts«, protestierte sie, noch ehe Blauvogel etwas sagen konnte.

      Obertier übernahm jetzt das Kommando: »Passen Sie auf! Sie unterschreiben die Quittung, und ich zahle 1500 Euro Vorschuss. Damit können Sie nach Mallorca fliegen und die Fotos machen. Wenn Sie alles bei mir abliefern, bekommen Sie den Rest. Denken Sie daran, es muss für eine Scheidung reichen! Ich will meine Hälfte von dieser verdammten Erbschaft, am besten gleich!« Obertier schubste mit einer Handbewegung den Vertrag wieder zu Blauvogel. Angeekelt drehte sie den Kopf weg: »Verträge unterschreibe ich nicht mehr, Scheißkleingedrucktes da!«

      Nina Blauvogel überlegte nur kurz und unterschrieb die Quittung. Als sie das Haus verließ, zählte sie vorsichtshalber noch mal die 1500 Euro nach. Für solche Kunden wollte die 28-Jährige eigentlich gar nicht mehr arbeiten, aber bei Bluebird herrschte mal wieder totale Ebbe in der Kasse. Sie warf den Kopf in den Nacken, atmete durch und steckte die Scheine ein: Immerhin hat Bluebird wieder einen Auftrag. Und das zählt!, dachte sie und beschleunigte ihre Schritte.

      Der Flug

      Zwei Tage später wartete Markus Müller vor der Dienstlimousine seines Chefs und schaute auf das protzige Hauptgebäude, das von den hochmodernen Kesselhäusern und Abfüllstraßen der Schippchen-Brauerei umschlossen wurde. Der gesamte Bau wirkte sehr modern, fast schon futuristisch. Vier riesige glänzende Kessel rahmten das zehn Stockwerke hohe Hauptgebäude ein. Das Ganze wirkte auf unbefangene Betrachter wie eine Mischung aus den Startrampen von Cape Canaveral und dem stillgelegten Raumschiff Enterprise.

      Stefest hatte seine Brauerei zu einem Ereignis gemacht. Täglich kamen Touristengruppen und wurden durch das Biermuseum und die Abfüllanlagen geführt. Stefest schien vom Schicksal auserwählt, Chef zu sein und auch so auszusehen. Folgerichtig baute er auch so. Nun aber holte der akademische Trinkerfreund zum ganz großen Schlag aus, nämlich den ultimativen Erlebnispark für alle Freunde von Hopfen und Malz zu schaffen.

      Müller erfuhr von diesem Vorhaben erst nach seiner Einstellung. Die Perspektive, dort leitender Manager zu werden, steigerte seinen Ehrgeiz in bislang nicht gekannter Intensität. Für ihn gab es keine bessere Chance, einen Führungsposten zu erklimmen. »Markus Müller, Head of Beer-Park-Development« würde auf seiner Visitenkarte stehen. Nichts durfte dieses Ziel gefährden, das stand fest.

      Während er immer noch wartete, übte er einen kleinen Kartentrick, das einzige Hobby, das selbst von Maybritt geduldet wurde. Markus war seit Jahren Hobby-Zauberer, und das so erfolgreich, dass er als »Samson der Magier« ab und an kleinere Auftritte auf Partys befreundeter Kollegen absolvierte. Seine verblüffenden Zaubertricks begeisterten sogar seinen Chef.

      Ernst Stefest kam aufgekratzt und lachend mit zwei großen Koffern die Treppen herunter.

      »Morgen, Müller!«

      »Guten Morgen, Herr Dr. Stefest.«

      Stefest wuchtete sein Gepäck in den Kofferraum. Anschließend stellte Müller seinen Koffer hinein.

      »Sie werden sich wahrscheinlich seit vorgestern fragen, warum wir schon drei Stunden vor Abflug losfahren?«

      Müller druckste griesgrämig herum. Diese Frage hatte ihn die letzten beiden Nächten am allerwenigsten beschäftigt. Maybritt, seine Lebensabschnittspartnerin mit Niveau, sorgte stattdessen für Albträume. Ihr Zitate-geladener Abgang aus der gemeinsamen Wohnung erfüllte den Anspruch einer abendfüllenden Theaterinszenierung. Müller kannte jetzt ein gutes Dutzend Ansichten aus der Weltliteratur zum Thema Vernachlässigung der Frau bei gleichzeitigem Abgleiten in tiefste Kulturlosigkeit. Auslöser für ihren lautstarken Wutausbruch war Müllers größter und dümmster Fehler: Er erwähnte nur beiläufig den Ort El Arenal.

      Maybritt schluckte kurz, wenig später traf ihn ein Strahl schlimmster Verachtung aus ihren Augen, und er hatte vorläufig das Recht verwirkt, an ihre Seite zu leben. Es dauerte nur noch wenige Augenblicke, bis die Türen so fürchterlich ins Schloss knallten, dass sich einige Teile des Stucks gleich mit verabschiedeten. Der sexuelle Notstand war damit erst einmal unbefristet verlängert worden. Und nun kam Stefest mit dieser Frage.

      »Sie

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