Fass mich nicht an!. Reinhold Ruthe

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Fass mich nicht an! - Reinhold Ruthe

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Die Eltern schämen sich, die Sache öffentlich zu machen. Sie spüren deutlich, was sie versäumt haben, und sind ratlos.

      Ein gefährlicherer und gewalttätiger Missbrauch geschieht mit K.o.-Tropfen. Auch junge und ältere Männer, die ihre sexuelle Gier stillen wollen, benutzen K.o.-Tropfen, die sie heimlich in Getränke mischen, um die Opfer gefügig zu machen. Hin und wieder zeigen Opfer die Täter an, haben aber in der Regel ein schlechtes Gewissen, weil sie sich freiwillig auf ein Abenteuer eingelassen haben.

      Während ich an diesem Manuskript arbeite, lese ich in der Tageszeitung einen Bericht über einen Arzt, der an jungen Patientinnen Missbrauch getrieben haben soll, nachdem sie von ihm mit bestimmten zusätzlichen Betäubungsmitteln willenlos gemacht worden waren. Wörtlich schreibt die Zeitung: „Es sind vier der insgesamt zwölf Frauen, die sich dem deutschlandweit anerkannten Gefäßchirurgen für eine angebliche Studie anvertraut haben und die im Nachhinein einen Albtraum erleben: Denn der Arzt soll ihnen ein Hypnotikum verabreicht, sie in ihrem wehrlosen Zustand missbraucht und dabei gefilmt haben.“9

      Eine Medizinstudentin klagte anschließend lange über Benommenheit, ließ sich untersuchen und stellte eine sehr hohe Dosis eines Hypnotikums fest. Der Anwalt, der mehrere Frauen vertritt, schildert, dass die Situation für die Opfer extrem belastend sei. Laut Anklage wollte der Arzt sich an den Frauen im Alter zwischen 17 und 28 Jahren sexuell befriedigen. Im gleichen Artikel werden drei weitere Missbrauchsfälle in anderen Städten geschildert. Ein Frauenarzt wurde zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt, weil er insgeheim Zehntausende Fotos von seinen Patientinnen angefertigt hatte. In Hildesheim hatte ein Kinderkrankenpfleger serienweise junge Mädchen betäubt und sexuell missbraucht. Er wurde zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt.

       Folgen des sexuellen Missbrauchs

      Dass sexueller Missbrauch Folgen hinterlässt, steht außer Frage. Wie können die Folgen aussehen? Ich beginne mit einem Beratungsbeispiel. Eine Frau um die 40 Jahre alt hat sich mit Eheproblemen an mich gewendet. Sie erzählt mir eine äußerst unangenehme Erfahrung als Kind mit dem Großvater. Oft weilte sie als Kind beim Opa, der allein lebte. Seine Frau war bereits gestorben. Damals war sie zwischen 5 und 9 Jahre alt, vielleicht auch schon 10 oder 11. Wenn sie nach dem Essen zu Hause zu ihm kam, sagte er zur Enkelin: „Weißt du was, wir machen zuerst mal ein Mittagsschläfchen. Dann sind wir beide frisch für den ganzen Nachmittag.“ Beide legten sich aufs Sofa. Der Opa mit dem Rücken zur Wand, die Enkelin vor ihm, die ihm auch den Rücken zudrehte. „Wir streicheln uns ein bisschen, das ist schön!“

      Er streifte der Enkelin den Schlüpfer herunter und streichelte sie von hinten in und an der Scheide. Sie durfte den Opa am Glied streicheln.

      Ihre beiden Eltern waren berufstätig und glücklich, dass die Enkelin beim Opa untergebracht war. Der kümmerte sich intensiv um das Mädchen. Für die Enkelin war Sexualität ein Geheimnis. Zu Hause war nie darüber gesprochen worden. Zuerst fand sie das Streicheln unangenehm. Aber je älter sie wurde, fand sie „das ausgesprochen schön“.

      Dann erlebte sie, dass in der Schule über „sexuellen Missbrauch“ gesprochen wurde. Was an Kindern bis zum Alter von 16 Jahren geschehe, wurde als Verbrechen charakterisiert. Die Enkelin war schockiert. Ab der Zeit mied sie den Kontakt zum Opa mit fadenscheinigen Begründungen. Den Eltern erzählte sie nichts. Das Mädchen fühlte sich mitschuldig.

      Mit 25 Jahren heiratete sie und hatte nur ein Problem bei sexuellen Beziehungen mit ihrem Mann. Wenn er sie von hinten anfasste und berührte, zuckte sie erschreckt und abwehrend zusammen und hatte ihm sogar einmal ins Gesicht geschlagen, weil sie an das „Verbrechen“ erinnert wurde. Dieser handgreifliche Ausrutscher brachte sie in die Beratung.

      Andere sexuelle Probleme hatte sie nicht.

      Wir halten fest:

      

Was die Enkelin erlebte, ist sexueller Missbrauch, ist sexuelle Gewalt.

      

Ältere Personen, hier der Opa, missbrauchen ihre Stellung, missbrauchen ihr Wissen.

      

Dieses Beispiel macht aber auch deutlich: Es müssen nicht immer schwere sexuelle Folgen im Zusammenleben mit Partnern oder Partnerinnen erfolgen.

       Der „soziale Tod“

      Der Ausdruck stammt von Professor Heitmeyer. Er macht deutlich, dass die Betroffenen ihr Vertrauen in die soziale Umgebung nach sexueller Gewalterfahrung verloren haben. Sie sind misstrauisch. Dieses Misstrauen untergräbt die spätere Beziehungsfähigkeit. Beratung, Seelsorge und Therapie wollen diese Defizite verringern. In schweren Fällen kann es zu Isolation, Liebesverlust, zu Selbstwertverlust und Kontaktverlust kommen. Nach meiner Erfahrung muss der sexuelle Missbrauch aber äußerst belastend gewesen sein, und der Betroffene oder die Betroffene sind häufig besonders sensibel.

       Sexueller Missbrauch und Traumatisierung

      In der Stressforschung hat es einen Blickpunktwechsel gegeben. Nicht psychische Störungen allein, wie Verlust des Arbeitsplatzes, Überarbeitung, Scheidung oder ein Todesfall, rufen traumatische Verletzungen hervor, sondern auch kritische Lebenserfahrungen wie sexuelle Gewalt können seelische Störungen verursachen. Seit den Achtzigerjahren sprechen wir von der PTBS, von der „posttraumatischen Belastungsstörung“. Diese Störung wurde nach dem Vietnamkrieg offiziell in die Diagnosemanuale aufgenommen. Sie beinhaltet, dass Jahre oder Jahrzehnte später noch traumatische Erfahrungen sich im Alltag, im Schlaf oder in der Erinnerung bemerkbar machen können. Daraus kann sich ein Vermeidungsverhalten entwickeln, sodass beispielsweise dunkle Orte, Gespräche über die damaligen Ereignisse, auch bestimmte Aktivitäten, die damit verbunden waren, vermieden werden. In schlimmen Fällen kann die sexuelle Erregung gestoppt werden, um den möglichen Bedrohungen, die damit verbunden waren, aus dem Wege zu gehen. Wieder handelt es sich – nach meinen Erfahrungen – um hochsensible Menschen, die stärker und hellhöriger auf alle Ereignisse im Leben reagieren.

      In solchen schweren Fällen ist oft eine lange Therapie erforderlich.

       Angst als Folge sexuellen Missbrauchs

      Sie tritt später umso deutlicher in Erscheinung, wenn die Erfahrungen als Kind und Jugendlicher mit großer Angst verbunden waren. Diese Angst kann später immer präsent sein. Sie hat den Jugendlichen begleitet. Es kann sich um Angst vor Männern, um Angst vor Dominanz, um Angst, diskriminiert und erniedrigt zu werden, handeln. Diese Angst kann alle Lebensenergie binden. Man wird zum Außenseiter. Krankheiten stellen sich ein. Zum Beispiel reagieren nicht wenige mit Depressionen, mit unerklärlichen Ängsten oder Phobien. Leider können solche Menschen später drogensüchtig oder medikamentenabhängig werden, um diese Ängste zu betäuben. Oder sie ziehen sich aus dem sozialen Leben zurück.

      Das Gleiche gilt für die Liebe. Der Missbrauchte sehnt sich wie jeder andere. Aber er hat böse Gefühle: Ist das wirklich Liebe, was er empfindet, oder nur ein böser Trieb? Etwas Verfluchtes, was er bei seinem Lehrer im Heim erlebt hat? Er zweifelt an sich und seiner Liebe. Er fühlt sich innerlich zerrissen. Ehrlicherweise muss ich hier einblenden, dass ich diese Gefühle auch bei Christen erlebt habe, die nicht missbraucht wurden, die durch Eltern oder Verkündigung von ihrer Sündhaftigkeit, von ihrem sexuellen Egoismus völlig überzeugt waren.

      Sie schämten sich, einem jungen Mädchen oder einer jungen Frau ihre „Liebe“ zu bekennen.

      Sie

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