Waldheimat. Peter Rosegger

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Waldheimat - Peter  Rosegger

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ihn auch selber troffen hätt’.“

      „Da wär’ er jetzt schon im Himmel oben“, sagte ich.

      „Watsch’ nur nicht so ins nasse Gras hinein. Geh’ gleim (nahe) hinter mir und halt’ dich beim Jankerzipf an. Vom Maxel, von dem will ich dir jetzt was sagen.“

      Der Weg ging sanft berganwärts. Mein Vater erzählte.

      „Jetzt kann’s dreißig Jahr aus sein – ist der Maxel ins Land kommen. Armer Leute Kind. Die erst’ Zeit hat er bei den Bauern herum einen Halterbuben gemacht, nachher, wie er sich ausgewachsen hat, ist er in den Holzschlag ’gangen. Ein rechtschaffener Arbeiter und allerweil fleißig und sparsam. Wie er Vorarbeiter ist worden, hat er sich vom Waldherrn ausgebeten, daß er das Sauerwiesel auf der Gfarerhöh’ ausreuten und für sein Lebtag behalten dürfe, weil er so viel gern eigen Grund und Boden hätte. Ist ihm gern zugesagt worden, und so ist der Maxel alle Tag, wenn sie im Holzschlag Feierabend gemacht haben, auf sein Sauerwiesel ’gangen, hat den Strupp weggeschlagen, hat Gräben gemacht, hat Steine ausgegraben, hat die Wurzeln des Unkrautes verbrannt – und in zwei Jahren ist das ganze Sauerwiesel trocken gelegt und es wachst gutes Gras drauf, und gar ein Fleckel Brandkorn hat er anbaut. Wie es so weit kommen, daß er’s auch mit Kohlkraut hat probiert, und gesehen, wie gut es den Hasen schmeckt, ist er um Waldbäume einkommen. Die können sie ihm nicht schenken, wie das Sauerwiesel, die muß er abdienen. So hat er Arbeitslohn dafür eingelassen, und die Bäume hat er umgehauen und viereckig gehackt und abgeschnitten zu Zimmerholz – alles in den Feierabenden, wenn die anderen Holzknechte lang’ schon gut auf dem Bauch sind gelegen und ihre Pfeifen Tabak haben geraucht. Hätt’ selber auch gern geraucht, das ist seine Passion gewest; aber eh’vor er fertig ist mit seiner Wirtschaft, tut er’s nit. Und jetzt hat er angehebt, an solchen Feierabenden andere Holzhauer zu verzahlen, daß sie ihm bei Arbeiten helfen, die ein einziger Mensch nicht dermachen kann, und so hat er auf dem Sauerwiesel sein Haus gebaut. Fünf Jahr’ lang hat er daran gearbeitet, aber nachher – du weißt ja selber, wie es dagestanden ist mit den guldroten Wänden, mit den hellen Fenstern und der Zierat auf dem Dach herum – schier vornehm anzuschauen. Ein fein Gütel ist worden auf der Sauerwiese, und wie lang’ wird’s denn her sein, daß uns unser Pfarrer bei der Christenlehr’ den klein’ Maxel als ein Beispiel des Fleißes und der Arbeitsamkeit hat aufgestellt? Nächst Monat hat er heiraten wollen, und daß er heraufgestiegen ist vom Waiselbuben bis zum braven Hausbesitzer und Hausvater – Bub, da ruck’ dein Hütel! – Und jetzt ist auf einmal alles hin. Der ganze Fleiß und alle Arbeit die vielen Jahr’ her ist umsonst. Der Maxel steht wieder auf demselben Fleck, wie voreh’.“

      Ich habe dazumal meine Frömmigkeit noch aus der Bibel gezogen, und so entgegnete ich auf des Vaters Erzählung: „Der Himmelvater hat den Maxel halt gestraft, daß er so aufs Zeitliche ist gegangen wie die Heiden, und der Maxel hat sich ’leicht ums Ewige zu wenig gesorgt. Sehet die Vöglein in den Lüften, sie säen nicht, sie ernten nicht –“

      „Und sie schwatzen nicht!“ unterbrach mich der Vater. „Ich kenn’ mich nimmer aus, und das sag’ ich, wenn’s –“

      Er unterbrach sich. Wir standen auf der Anhöhe und vor uns loderte die Wirtschaft des Kleinmaxel und das Haus brach eben in seinen Flammen zusammen. Mehrere Leute waren da mit Hacken und Wassereimern, aber es war nichts anderes zu machen, als da zu stehen und zuzuschauen, wie die letzten Kohlenbrände in sich einstürzten. Das Feuer war nicht wütend, es brüllte nicht, es krachte nicht, es fuhr nicht wild in der Luft herum; das ganze Haus war eine Flamme, und die qualmte heiß und weich zum Himmel auf, von wannen sie gekommen.

      Eine kleine Strecke vom Brande war der Steinhaufen, auf welchen der Maxel die Steine der Sauerwiese zusammengetragen hatte. An demselben saß er nun, der kleine, braune, blatternarbige Maxel, und sah auf die Glut hin, deren Hitze auf ihn herströmte. Er war halb angekleidet, hatte seinen schwarzen Sonntagsmantel, den er gerettet, über sich gehüllt. Die Leute traten nicht zu ihm; mein Vater wollte ihm gern ein Wort der Teilnahme und des Trostes sagen, aber er getraute sich auch nicht zu ihm. Der Maxel lehnte so da, daß wir meinten, jetzt und jetzt müsse er aufspringen und einen schreckbaren Fluch zum Himmel stoßen und sich dann in die Flammen stürzen.

      Und endlich, als das Feuer nur mehr auf dem Erdengrund herum leckte und aus den Aschen die kahle Mauer des Herdes aufstarrte, erhob sich der Maxel. Er schritt zur Glut hin, hob eine Kohle auf und – zündete sich die Pfeife an.

      Als ich in der Morgendämmerung den klein’ Maxel vor seiner Brandstätte stehen sah, und wie er den blauen Rauch aus der Pfeife sog und von sich blies, da war mir in meiner Brust heiß. Als ob ich es fühlte, wie mächtig der Mensch ist, um wie viel größer als sein Schicksal, und es für das Verhängnis keinen größeren Schimpf gibt, als wenn man ihm in aller Seelenruhe Tabakrauch in die Larve bläst.

      Später hat der klein’ Maxel die Asche seines Hauses durchwühlt und aus derselben sein Schlagbeil hervorgezogen. Er schaftete einen neuen Stiel an, er machte es an einem Schleifsteine der Nachbarschaft wieder scharf. „Wenn ich noch einmal baue“, sprach er vor sich hin, „so mach’ ich’s besser. Das obere Stübel ist eh nicht sauber gewesen.“ Seither sind viele Jahre vorbei: Um die Sauerwiese liegen heute schöne Felder, und auf der Brandstätte steht ein neugegründeter Hof. Junges Volk belebt ihn und der Hausvater, der Alte, der klein’ Maxel, lehrt seinen Söhnen das Arbeiten, erlaubt ihnen aber auch das Tabakrauchen. Nicht zu viel – aber ein Pfeiflein zu rechter Zeit.

       ALS ICH DAS ERSTE MAL AUF DEM DAMPFWAGEN SASS

      Noch viel seltsamer als diese Dinge waren, ist jenes Erlebnis gewesen, das hier erzählt wird.

      Mein Oheim, der Knierutscher Jochem – er ruhe in Frieden! – war ein Mann, der alles glaubte, nur nicht das Natürliche. Das Wenige von Menschenwerken, was er begreifen konnte, war ihm göttlichen Ursprungs; das Viele, was er nicht begreifen konnte, war ihm Hexerei und Teufelsspuk. – Der Mensch, das bevorzugteste der Wesen, hat zum Beispiel die Fähigkeit, das Rindsleder zu gerben und sich Stiefel daraus zu verfertigen, damit ihn nicht an den Zehen friere; diese Gnade hat er von Gott. Wenn der Mensch aber hergeht und den Blitzableiter oder gar den Telegraphen erfindet, so ist das gar nichts anderes als eine Anfechtung des Teufels. – So hielt der Jochem den lieben Gott für einen gutherzigen, einfältigen Alten (ganz wie er, der Jochem, selber war), den Teufel aber für ein listiges, abgefeimtes Kreuzköpfel, dem nicht beizukommen ist und das die Menschen und auch den lieben Gott von hinten und vorn beschwindelt.

      Abgesehen von dieser hohen Meinung vom Luzifer, Beelzebub (was weiß ich, wie sie alle heißen), war mein Oheim ein gescheiter Mann. Ich verdankte ihm manches neue Linnenhöslein und manchen verdorbenen Magen.

      Sein Trost gegen die Anfechtungen des bösen Feindes und sein Vertrauen war die Wallfahrtskirche Mariaschutz am Semmering. Es war eine Tagreise dahin und der Jochem machte alljährlich einmal den Weg. Als ich schon hübsch zu Fuße war (ich und das Zicklein waren die einzigen Wesen, die mein Vater nicht einzuholen vermochte, wenn er uns mit der Peitsche nachlief), wollte der Jochem auch mich einmal mitnehmen nach Mariaschutz.

      „Meinetweg’“, sagte mein Vater, „da kann der Bub gleich die neue Eisenbahn sehen, die sie über den Semmering jetzt gebaut haben. Das Loch durch den Berg soll schon fertig sein.“

      „Behüt’ uns der Herr“, rief der Jochem, „daß wir das Teufelszeug anschau’n! ’s ist alles Blendwerk, ’s ist alles nicht wahr.“

      „Kann auch sein“, sagte mein Vater und ging davon.

      Ich und der Jochem machten uns auf den Weg; wir gingen über das Stuhleckgebirge, um ja dem Tale nicht in die Nähe zu kommen, in welchem nach der Leut’ Reden der Teufelswagen auf und ab ging. Als wir aber auf dem hohen Berge standen und hinabschauten

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