Waldheimat. Peter Rosegger

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Waldheimat - Peter  Rosegger

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des Berges hinunter.

      Gegen Abend kamen wir in die Niederung, doch – entweder der Jochem war hier nicht wegkundig oder es hatte ihn die Neugierde, die ihm zuweilen arg zusetzte, überlistet, oder wir waren auf eine „Irrwurzen“ gestiegen – anstatt in Mariaschutz zu sein, standen wir vor einem ungeheuren Schutthaufen und hinter demselben war ein kohlfinsteres Loch in den Berg hinein. Das Loch war schier so groß, daß darin ein Haus hätte stehen können, und gar mit Fleiß und Schick ausgemauert; und da ging eine Straße mit zwei eisernen Leisten daher und schnurgerade in den Berg hinein.

      Mein Oheim stand lange schweigend da und schüttelte den Kopf; endlich murmelte er: „Jetzt stehen wir da. Das wird die neumodische Landstraßen sein. Aber derlogen ist’s, daß sie da hineinfahren!“

      Kalt wie Grabesluft wehte es aus dem Loche. Weiter hin gegen Spital in der Abendsonne stand an der eisernen Straße ein gemauertes Häuschen; davor ragte eine hohe Stange, auf dieser baumelten zwei blutrote Kugeln. Plötzlich rauschte es an der Stange und eine der Kugeln ging wie von Geisterhand gezogen in die Höhe. Wir erschraken baß. Daß es hier mit rechten Dingen nicht zuginge, war leicht zu merken. Doch standen wir wie festgewurzelt.

      „Oheim Jochem“, sagte ich leise, „hört Ihr nicht so ein Brummen in der Erden?“

      „Ja, freilich, Bub“, entgegnete er, „es donnert was! es ist ein Erdbiden (Erdbeben).“ Da tat er schon ein kläglich Stöhnen. Auf der eisernen Straße heran kam ein kohlschwarzes Wesen. Es schien anfangs stillzustehen, wurde aber immer größer und nahte mit mächtigem Schnauben und Pfustern und stieß aus dem Rachen gewaltigen Dampf aus. Und hintenher –

      „Kreuz Gottes!“ rief der Jochem, „da hängen ja ganze Häuser dran!“ Und wahrhaftig, wenn wir sonst gedacht hatten, an der Lokomotive wären ein paar Steirerwäglein gespannt, auf denen die Reisenden sitzen konnten, so sahen wir nun einen ganzen Marktflecken mit vielen Fenstern heranrollen, und zu den Fenstern schauten lebendige Menschenköpfe heraus, und schrecklich schnell ging’s, und ein solches Brausen war, daß einem der Verstand still stand. Das bringt kein Herrgott mehr zum Stehen! fiel’s mir noch ein. Da hub der Jochem die beiden Hände empor und rief mit verzweifelter Stimme: „Jessas, Jessas, jetzt fahren sie richtig ins Loch!“

      Und schon war das Ungeheuer mit seinen hundert Rädern in der Tiefe; die Rückseite des letzten Wagens schrumpfte zusammen, nur ein Lichtlein davon sah man noch eine Weile, dann war alles verschwunden, bloß der Boden dröhnte und aus dem Loche stieg still und träge der Rauch.

      Mein Oheim wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß vom Angesicht und starrte in den Tunnel. Dann sah er mich an und fragte: „Hast du’s auch gesehen, Bub?“

      „Ich hab’s auch gesehen.“

      „Nachher kann’s keine Blenderei gewesen sein“, murmelte der Jochem.

      Wir gingen auf der Fahrstraße den Berg hinan; wir sahen aus mehreren Schachten Rauch hervorsteigen. Tief unter unseren Füßen im Berge ging der Dampfwagen.

      „Die sind hin wie des Juden Seel’!“ sagte der Jochem und meinte die Eisenbahnreisenden. „Die übermütigen Leut’ sind selber ins Grab gesprungen!“

      Beim Gasthause auf dem Semmering war es völlig still; die großen Stallungen waren leer, die Tische in den Gastzimmern, die Pferdetröge an der Straße waren unbesetzt. Der Wirt, sonst der stolze Beherrscher dieser Straße, lud uns höflich zu einer Jause ein.

      „Mir ist aller Appetit vergangen“, antwortete mein Oheim, „gescheite Leut’ essen nicht viel, und ich bin heut’ um ein Stückel gescheiter worden.“ Bei dem Monumente Karls VI., das wie ein kunstreiches Diadem den Bergpaß schmückt, standen wir still und sahen ins Österreicherland hinaus, das mit seinen Felsen und Schluchten und seiner unabsehbaren Ebene fern dorthin lag. Und als wir dann abwärts stiegen, da sahen wir drüben in den wilden Schroffwänden unseren Eisenbahnzug gehen – klein wie eine Raupe – und über hohe Brücken, fürchterliche Abgründe setzen, an schwindelnden Hängen gleiten, bei einem Loch hinein, beim andern hinaus – ganz verwunderlich.

      „’s ist auf der Welt ungleich, was heutzutag’ die Leut’ treiben“, murmelte der Jochem.

      „Sie tun mit der Weltkugel kegelscheiben!“ sagte ein eben vorübergehender Handwerksbursche.

      Als wir nach Mariaschutz kamen, war es schon dunkel. Wir gingen in die Kirche, wo das rote Lämpchen brannte, und beteten.

      Dann genossen wir beim Wirt ein kleines Nachtmahl und gingen an den Kammern der Stallmägde vorüber auf den Heuboden, um zu schlafen.

      Wir lagen schon eine Weile. Ich konnte unter der Last der Eindrücke und unter der Stimmung des Fremdseins kein Auge schließen, vermutete jedoch, daß der Jochem bereits süß schlummere; da tat dieser plötzlich den Mund auf und sagte:

      „Schläfst schon, Bub?“

      „Nein“, antwortete ich.

      „Du“, sagte er, „mich reitet der Teufel!“

      Ich erschrak. So was an einem Wallfahrtsort, das war unerhört.

      „Ich muß vor dem Schlafengehen keinen Weihbrunn’ genommen haben“, flüsterte er, „’s gibt mir keine Ruh’, ’s ist arg, Bub.“

      „Was denn, Pate?“ fragte ich mit warmer Teilnahme.

      „Na, morgen, wenn ich kommuniziere, leicht wird’s besser“, beruhigte er sich selbst.

      „Tut Euch was weh’, Oheim?“

      „’s ist eine Dummheit. Was meinst, Bübel, weil wir schon so nah’ dabei sind, probieren wir’s?“

      Da ich ihn nicht verstand, so gab ich keine Antwort.

      „Was kann uns geschehen?“ fuhr er fort, „wenn’s die anderen tun, warum nicht wir auch? Ich lass’ mir’s kosten.“

      Er schwätzt im Traum, dachte ich bei mir selber und horchte mit Fleiß.

      „Da werden sie einmal schauen“, fuhr er fort, „wenn wir heimkommen und sagen, daß wir auf dem Dampfwagen gefahren sind!“

      Ich war gleich dabei.

      „Aber eine Sündhaftigkeit ist’s!“ murmelte er, „na, leicht wird’s morgen besser, und jetzt tun wir in Gottes Namen schlafen.“

      Am anderen Tage gingen wir beichten und kommunizieren und rutschten auf den Knien um den Altar herum. Aber als wir heimwärts lenkten, da meinte der Oheim nur, er wolle sich dieweilen gar nichts vornehmen, er wolle nur den Semmeringbahnhof sehen, und wir lenkten unseren Weg dahin.

      Beim Semmeringbahnhof sahen wir das Loch auf der anderen Seite. War auch kohlfinster. – Ein Zug von Wien war angezeigt. Mein Oheim unterhandelte mit dem Bahnbeamten, er wolle zwei Sechser geben, und gleich hinter dem Berg, wo das Loch aufhört, wollten wir wieder absteigen.

      „Gleich hinter dem Berg, wo das Loch aufhört, hält der Zug nicht“, sagte der Bahnbeamte lachend.

      „Aber wenn wir absteigen wollen!“ meinte der Jochem.

      „Ihr müßt bis Spital fahren. Ist für zwei Personen zweiunddreißig Kreuzer Münz.“

      Mein Oheim meinte, er lasse

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