Waldheimat. Peter Rosegger

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Waldheimat - Peter  Rosegger

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      „Um meinen Buben bist da?“ entgegnete mein Vater, „den magst wohl haben, den werden wir leicht entraten; halt ja, er ist gar so viel schlimm.“

      Bauersleute reden gern so herum, um ihre vorwitzigen Kinder zu necken und einzuschüchtern. Allein der Fremde sagte: „Nicht so, Bauer, gescheiterweis’! Die Drachenbinderin will was aufschreiben lassen, ein Testament oder so was, und sie weiß weit und breit keinen zu kriegen, der das Schreiben tät’ verstehen. Jetzt, da hat sie gehört, der Waldbauer im Alpel hätt’ so ein ausbündig Bübel, dem solch Ding im kleinen Finger stecken tät’; und so schickt sie mich her und laßt dich bitten, Bauer, du sollst die Freundschaft haben und ihr deinen Buben auf einen Tag hinüberleihen; sie wollt’ ihn schon wieder fleißig zurückschicken und ihm was geben zum Lohn.“

      Wie ich das gehört hatte, klopfte ich mit den Schuhspitzen schon ein wenig an den Tischschragen – das täte mir gleich nicht übel gefallen.

      „Geh’“, sagte mein Vater, da er auf einem Backen bereits glatt gekratzt war, „wie könnt’ denn mein kleiner Bub’ jetzt im tiefen Winter in die Stanz gehen, ist ja völlig vier Stunden hinüber!“

      „Freilich wohl“, versetzte der große Mann, „deswegen bin ich da. Er steigt mir auf den Buckel hinauf.“

      „Versteh’s schon“, drauf mein Vater, „Buckelkraxentragen.“

      „Nu, und nachher wird’s wohl gehen, Waldbauer, und wenn der Sonntagabend kommt, trag’ ich dir ihn wieder ins Haus.“

      „Je nu, dasselb’ weiß ich wohl, daß du mir ihn wieder redlich zurückstellst“, sagte mein Vater, „und wenn die Drachenbinderin was will schreiben lassen und wenn du der Drachenbinderin ihr Knecht bist, und wenn mein Bübel mit dir will – meinetwegen hat’s keinen Anstand.“

      Die Worte hatte er bereits mit glattem, verjüngtem Gesichte gesprochen.

      Eine kleine Weile nachher stak ich in meinem Sonntagsgewand; glückselig über die Bedeutung, ging ich in der Stube auf und ab.

      „Du ewiger Jud’, du“, sagte mein Vater, „hast mehr kein Sitzfleisch?“

      Aber mir ließ es keine Ruhe mehr. Am liebsten hätte ich mich sogleich auf das breite Genick des großen Mannes niedergelassen und wäre davongeritten. Da kam erst die Mutter mit dem Sterz und sagte: „Esset ihn, ihr zwei, ehe ihr fortgeht!“

      Umsonst hatte sie es nicht gesagt; ich habe unseren breitesten hölzernen Löffel nie noch so hochgeschichtet gesehen, als zur selbigen Stunde, da ihn der fremde große Mann von dem Sterztrog unter seinen Schnurrbart führte. Ich aber ging in der Stube auf und ab und dachte, wie ich nun der Drachenbinderin ihr Schreiber sein werde.

      Als hierauf die Sache insoweit geschlichtet war, daß die Mutter den Sterztrog über den Herd stülpen konnte, ohne daß auch nur ein Brosamchen herausfiel, da hüpfte ich auf das Genick des Mannes, hielt mich am Barte fest und ritt denn in Gottes Namen davon.

      Schon ging die Sonne unter; in den Tälern lagen Schatten, die fernen Schneehöhen der Almen hatten einen mattroten Schein.

      Als mein Gaul über die kahlen Weiden aufwärts trabte, da trug ihn der Schnee, aber als er in die Gegend des jungen Lärchenwuchses und des Fichtenwaldes kam, da wurde die Bodenkruste trügerisch und brach ein. Jedoch darauf war er vorgesehen. Als wir zu einem alten, hohlen Lärchenbaum kamen, der sein Geäste recht keck in die Luft hinausreckte, hielt er an, langte mit einer Hand in die schwarze Höhlung und zog ein paar aus Weiden geflochtene Fußscheiben hervor, die er an die Schuhsohlen band. Mit diesen breiten Sohlen begann er die Wanderung von neuem; es ging langsam, denn er mußte die Füße sehr weit auseinanderbiegen, um die Scheiben füreinander zu bringen, aber mit solchen Entenfüßen brach er nicht mehr durch.

      Auf einmal, es war schon finster und die Sterne leuchteten klar, hub mein Gaul an, mir die Schuhe loszulösen, zog sie zuletzt gar von den Füßen und tat sie in seine aufgebundene Schürze. Dann sagte er: „Jetzt, Bübel, steck’ deine Pfötelein da in meine Jackentaschen, daß die Zehen nicht herabfrieren.“ Meine vorgereckten Hände nahm er in die seinen und hauchte sie mit dem warmen Atem an – was anstatt der Handschuhe war.

      An meinen Wangen kratzte die Kälte, der Schnee winselte unter den Scheiben – so ritt ich einsam fort durch den Wald und über die Höhen. Ich ritt über den ganzen langen Grat des Hochbürstling, wo ich nicht einmal zur Sommerszeit noch gewesen war! Ich preßte zuweilen, wenn es schon ganz langsam ging, meine Knie in die Weichen, und mein Gaul ertrug es willig und ging, wie er konnte, und er wußte den Weg. Ich ritt an einem Pfahle vorbei, auf welchem Winter und Sommer der heilige Viehpatron Erhardi stand. Ich kannte den heiligen Erhardi von daheim; ich und er hatten zusammen die Aufsicht über meines Vaters Herden; er war immer viel angesehener als ich, ging ein Rind zugrunde, so hatte ich, der Halterbub, die Schuld; gediehen die anderen recht, so hatte er das Lob. – Nun tat’s mir wohl, daß er sah, wie ich es zum Rittersmann gebracht.

      Endlich wendete sich der Lauf, ich ritt abwärts über Stock und Stein, und immer niederwärts, einem Lichtlein zu, das unten in der Tiefe flimmerte. Und als so alle Bäume und Gegenden an mir vorübergegangen waren und ich vor mir den dunkeln Klumpen mit der kleinen Tafel des Lichtscheines hatte, stand mein guter Christof still und sagte: „Du liebes Waldbauernbübel! Da du mir fremdem Menschen so unbesonnen gefolgt bist – wohl könnte es sein, daß ich schon jahrelang einen Groll hätt’ gegen deinen Vater, und daß ich dich jetzt in eine Räuberhöhle führte.“

      Horchte ich einen Augenblick so hin.

      Weil er zu seinen Worten nichts mehr beisetzte, so sagte ich in demselben Tone: „Da mein Vater mich der Drachenbinderin ihrem Knechte so anvertraut hat, und da ich so unbesonnen gefolgt bin, so wird der Drachenbinderin ihr Knecht keinen Groll haben können und mich nicht in eine Räuberhöhle führen.“

      Der Mann hat nach diesen meinen Worten in seinen Bart gepfustert. Bald darauf hub er mich auf einen Strunk an der Wand und sagte: „Jetzt sind wir bei der Drachenbinderin ihrem Hause.“ Er machte an dem dunkeln Klumpen eine Tür auf und trug mich hinein.

      In der kleinen Stube war ein Herd, auf dem das Häufchen Glut lag, ein Kienspan, der brannte, und ein Strohlager, auf dem ein Kind schlief. Daneben stand ein Weib, das schon sehr alt und gebückt war und das im Gesicht schier so blaß und faltenreich aussah, wie das grobe Nachtkleid, in das es gehüllt stand.

      Dieses Weib stieß, als wir eintraten, jauchzende Töne aus, hub dann heftig zu lachen an und verbarg sich hinter dem Herde.

      „Das ist die Drachenbinderin“, sagte mein Begleiter, „sie wird gleich zu dir reden, setze dich hieweilen auf den Schemel da neben dem Bett und tu’ deine Schuh’ wieder an.“

      Ich tat es und er setzte sich daneben auf einen Holzblock. Als das Weib still geworden war, trippelte es am Herde herum und brachte uns in einer Tonschüssel eine graue dampfende Mehlsuppe und zwei beinerne Löffel dazu. Der Knecht aß würdevoll und beharrlich, mir wollte es nicht schmecken. Zuletzt stand der Knecht auf und sagte leise zu mir: „Schlaf wohl, du Waldbauernbub!“ und ging davon.

      Und als ich in der schwülen Stube allein war mit dem schlummernden Kinde und dem alten Weibe, da hub es mir an, unheimlich zu werden. Doch nun trat die Drachenbinderin heran, legte ihre leichte, hagere Hand an meine Wange und sagte: „Dank’ dir Gott unser lieber Herr, daß du zu mir gekommen bist! – Es währet kein halbes Jährlein noch, seit mir meine Tochter ist gestorben. Das da“ – sie deutete auf das Kind – „ist mein junger Zweig, ist ein gar armer Wurm, wird mein Erbe sein. Und jetzt hör’ ich schon wieder den Tod anklopfen an meiner Tür;

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