Die Weisheit eines offenen Herzens. Thubten Chodron
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44 Wahrgenommene Bedrohungen und Bedürfnisse beachten
45 Einfühlsames Zuhören ist wichtig
46 Uns selbst und anderen mit Empathie begegnen
47 Humor
48 Die Achtsame-Gefühle-Ampel
49 Um etwas bitten
50 Entschuldigen und Vergeben
51 Positives Feedback und Lob
52 Das Überleben der Kooperativsten
53 Mitgefühl und Bindungen
54 Mitgefühl in uns selbst und anderen wachrufen
55 Die Bedeutung von Beständigkeit
TEIL V SCHLAGLÖCHER IN DER STRASSE
56 Mitgefühl und eigener Schmerz
57 Mitgefühlsmüdigkeit
58 Parteilichkeit überwinden
59 Fehlgeleitetes Mitgefühl
60 Schlechter Rat von Freunden
61 Angst vor Mitgefühl, Beständigkeit und im eigenen Tempo „auftauen“
TEIL VI MITGEFÜHL IN AKTION
62 Mitgefühl als Heilmittel gegen niedriges Selbstwertgefühl
63 Mitgefühl als Heilmittel gegen den kritischen, urteilenden Verstand
64 Innehalten und den Dingen Raum lassen
65 Mitgefühl und ethische Lebensweise
66 Mitgefühl, Unsicherheit und unbequeme Wahrheiten
67 Jede kleine mitfühlende Tat kann große Wirkungen haben
68 Wie uns Mitgefühl verändert
69 Mitgefühl in jeden Augenblick hineinbringen
Danksagung
Anmerkungen
Literatur
Vorwort von seiner Heiligkeit dem Dalai Lama
Ich sage den Leuten immer, dass „Herzensgüte“ meine Religion ist, denn Güte ist uns angeboren. Ohne Güte und Freundlichkeit könnte keiner von uns überleben. Wenn wir auf die Welt kommen, werden wir mit Güte und Mitgefühl empfangen. Aufgrund der Güte und Freundlichkeit anderer haben wir Nahrung, ein Dach über dem Kopf, Kleidung und Medizin – alles, was wir brauchen, um zu überleben. Als Kinder erhalten wir unter der Obhut anderer eine Bildung und lernen viele wertvolle Dinge, die uns im Leben weiterhelfen. Wenn wir von der Güte anderer profitiert haben, ist es nur natürlich, dass wir etwas zurückgeben.
Manchmal hält uns unser Eigeninteresse allerdings davon ab. Außerdem gibt es Leute, die behaupten, wir seien genetisch darauf programmiert, ohne Rücksicht auf andere nach unserem persönlichen Vorteil zu streben. Ich glaube nicht, dass wir uns von solchen simplen Instinkten einschränken lassen müssen. Es ist ganz natürlich, dass wir unsere eigenen Interessen verfolgen, aber wir müssen es mit Intelligenz tun, nicht mit Dummheit. Und der intelligente Weg ist, auch auf andere Rücksicht zu nehmen.
Heute gelangen immer mehr Wissenschaftler zu der Erkenntnis, dass bewusstes Kultivieren von Mitgefühl sich positiv auf die Gehirnfunktion auswirkt und bestimmte neuronale Schaltkreise stärkt. Mit anderen Worten, unser wunderbares menschliches Gehirn kann transformiert werden, indem wir unsere besten Eigenschaften – Großzügigkeit, Mitgefühl, Liebe, Toleranz, Vergebung, innere Stärke, Geduld und Weisheit – nähren. Und die uralten, auf reiner Vernunft basierenden Methoden, die der Buddha lehrte, um uns zu helfen, negative Gefühle loszulassen und positive zu stärken, können uns dorthin führen.
Die globale Vernetzung und somit wechselseitige Abhängigkeit in der Welt nimmt immer mehr zu, aber ich frage mich, ob wir wirklich verstehen, dass unsere interdependente menschliche Gemeinschaft mitfühlend sein muss – mitfühlend in der Wahl ihrer Ziele, mitfühlend in der Zusammenarbeit und der Art und Weise, diese Ziele zu verfolgen. Mitgefühl stärkt die Grundprinzipien der Würde und Gerechtigkeit für alle. Vom buddhistischen Standpunkt aus gesehen entspringt alles dem Geist, dem Bewusstsein. Echte Wertschätzung von Menschlichkeit, Mitgefühl und Liebe ist das Schlüsselthema. Wenn wir anfangen, mit Herz an die Dinge heranzugehen, ob im Bereich der Wissenschaft, der Wirtschaft oder der Politik, wird – weil die Motivation so ungeheuer wichtig ist – uns alles mehr zum Segen gereichen. Mit einer positiven Motivation, die die Interessen anderer genauso ernst nimmt wie die eigenen, kann unser Handeln dem Wohl der Menschheit dienen, aber ohne eine solche Motivation wird unser Handeln wahrscheinlich Schaden anrichten. Deshalb ist Mitgefühl so immens wichtig für die Menschheit.
Ich freue mich besonders darüber, dass dieses Buch Die Weisheit eines offenen Herzens gemeinsam von einem Psychologen und einer buddhistischen Nonne geschrieben wurde. Beider Traditionen sind reich an Wissen und Weisheit und können viel miteinander teilen und voneinander lernen. Da ich selbst seit vielen Jahren in den Dialog zwischen moderner Wissenschaft und buddhistischer Wissenschaft involviert bin, macht es mich froh, zu sehen, dass auch andere daran teilnehmen und das Gespräch bereichern. Die Autoren präsentieren das Thema „Mitgefühl“ in einer leicht verständlichen Sprache und auf eine Weise, die für jede und jeden umsetzbar ist, gleich, welchem Glauben (oder auch gar keinem) er oder sie sich zugehörig fühlt. Die kurzen Betrachtungen am Ende jedes Beitrags geben den Lesern und Leserinnen einfache und doch effektive Hinweise darauf, wie man anfangen kann, die segensreichste aller menschlichen Eigenschaften zu entwickeln und zu kultivieren: Mitgefühl.
Der Dalai Lama, 29. August 2013
Vorwort von Paul Gilbert
Die westliche Psychologie hat sich darauf konzentriert, den menschlichen Geist wissenschaftlich zu erforschen – vor allem den individuellen. Sie hat ihren Blick auf psychische Probleme, Aggression, Selbstsicherheit, Durchsetzungsvermögen und Selbstwertgefühl gerichtet, darauf, wie Menschen konkurrenzfähiger werden, schönere Körper und besseren Sex haben können. Tatsächlich mehren sich die Beweise dafür, dass wir im Laufe der vergangenen 30 Jahre immer selbstbezogener, habgieriger und narzisstischer geworden sind, zunehmend mit unserem Selbstgefühl und unserer Selbstdarstellung beschäftigt, ob in der „realen“ Welt bei der Arbeit oder der Partnersuche oder in der virtuellen Welt der sozialen Netzwerke. Wir wurden, wie der verstorbene Christopher Lash bemerkte, zu Theaterschauspielern, von Selbstkritik, Scham und Angst vor Zurückweisung gequält, wenn unsere „Performance“ nicht den Beifall der anderen findet. Unglücklicherweise führt unsere „Tu-mehr-habemehr-sei-mehr-Haltung“ nicht unbedingt zu größerer Zufriedenheit, sondern birgt ein erhöhtes Risiko, Depressionen und Angststörungen zu entwickeln, die in westlichen Ländern gerade unter jüngeren Menschen auf dem Vormarsch sind.
Was geschieht also, wenn wir das auf den Kopf stellen, das heißt, wenn nicht vor allem Selbstoptimierung der Schlüssel zum Glücklichsein ist, sondern Mitgefühl – der Wunsch, sensibel für das eigene Leiden