Die Weisheit eines offenen Herzens. Thubten Chodron
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Chodron: 3–5, 7, 11, 14, 17, 18, 21–30, 35, 37–39, 41, 46, 47, 49, 50–52, 56–59, 62, 63, 65, 67, 68
1 Unsere Motivation ausrichten
In diesem Buch geht es darum, zu lernen, Mitgefühl in unseren Alltag zu bringen, wie hektisch oder fordernd dieser auch sein mag. Wenn man sich auf eine wichtige Reise begibt, lohnt es sich, einige Vorbereitungen zu treffen – und auf diese Reise kommt es ganz besonders an. Bereiten wir uns also gemeinsam darauf vor, indem wir uns mit der Frage der Motivation befassen, die ein wesentliches Element des Mitgefühls ist.
Haben Sie sich jemals gefragt, warum Sie tun, was Sie tun? Wir haben viele unterschiedliche Motive, die mit einer ganzen Reihe von Zielen verknüpft sind: Vielleicht wollen wir Beziehungen aufbauen, Geld verdienen, Status oder Besitz erwerben, einen Sinn im Leben finden oder glücklich werden. Manchmal sind uns unsere Motive auch überhaupt nicht bewusst und wir haken den ganzen Tag über eine „To-do-Liste“ ab, ohne uns im Klaren darüber zu sein, warum wir diese Dinge tun. Wir können uns allerdings für eine Motivation entscheiden und sie bewusst kultivieren, so wie wir Setzlinge in einem Garten hegen und pflegen. Insbesondere können wir beschließen, alles, was wir tun, zum Wohle aller Beteiligten zu tun. Und das hat beträchtliche Vorteile: Das Motiv hinter einer Tat – der Grund, warum wir dies tun – hat einen enormen Einfluss darauf, wie wir es tun, wie wir uns dabei fühlen sowie auf das Ergebnis der Aktion. Wenn wir innehalten, um uns bewusst auf eine mitfühlende Motivation auszurichten, bevor wir handeln, verändert sich im Laufe der Zeit unser Bewusstseinszustand, wir treffen klügere Entscheidungen und unsere Lebensqualität verbessert sich.
Wir alle haben verschiedene Verantwortlichkeiten und Pflichten im Beruf oder zu Hause. Stellen Sie sich vor, eine Ihrer Aufgaben bestünde darin, das Abendessen für Ihre Familie oder Ihre Mitbewohner zuzubereiten. Wenn Sie nach einem anstrengenden Arbeitstag müde nach Hause kommen, könnten Sie die Zubereitung des Essens leicht als eine weitere Erledigung auf Ihrer To-do-Liste abhaken. Vielleicht verspüren Sie sogar einen gewissen Widerwillen und denken: „Ich muss das tun“, selbst wenn es eine Aufgabe ist, die zu übernehmen Sie sich bereit erklärt haben und die ihnen oft Freude macht.
Stellen Sie sich vor, Sie würden mit einer anderen Haltung an die Zubereitung des Essens gehen. Was wäre, wenn Sie, zu Hause angekommen, „in einen anderen Gang schalten“ würden, indem Sie sich ein paar Minuten für sich allein gönnten oder einfach eine Minute tief durchatmeten, um die Spannung in Ihren Muskeln zu lösen? Was, wenn Sie sich dann bewusst auf die Motivation ausrichteten, eine schmackhafte Mahlzeit zuzubereiten, um diese Menschen zu nähren, die Ihnen am Herzen liegen, um ihr Leben besser zu machen? Stellen Sie sich vor, wie Sie dieses Essen mit einer Absicht zubereiten – einer Absicht, die die Werte widerspiegelt, die Ihnen wichtig sind, wie Güte, Liebe, Mitgefühl und Freundlichkeit. Stellen Sie sich weiter vor, wie sich die anderen freuen und durch die von Ihnen mit Liebe zubereitete Mahlzeit gestärkt werden. Wenn wir Mitgefühl in unsere Motivation hineinbringen, kann das die alltäglichsten Aufgaben auf eine andere Ebene heben. Wir können das Geschirr so spülen, dass andere daraus essen können, ohne krank zu werden. Als Eltern und Lehrer können wir Kinder leiten und gelegentlich disziplinieren, mit der Absicht, ihnen zu helfen, Qualitäten zu entwickeln, die ihnen zugutekommen, wenn sie heranwachsen. Wir können mit Kunden mit der Absicht kommunizieren, ihnen zu helfen, das zu finden, was sie brauchen und woran sie sich erfreuen. Buddhistische Lehrer ermutigen uns, unsere Motive zu hinterfragen, bevor wir handeln, um sicherzugehen, dass es keine selbstsüchtigen oder unfreundlichen sind und dass es unser höchstes Ziel ist, anderen zum Segen zu gereichen und dazu beizutragen, ihr Leiden zu lindern. Stellen Sie sich vor, sie würden aus der Motivation heraus handeln, alle Wesen – auch sich selbst – vom Leiden zu befreien. Bremsen Sie sich nun nicht mit dem Gedanken: „Das ist Unsinn, völlig unmöglich, das kann ich doch nicht.“ Stellen Sie sich einfach vor, wie Sie sich fühlen würden, wie Sie denken und handeln würden, wenn das Ihr Motiv wäre.
BETRACHTUNG:
Mit einer Motivation arbeiten
Denken Sie nun am Anfang unseres Diskurses über Mitgefühl einmal darüber nach, dieses Buch mit der Absicht zu lesen, positive Qualitäten zu entwickeln und zu kultivieren, damit Sie zum Wohlergehen aller beitragen können, mit denen Sie in Kontakt kommen, auch Sie selbst. Stellen Sie sich vor, dass Sie mit der aufrichtigen Motivation handeln, die Welt um Sie herum zu einem freundlicheren, glücklicheren Ort zu machen und das Leiden derjenigen zu verringern, mit denen Sie zu tun haben. Versuchen Sie, sich jeden Morgen, bevor Sie aufstehen, einen Moment Zeit zu nehmen, um Ihre Motivation auszurichten: „Heute will ich mein Bestes tun, um den Menschen, mit denen ich zu tun habe, mit Freundlichkeit und Mitgefühl zu begegnen.“ „Heute will ich versuchen, weniger zu urteilen.“ „Heute werde ich meinen Kindern ein Beispiel für Geduld und Beständigkeit sein, damit sie diese Eigenschaften verinnerlichen.“ Experimentieren Sie damit, jeden Morgen Ihre Motivation auf diese Weise auszurichten und schauen Sie, ob das Ihren Tag in irgendeiner Weise verändert.
TEIL I
Mitgefühl:
Was es ist, was es nicht ist
und warum es sich lohnt, es zu
entwickeln und zu kultivieren
2 Was ist Mitgefühl und warum brauchen wir es?