Alles beginnt und endet im Kentucky Club. Benjamin Alire Saenz

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Alles beginnt und endet im Kentucky Club - Benjamin Alire Saenz

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denn nicht?«

      »Du weißt warum.«

      »Nein, das weiß ich nicht.«

      »Was würde passieren, wenn alle gehen?«

      »Dann würde die Stadt sterben.«

      »Genau, Carlos.«

      »Aber wenn du stirbst?«

      »Du solltest aufhören, Zeitung zu lesen.«

      »Das kann ich nicht, Javier.«

      »Mir passiert schon nichts. Wir können ewig so weiterleben.«

      »Dann ziehe ich nach Juárez.«

      »Nein.«

      »Warum nicht?«

      »Du gehörst hierher.«

      »Ich gehöre zu dir.«

      Er lächelte. »Das hast du noch nie gesagt.«

      »Ich kann dir jeden Tag sagen, dass ich dich liebe. Jeden Tag meines Lebens. Und es ist wahr.«

      »Du musst mir nichts sagen, was ich sowieso schon weiß.«

      »Dann ziehe ich nach Juárez.«

      »Nein.«

      »Warum nicht?«

      »Was ist, wenn dir irgendwas passiert?«

      »Was soll denn passieren?«

      »Du weißt, wovon ich rede.«

      »Und du weißt, wovon ich rede.«

      Zu guter Letzt brüllten wir uns an. Er hatte mich noch nie angebrüllt. Ich ihn auch nicht. Das einzige Mittel, diesen Streit zu beenden, war Sex. Hinterher im Bett flüsterte er: »Ich kann nicht über meinen Schatten springen, Carlos. Ich bin nun mal so.«

      Ich war nicht seine einzige Liebe und würde es auch nie sein. Vielleicht liebte er Juárez mehr als mich. Aber in Bezug auf mich hatte er recht gehabt. Ich war kein eifersüchtiger Typ. Er konnte sein Juárez lieben. Und er konnte auch mich lieben. So würde es sein.

      »Wir können ewig so leben«, sagte ich. Dabei hatte ich so viel Glück gar nicht verdient.

      12

      Am letzten Freitag im August rief ich Javier auf seinem Handy an. »Bist du gerade unterwegs?«

      »Nein, ich warte auf den Konsul, der ist noch bei einem Essen.«

      »Wann hast du frei?«

      »Nicht vor sieben. Der Botschafter ist in der Stadt. Am Sonntag muss ich ihn nach Chihuahua fahren.«

      »Okay. Dann treffen wir uns nach der Arbeit auf einen Drink im Kentucky Club. Und heute bin ich mal dran, bei dir zu übernachten.«

      Ich merkte, dass er zögerte.

      »Javier?«

      »Ja, wunderbar«, sagte er.

      Beim Überqueren der Brücke fiel mir auf, wie wenig hier los war. Als ich jung war, wimmelte es auf der Santa Fe Bridge vor Fußgängern. Die Avenida Juárez war voll von Straßenimbissen und Leuten aus El Paso, die nach einer langen Woche endlich mal ausspannen wollten. Aber diese Zeiten waren vorbei. Die Brücke war praktisch menschenleer. Ich ging vorbei an den Soldaten, die ihre Gewehre auf dem Rücken trugen, Soldaten, die aus der Nähe mehr Ähnlichkeit mit Schuljungen hatten als mit erwachsenen Männern. Als ich den Kentucky Club betrat, saß Javier am Tresen.

      Wir berührten uns mit den Augen.

      »Bist du schon lange da?«

      »Gerade erst gekommen.«

      »Ich hab dir eine Margarita bestellt.«

      »Ich hasse Margaritas.«

      »Ich auch. Aber ich fand, wir sollten trotzdem eine trinken.«

      Ich musste lachen.

      Wir setzten uns an einen Ecktisch.

      »Niemand kommt mehr hierher«, sagte ich.

      Wir tranken unsere Margaritas. Er war still, ich war gesprächig. Ich erzählte ihm, dass ich als junger Mann öfters hier gewesen war, dass mir einmal ein älterer Gringo einen Antrag gemacht hatte, der schon zum Reden zu betrunken war. »Er hätte keinen mehr hochgekriegt.«

      »Du musst sehr gut ausgesehen haben.«

      »Darüber habe ich mir nie groß Gedanken gemacht.«

      »Warum nicht?«

      »Seit wann ist es ein Verdienst, gut auszusehen?«

      Javier betrachtete mich. So wie er mich immer betrachtete.

      »Weißt du«, sagte ich, »ich mochte nicht darüber nachdenken, wie ich aussah. Ich glaube, ich mochte es nicht mal, einen Körper zu haben.«

      »Warum nicht?«

      »Mir hat jemand etwas angetan. Als ich ein Junge war.« Javier musterte mein Gesicht. »Das hast du nicht verdient.«

      »Bring mich nach Hause«, sagte ich.

      13

      Seine Wohnung war nicht gerade groß – Schlafzimmer, kleines Wohnzimmer, Küche, Bad. Überall gab es Pflanzen und Bücher. An den Wänden hingen Fotografien. Und in seinem Schlafzimmer ein Bild von mir. Die Wohnung hatte eine Art sachliche Eleganz, die mich an sein Lächeln erinnerte.

      Wir liebten uns nicht. Wir hielten uns nur fest umschlungen.

      Mitten in der Nacht wachte ich auf und zog mich aus. Javier war im Wohnzimmer, in einen meiner Romane vertieft.

      »Was machst du da?«, fragte ich.

      »Ich liebe den Autor. Hab ich dir das noch nicht gesagt?« Den Rest der Nacht schliefen wir nicht mehr.

      Wir liebten uns wie Jungs, die eben erst die Wunder der Sexualität entdeckt haben.

      Am nächsten Tag frühstückten wir mit den beiden Frauen von nebenan. Magda und Sofia. Beide waren Lehrerinnen und Aktivistinnen, und sie sprachen voller Wehmut über das, was mit ihrem geliebten Juárez passierte. Ich fand es merkwürdig, unlogisch und bewegend zugleich, dass diese aufrechten Menschen einer Stadt die Treue hielten, die ihre Liebe nicht verdient hatte. Aber sie fanden ihre Erfüllung darin, mit Kindern zu arbeiten, die praktisch von nichts leben mussten. Ich versprach, das nächste Mal ein paar Kinderbücher mitzubringen.

      »Würden Sie ihnen auch daraus vorlesen?«

      »Ja,

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