Gretge. „mit Hexen verwandt, als Hexe verbrannt“. Jürgen Hoops von Scheeßel
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Читать онлайн книгу Gretge. „mit Hexen verwandt, als Hexe verbrannt“ - Jürgen Hoops von Scheeßel страница 9
Es gab nur zwei Schlüssel, den einen trug Frau Höborg und den anderen Trine bei sich. Gretge stand mit Trine zusammen auf und half ihr in der Küche und beim Vieh. Trine dachte: „Bald macht das Gretge, und ich kann ein wenig länger schlafen“, so wie es Trines Vorgängerin mit ihr gehalten hatte.
Gretge konnte bald wieder lachen und fröhlich sein. Sicherlich hatte sie sieben Tage in der Woche Pflichten zu verrichten, durfte aber mit der Familie zusammen am Tisch essen und gemeinsam zum Kirchgang gehen und wurde auch dort nicht gehänselt, so wie daheim.
Sie blühte richtig auf. Das bemerkten auch die jungen Burschen hier in der Stadt, wo Feste gefeiert wurden, die sie von zu Hause her gar nicht kannte. Die Menschen hier waren ganz anders als daheim in ihrem Dorf und das machte sie neugierig.
Trine war sozusagen zur Großmagd aufgestiegen und Gretge war nun in der Position einer Jungmagd.
Ihrer Cousine Trine fiel auf, wie Gretge in den Mittelpunkt des Interesses bei den jungen Männern, wo sie bislang stand, rückte. Das gefiel ihr ganz und gar nicht, denn sie war doch die Großmagd und das Kücken war figürlich eher sparsam und zierlich ausgestattet und konnte sich mit Trines Maßen nicht messen. Gretge fiel dies nicht auf. Sie war zu sehr mit der neuen Situation und sich, als dass sie sich mit den Gefühlen der Cousine beschäftigte.
II
Zu Gretges erster Fastnachtsfeier, die am 11. Februar des Jahres 1662 stattfand, nahm Trine sie dennoch mit. Wo sollte sie Gretge auch sonst lassen. Höborgs würden es nicht verstehen und Trine nach dem Grund fragen. Also nahm Trine sie mit.
Die Stadtjugend traf sich in einer alten Scheune am Rande der Stadt, während die Alten sich meist im Krug trafen oder am Feuer in den Dielen versammelt waren. Sie soffen so viel Bier und Branntwein, wie eben rein ging und manche so viel, dass es ihnen zu den Ohren wieder herauskam.
Die jungen Leute hingegen hatten schon aufgrund ihres Geldbeutelinhalts spärlichere Möglichkeiten. Dennoch kreisten auch in der alten Scheune mehrere Schnaps-flaschen, welche die jungen Männer mitgebracht hatten.
Sie tranken sich in Stimmung und zugleich Mut an und nutzen ihn auch gezielt, um die Mädchen und jungen Frauen etwas aufzulockern. Manche Pärchen ver-schwanden in der Scheune auf den Dachboden, auf dem Stroh gelagert war. Gretge sah das zwar, wusste aber noch nicht, was hier so getrieben wurde.
So fragte sie Trine, was es denn da oben auf dem Dachboden zu sehen gäbe. Trine lachte laut auf und die Jungs, die bei Ihnen standen, lachten mit. „Du Dummchen, wirst es noch früh genug erfahren“, sagte Trine zu ihr mit einem Grinsen im Gesicht. Einer der Jungs bot sich an, es ihr zu zeigen. Gretge schämte sich, denn sie war naiv genug gewesen, zu fragen. Nun schoss es ihr durch den Kopf, was dort geschah, konnte nur die Fleischeslust sein, vor welcher der Pastor noch letzten Sonntag in seiner Predigt eindringlich gewarnt hatte, und doch verspürte Gretge Lust auf das Verbotene mit der Neugier eines unwissenden Menschen.
Zwar hatte der Pastor am Sonntag in seiner Predigt noch zum Maßhalten angehalten und die Gemeinde vor der Hölle und den Auswüchsen der Sünde gewarnt, aber es scherte sich kaum jemand darum. Sie hatten den langen Krieg überlebt und feierten erstmals im Frieden.
An diesem Abend trank Gretge zum ersten Mal in ihrem Leben selbst gemachten Branntwein vom Hauswirt, den Trine abgezweigt hatte. Er bekam ihr gar nicht gut, denn ihr wurde hundeelend. Dennoch kicherte, ja gackerte sie ungewöhnlich laut und es war ihr schwindelig dazu. Aber sie trank weiter alles mit und eiferte ihrer Cousine nach. Sie wollte endlich einmal auch dazugehören und sich freuen, von ganzem Herzen freuen.
Ihre Onkels und Anverwandten hatten schon viel von diesen Feiern im Kreise der Familie berichtet und nun durfte sie es endlich miterleben. Nun war sie selbst dabei und hörte den dort Anwesenden aufmerksam und neugierig zu, denn sie hatten ja anscheinend alle etwas Besonderes erlebt.
So hörte es sich jedenfalls in Gretges Ohren an. Sie erzählten prahlend ihre Heldentaten in den schillernsten Farben. Nur Gretge selbst konnte nichts berichten, und das machte sie traurig.
III
Früh am Morgen ging sie noch aufgedreht mit Trine zusammen nach Hause. Es waren nur zwei Meilen, und die Nacht war zwar sehr kühl, aber es gab keinen Schneefall oder Regen. Trine hatte eine kleine Laterne mitgenommen, die sich nun als sehr nützlich erwies.
Gretge dachte daran, dass Trine plötzlich für lange Zeit verschwunden war, und als sie wieder da war, hatte sie überall Strohreste am Kleid und im Haar gehabt.
Es war Gretges erste Nacht, die sie durchgefeiert hatte. Beide jungen Frauen waren recht angetrunken und lachten über Trines Männergeschichten und die Jungs, die Trine ganz eifrig abblitzen ließ. Über den jungen Mann, von dem sich Trine diesen Abend besteigen ließ, sprachen sie nicht.
Ja, die Sache mit den Jungs hatte Gretge gefallen, und es war ein neues unbekanntes Gefühl. Es war einer dabei, der war auch so still wie sie selbst und nicht so, wie die anderen, die grölten und die Mädchen einfach überall anfassten. Überall, das geht doch nicht, dachte sie noch.
Auch Gretge wurde am Gesäß und an der Brust getätschelt und wies die Männer ab, haute einem gar recht forsch auf die Hand. Dennoch bemerkte sie dabei, dass sich ihre Brustwarzen dabei zu kleinen festen Knoten formten und es ihr zugleich warm vom Herzen über den Bauch in den Schoß schoss. Sie hätte es gerne einmal versucht mit dem Jungen, der ihr gefiel, einen Augenblick allein zu sein, hatte sich aber doch nicht getraut. Sie hatte Angst, weil sie noch nie mit einem Jungen zusammen gewesen war und es hatte sich auch noch nie einer für sie interessiert, der nicht darüber sprach, es einer kleinen Hexe einmal so richtig zu besorgen. Diese Worte waren ihr im Ohr geblieben, auch wenn sie damals den Satz noch nicht richtig verstanden hatte.
Vor einem Jahr war sie zufällig am Schauer daheim bei den Eltern auf dem Hof vorbeigegangen, als sie Stimmen vernahm. Da schaute sie durch die Ritzen der Bretter in das Innere und sah den alten Großknecht Lewerenz auf der Jungmagd Anne, deren Rock hochgeschoben war, mit heruntergelassener Hose liegen und sich auf und ab bewegen. Dabei fiel der Satz, dass er es ihr schon besorgen würde. Da begriff Gretge, was der Junge einst gemeint hatte. Sie sah seinerzeit noch gespannt bis zu Ende zu und schlich sich dann zum Haus zurück. Darüber hatte sie noch mit niemandem gesprochen.
Weil Gretge mit nichts prahlen konnte, erzählte sie Trine, dass es zu Hause im Heimatdorf unweit des Teufelsackers eine Stelle im Wald gab, an der eine eigentümliche Pflanze ringförmig wüchse, welche als Hexenkraut allerorts bekannt war.
Sie beschrieb den Platz sehr genau und berichtete, dass dort in der unbewachsenen Mitte die Hexen tanzten, wenn es Vollmond war, und tat, als hätte sie es selbst gesehen und erlebt. Diese Pflanze trifft man nicht einzeln an, sagte sie Trine hinter vorgehaltener Hand, sondern es stehen viele zusammen, als wollen sie sich schützen. Sonderbar ist es nun, erzählte sie mit einem geheimnisvollen Flüstern, dass diese Pflanzen alle zu einem Kreise angeordnet sind und dass in der Kreisfläche selbst keine stehen.
Sie prahlte nun mit all den Geschichten, die man sich über ihre Großmutter und Mutter im Dorf erzählte, als sei Gretge dabei gewesen und vermittelte der Cousine den Eindruck, eine wahrhafte Hexe stünde vor ihr. Trine sah sie erschrocken an, aber Gretge fühlte sich wohl und meinte ihrer Cousine imponiert zu haben.
Sie erzählte weiter, dass die Großmutter immer eine Zauberformel sprach, und erhob dabei die Hände beschwörend gen Himmel gestreckt: