Gretge. „mit Hexen verwandt, als Hexe verbrannt“. Jürgen Hoops von Scheeßel

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Gretge. „mit Hexen verwandt, als Hexe verbrannt“ - Jürgen Hoops von Scheeßel

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fahren und auch abholen zu lassen, noch verstehen, warum sie dann wieder unbedingt zu Fuß gehen wollte. Darüber hatten sie häufig gestritten.

      Im Grunde genommen machte er sich große Sorgen um seine Frau und seine Tochter. Claus’ Mutter hingegen verstand Mette und unterstützte sie immer wieder, wes-wegen Claus stets einlenkte, denn gegen beide Frauen kam er nicht an. Eigentlich wollte er es auch gar nicht.

      XI

      Gretges Mutter wurde noch dreimal schwanger und gebar noch zwei lebende Töchter, aber auch noch einen toten Knaben.

      Dass sich die Eltern im Laufe der Jahre immer weniger verstanden, bemerkten die Kinder kaum. Der Vater arbeitete den ganzen Tag, schob Probleme auf die schweren Zeiten, und auch die Großeltern sprachen nicht darüber. Die alte Margarethe fand auch kein Mittel, hier gütlich Einfluss zu nehmen.

      Gretges Vaterbruder Peter lebte mit seiner Familie auf ihres Vaters Hof und hatte drei Kinder, Anna, Johann und Tietke. Sie spielten kaum mit ihrer Cousine Gretge. Meist heckten sie nur Dummheiten aus und neckten Gretges kleinen Bruder Tietke, der einst den Hof erben sollte. Er war ja der älteste und einzige Sohn von Claus. Dass alles anders kam, erlebte sein Großvater, der alte Tietke, nicht mehr.

      So wurde Gretge älter und übernahm als älteste Tochter immer mehr Pflichten auf dem Hof. Sie musste der alten Großmutter, die immer kümmerlicher wurde, und der Mutter im Haushalt helfen, aber auch auf die kleineren Geschwister achtgeben. Mit den Nachbarkindern durfte sie nicht spielen. Das hatte ihr die Mutter verboten, und sie passte auf, dass Gretge sich an das Verbot hielt.

      Gretge wuchs zu einem ansehnlichen Mädchen heran, welches lange, schön geflochtene dunkelblonde Zöpfe trug wie die meisten anderen Mädchen auch.

      Am Ende waren sie mit einer blauen Schleife zusammen-gebunden. Ihre Großmutter trug einen Dutt, wie es viele ältere Frauen taten und darüber meist ein Kopftuch. Das hielt die Haare zusammen und die Ohren warm, schützte sie zugleich vor Zugluft.

      Sie war sehr zurückhaltend, hatte keine Freundinnen und wurde von den Nachbarkindern häufig als „Hexenbrut“ gehänselt, wenn kein Erwachsener dabei war. Es wurde auch hinter vorgehaltener Hand über sie getuschelt und gekichert. Das schmerzte Gretge sehr. Sie sah die Mutter auch oft leise weinen, wenn der Vater und die Großeltern nicht im Hause waren. Dann ging sie zu ihr und sie nahm sie in die Arme, wie es sonst die Mutter bei ihr oder die Tante bei Gretges Mutter tat.

      Gretges Familie stand vor und nach dem Kirchgang meist alleine und abseits vor der Kirche und fuhr häufig schnell wieder heim.

      Mette hatte sich einst der Frau von Pastor Dornemann, wegen der Geschichte mit dem zerrissenen Kleidchen anvertraut. Sie wurde eher hinaus komplimentiert als angehört. Mette hatte auf Zuspruch und Hilfe gehofft, fand sie aber nicht. Die Pastorenfrau sprach von Missverständ-nissen und falschen Deutungen, denn das würde der beschuldigte Nachbar nie im Leben machen und strafte somit Mette Lügen.

      Da von ihr kein Verständnis oder gar Hilfe zu erwarten war, sprach sie die Frau nicht mehr an. Selbst die Beichte unterließ sie, denn nun traute sie auch dem Pastor nicht mehr.

      Gretge war nun in dem Alter, in die Kirchengemeinde aufgenommen zu werden und besuchte den Unterricht aller Konfirmanden. Die Unterrichtung nahmen der Pastor und der Küster, der zugleich der Schulmeister war, vor.

      Auswendiglernen von Psalmen und Gebeten war hier an der Tagesordnung. Die Geschichte von Moses und Noah fand Gretge sehr interessant. In den Konfirmationsstunden wollte kaum jemand aus Gretges Dorf neben ihr sitzen. Sie würde sich später an einige von ihnen erinnern und diese der Hexerei beschuldigen.

      Am Tag ihrer Konfirmation zog Gretge ein aus schwarzem Tuch gefertigtes Ehrenkleid an, wie es alle Mädchen im Kirchspiel Scheeßel trugen.

      Ihre Großmutter Margarethe schenkte ihr zur Konfir-mation eine reich verzierte Brustspange, wie sie auch ihre Mutter eine hatte, die den unteren Kragen zusammenhielt, und über der Schulter ein mit feiner Stickerei verziertes weißes Tuch. Eines mit Spitzenvolant konnte sich die Familie nicht leisten. Sie sollte das Kleid weiterhin tragen, bis sie eine Braut sein würde. Dass es aber dazu nicht kommen sollte, konnte zu dieser Zeit kein Mensch ahnen.

      Die Jahre 1660-1663

      I

      Nach der Konfirmation war es an der Zeit, dass sich Gretge, wie die meisten jungen Mädchen auch, auf das Leben als Ehefrau vorzubereiten hatte. So wurde sie in eine Stellung als Jungmagd vermittelt. Dort sollte sie lernen, einen Haushalt zu führen.

      So ging sie zunächst in den Haushalt der Familie Höborg in Buxtehude. Höborgs waren Kaufleute, die einen Krämerladen besaßen und Handel mit Stoffen betrieben. Sie waren beide schon über 50 Jahre alt und hatten sieben Kinder, von denen drei schon aus dem Hause waren.

      Die beiden Töchter Hanna und Dorothea waren nach Stade und Hamburg in andere Kaufmannsfamilien verheiratet und der Sohn Meinke, welcher das Geschäft einst erben sollte, war in Hamburg bei einem Großhändler in Anstellung, um dort sein Gewerbe zu erlernen.

      Die Menschen dort waren ganz anders als bei Gretge daheim. Keiner beschimpfte sie mehr als Hexenbrut, und die Leute redeten mit Ihr wie mit den anderen auch. Sie fühlte sich von Anfang an sehr wohl.

      Hier traf sie auch auf ihre vier Jahre ältere Cousine Trine, die hier schon seit zwei Jahren in Höborgs Diensten stand. Trine war eine kess auftretende junge Frau, die sich an das Stadtleben schnell angepasst hatte. Sie trug dezente Kleider, welche ihr die Herrschaft vorschrieb und zuteilte, die ihre unübersehbar üppige Figur dennoch betonten. Sie schaute sich bei den älteren Frauen ab, wie man betont mit den Hüften hin und her schwingen kann, denn darauf flogen die jungen Männer, was Trine schon sehr gefiel. Ihre Haare trug sie oft zu einem Zopf geflochten nach hinten herunter hängend.

      Durch ihre besonders langen dunkelbraunen Haare, die geflochten bis zum Gesäß reichten, war es für die Jungen Männer ein wahres Schauspiel, wenn sich ihr Zopf und die Hüften entgegengesetzt im Schwung des Gangs wiegten. Ihre üppigen Brüste trug sie dabei betont hoch. Ihre braunen Augen waren in der Gesamtheit ihrer Erschei-nung eine Abrundung dessen, was ihr mit in die Welt gegeben wurde.

      Beide Cousinen wurden Freundinnen, stammten sie doch aus dem gleichen Dorf und waren auch noch miteinander verwandt. Trine hatte die Aufgabe erhalten, Gretge in den Haushalt und die Arbeiten einzuweisen, wie es einst Bertha, ihre Vorgängerin, bei ihr getan hatte.

      Trine durfte schon ein wenig im Kontor mithelfen, wenn es darum ging, Ware zu sortieren und Regale aufzufüllen. Sie war dort jetzt für die Sauberkeit verantwortlich und hatte somit sehr viel Kontakt zu den Kunden, auch wenn sie mit dem Verkauf nichts zu tun hatte. Die Kasse hatte Frau Höborg unter sich, und die Beratung und Bedienung der Kunden übernahm in der Regel ihr Mann.

      Die Herrschaft war sehr bibeltreu und legte viel Wert auf den Glauben. Sie gingen jeden Sonntag in die Kirche und beteten vor jeder Mahlzeit, was Trine von daheim nicht kannte.

      Trines Stiefvater sah den Kirchgang eher als Zeitver-schwendung an, denn er hielt ihn angeblich von der Arbeit ab, während seine Frau es genoss, dadurch einmal unter die Leute zu kommen. Für Trine war es eine kleine Umstellung, denn die Eltern ihrer Stiefeltern sahen das alles noch gottesfürchtig.

      Sie stand jeden Morgen gegen fünf Uhr auf, schürte das Feuer und bereitete das Frühstück.

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