1975. Wolfram Hanel

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1975 - Wolfram  Hanel

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nachdem der Dicke den Scheinwerfer fertig montiert hatte, war der Hebel blockiert und blies die Luft nur noch nach hinten. Trotzdem, der Scheinwerfer verpasste dem Bus ein ziemlich abenteuerliches Aussehen, und um das Ganze perfekt zu machen, malten ihm Kerschkamp und Appaz mit einem Rest schwarzer Farbe, den sie in der Garage gefunden hatten, »Heavy Tour 75« in Spiegelschrift auf die weiße Blechnase.

      Während sie noch am Pinseln waren, klärte Kerschkamp Appaz darüber auf, dass sie letzte Nacht am Kiesteich offenbar besprochen hatten, anstelle von Hansi einfach den Ami mitzunehmen. Appaz konnte sich beim besten Willen nicht mehr erinnern, aber Lepcke wusste auch Bescheid. Der Ami wohnte eine Straße weiter, und Lepcke meinte, dass er schon länger mitgewollt und sich nur nicht zu fragen getraut habe. Und was jetzt sei?

      »Keine Ahnung«, sagte Appaz. Er war sich wirklich nicht sicher. Einerseits war der Ami eigentlich ganz nett, aber andererseits irgendwie auch verdammt komisch. Da war nicht nur die Tatsache, dass er seine Haare als bleistiftkurzen Mecki trug, weshalb er ja eben »der Ami« hieß, sondern auch, dass Appaz im letzten Jahr vielleicht gerade mal ein oder zwei Sätze mit ihm gewechselt hatte. Den anderen ging es ähnlich. Was vor allem damit zu tun hatte, dass der Ami Tag und Nacht nur auf seiner Bude hockte und Platten hörte. Hauptsächlich Chick Corea und Herbie Hancock und solche Sachen, für die Appaz sich noch nie so richtig hatte begeistern können.

      »Denk dran, der Ami hat einen Führerschein«, sagte Lepcke und guckte Appaz so komisch von der Seite an, wie es seine Art war. Als wollte er noch irgendwas sagen. Aber es kam nichts mehr. Klar, nachdem Hansi und der Dicke ausgefallen waren, war Appaz jetzt der Einzige, der offiziell fahren durfte. Weil Kerschkamp und Lepcke noch keinen Führerschein hatten und Ratte schon zweimal durch die Prüfung gerasselt war.

      »Okay«, sagte Appaz, »wer fragt ihn?«

      »Hab ich schon gemacht«, sagte Lepcke, und Appaz dachte wieder mal, dass Lepcke ein ziemlich falscher Hund war. Der Dicke dachte offenbar das Gleiche.

      »Na, ist ja toll«, sagte er von seiner Leiter herab, und knurrte noch irgendwas vor sich hin, was sinngemäß darauf hinauslief, dass er jedenfalls nicht mit dem Ami Urlaub machen würde.

      »Brauchst du ja auch nicht«, sagte Lepcke, »und außerdem würde ich mir an deiner Stelle lieber Sorgen machen, dass dir Buchmann nicht auf die Rückbank kotzt.«

      »Ach ja?«, fragte der Dicke und stieg ganz langsam die Leiter herunter.

      Genau in dem Moment klopfte aber seine Oma oben ans Fenster, wahrscheinlich weil schon länger keiner mehr zu ihr hochgeguckt hatte und ihr langsam langweilig wurde. Sie winkten ihr also alle zu, bis sie wieder zufrieden war. Und dann hielt vorne an der Straße der Samba-Bus. Mit Fenstern an der Dachkante entlang und einem Stoffschiebedach über die gesamte Länge. Quer über die Seite waren indische Kühe gemalt, die zufrieden und glotzäugig am Ufer des Ganges lagerten. Ein Typ mit Vollbart und Nickelbrille stieg aus und kam zu ihnen herübergelatscht. Ob sie Interesse an zwei Reifen hätten, mit Felge, fragte er und zeigte mit dem Kopf auf ihren Bus, einen Dachgepäckträger habe er übrigens auch noch.

      Er langte in seine Tasche und holte einen Lederbeutel hervor. Drehte erst mal eine gewaltige Tüte und ließ das Ding dann im Kreis rumgehen. Lepcke wollte nicht, aber die anderen ließen sich nicht zweimal bitten. Wobei der Dicke immer mit einem Auge zu seiner Oma hoch schielte und den Joint beim Ziehen in der hohlen Hand versteckte.

      Sie nuckelten eine Weile vor sich hin. Doch, klar, zwei zusätzliche Reifen waren vielleicht gar nicht schlecht. Was er dafür haben wolle?

      »Vierzig Mark?«

      »Nichts da«, sagte Kerschkamp und schüttelte den Kopf.

      »Vierzig Mark mit dem Dachgepäckträger«, schlug Appaz vor.

      Appaz fuhr also mit dem Typen los, um die Reifen und den Gepäckträger zu holen. Der Typ erzählte, dass er Medizinstudent sei und gerade irgendeine Prüfung bestanden habe. Und jetzt erst mal nur noch weg wolle. Nach Indien. Mit seiner Freundin, für mindestens ein Jahr! Und wenn Appaz und die anderen unterwegs wären, sollten sie sich bloß nicht anschnallen.

      »Im Bulli hast du keine Chance, wenn du angeschnallt bist«, sagte er, »wenn du irgendwo gegenschrubbst, bist du platt.«

      Er war nämlich Krankenwagen gefahren, und da hatte er VW-Busse gesehen, bei denen war das Führerhaus vielleicht gerade noch zwanzig oder dreißig Zentimeter lang. Und bei dem einen Typen, den sie rausgezogen hatten, hatte sich das Lenkrad durch den Brustkorb gebohrt.

      »Keine Chance«, sagte er. »Aber wenn du nicht angeschnallt bist, fliegst du vielleicht gerade noch rechtzeitig raus.«

      Appaz nickte und sagte, dass das ja eigentlich sowieso klar sei. Wüsste ja jeder, der VW-Bus fährt.

      Der Medizinstudent grinste Appaz an und lenkte ein Stück mit den Knien, während er einen neuen Joint rollte.

      Er wohnte irgendwo am Kanal, und seine Freundin schien nicht gerade begeistert zu sein, dass er Besuch mitbrachte. Weshalb Appaz lieber gleich sagte, dass er keine Zeit habe und nur schnell wegen der Reifen und dem Gepäckträger mitgekommen sei. Woraufhin sie allerdings auch nicht freundlicher wurde. Aber als Appaz die vierzig Mark aus der Tasche holte, griff sie zu, bevor der Typ überhaupt nur den Arm hochkriegte.

      Der Dachgepäckträger war riesig, und sie mussten ihn auf dem Samba montieren, um ihn überhaupt transportieren zu können.

      »Wäre vielleicht schlauer gewesen, wenn ich gleich mit unserem Bus hergekommen wäre …«, sagte Appaz.

      Aber anstelle irgendeiner Antwort kriegte er nur ein Kichern zu hören und den nächsten Joint hingehalten.

      Als sie wieder beim Dicken waren, war Lepcke inzwischen nach Hause gegangen, um seine Klamotten zu packen. Sie wuchteten den Gepäckträger auf ihren eigenen Bus und der Dicke holte ein Seil, um die Reifen festzubinden.

      »Sieht stark aus«, sagte Kerschkamp.

      »Denk dran«, erinnerte der Medizinstudent Appaz, »nicht anschnallen. Ihr müsst rausfliegen können, sonst habt ihr keine Chance.«

      »Komischer Typ«, stellte Kerschkamp fest, nachdem der Samba in einer blauen Qualmwolke die Straße runtergeknattert war.

      »Du hättest erst mal seine Freundin sehen sollen«, sagte Appaz.

      Kerschkamp grinste.

      Appaz grinste zurück.

      In nicht mal zwölf Stunden waren sie unterwegs! Sie erklärten dem Dicken nochmal, wann sie wahrscheinlich in Lacanau sein würden. Falls er doch noch Lust kriegte, nachzukommen.

      »Aber Buchmann kannst du ruhig vorher irgendwo absetzen«, sagte Kerschkamp und grinste schon wieder.

      »Viel Spaß mit dem Ami«, meinte der Dicke.

      Sie winkten seiner Oma zu und fuhren los. Auf dem Weg zu Kerschkamp hatte Appaz eine Idee. Sie zählten ihr Geld. Kerschkamp nickte. Sie hielten am Geha-Platz und stiefelten in den Optikladen, wo Appaz seine erste Brille bekommen hatte. Kurz vor der Fahrprüfung, als er den Sehtest nicht bestanden hatte, und der Fahrlehrer sich fast nicht mehr einkriegte, dass Appaz die ganze Zeit blind wie ein Maulwurf gewesen war.

      Appaz kaufte sich Sonnenbrillengläser, die man auf die normale Brille aufstecken konnte. Kerschkamp

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