Das Mündel des Apothekers. Stefan Thomma

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Das Mündel des Apothekers - Stefan Thomma

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Hoffentlich ist das Wasser noch genießbar, bis wir bei Mathilda sind.«

      »Die Felder außerhalb der Stadt sind auch komplett verwüstet. Überall sieht man Laufgräben und Geschützstellungen.«

      »Glaubst du, die Tore halten den Geschützen stand?«

      »Die Schweden haben direkt vor die Stadteingänge Hügel aus Erde und Kuhmist aufgeschüttet. Das soll die Geschosse so weit abbremsen, dass sie keinen Schaden mehr anrichten.«

      »Auf Ideen kommen die«, staunte Katharina.

      »Schaut nur!«, rief sie zu Simon und Katharina, »die haben mir doch glatt ein Loch ins Dach geschossen. Na, denen werde ich jetzt helfen. Auf alte Weiber mit Kanonen schießen.«

      »Was hast du vor, Mathilda?«, fragte Katharina.

      »Den katholischen Herren da draußen werde ich jetzt ein leckeres Süppchen kochen!« Achselzuckend sahen sich Simon und Katharina an. Über Mathildas Feuer hing ein Kessel, in dem eine Mischung aus Harz, Öl und Tierfett brodelte.

      »Kommt her und helft mir!« Gemeinsam schleppten sie den schweren Kessel die Treppe zum Wehrgang hinauf. Frauen warfen mit Steinen nach den Belagerern, die mit Sturmleitern versuchten, die Stadtmauer zu überwinden.

      »Macht mal Platz für ein schweres Geschütz!«, bat Mathilda die Steinewerferinnen. Nachdem sie den Kessel abgestellt hatten, rief die Hebamme zu den Angreifern: »Seht mal her, ihr Hübschen!«, und walkte ihre großen Brüste unter ihrem Kleid. »Schaut es euch genau an! Ihr werdet es nur einmal sehen!«, spottete sie und kippte den Inhalt des Kessels auf die Soldaten hinab. Brüllend vor Schmerz wälzten sich die Getroffenen auf dem aufgeschütteten Dunghaufen. »Und das ist für das Loch in meinem Hausdach«, schimpfte sie weiter und schleuderte einen faustgroßen Stein hinunter. Sie traf einen Soldaten am Brustbein, der atemringend zusammenbrach. »Kommt, wir machen noch mal eine Mischung an«, lachte Mathilda und stapfte mit ihrem Kessel die Treppe hinab.

      »Was ist los mit dir, Mathilda?«, fragte Katharina besorgt, als sich die Hebamme, geplagt von Schwindel, am Türstock festhielt.

      »Es geht bestimmt gleich wieder«, beschwichtigte sie. »Ich bin schließlich keine zwanzig mehr. Der Kessel war mir wohl zu schwer.« Mathilda tropfte der Schweiß von den Haaren, die unter ihrer Haube herauslugten.

      »Du bist blass, als hättest du dich übergeben! Leg dich lieber etwas hin.« Simon reichte ihr einen Becher Wasser, den sie in einem Zug austrank.

      Katharina wischte mit einem Tuch den Schweiß von ihrer Stirn. Erschrocken zog sie die Hand zurück, als hätte sie sich verbrannt.

      »Du hast ja Fieber! Und was ist das für eine Schwellung an deinem Hals?«

      »Mir geht es seit heute Morgen schon nicht so gut.«

      Ein junges Mädchen stürmte in die Kate, dass alle drei erschrocken hochfuhren.

      »Wir brauchen eine Hebamme! Dringend!«, rief sie.

      »Bist du nicht die Kleine vom Bäcker aus der Judengasse?«, fragte Katharina.

      »Ja. Meine Mutter liegt seit gestern Nacht in den Wehen.«

      »Seit gestern Nacht? Und warum braucht ihr dann erst jetzt eine Hebamme?«

      »Der alte Geizkragen wollte sich bestimmt wieder meinen Lohn sparen!«, krächzte Mathilda. Das Mädchen blickte beschämt zu Boden und stocherte mit ihren nackten Füßen in den Binsen. »Sag ihnen, ich mach mich gleich auf den Weg.«

      »In deinem Zustand kannst du unmöglich dort hin!«, schimpfte Katharina.

      »Dann wirst du das erste Mal allein ein Kind auf die Welt begleiten.«

      »Ich?«, entrüstete sich das Apothekermündel. »Ich bin doch keine Hebamme. Ich hab dir zwar schon öfter mal geholfen, aber allein kann ich das nicht!«

      »Wenn ihr meiner Mutter nicht helfen wollt, wird sie sterben«, schluchzte das Mädchen.

      »Und was wird aus dir?«, fragte Katharina die Hebamme.

      »Keine Angst, ich hab schon Schlimmeres mitgemacht. Und Simon ist ja auch noch da.«

      »Er wird den Bader für dich holen! Versprich mir das!«

      »Ja, und jetzt verschwindet, bevor es zu spät ist.«

      »Dann musst du mir aber zur Hand gehen!« Die Bäckerstochter nickte eifrig.

      »Und wenn es die Kaiserlichen zu bunt treiben, werde ich ihnen ordentlich den Hintern versohlen«, kicherte die Hebamme.

      Gebückt, als könnten sie sich somit vor den kaiserlichen Kanonen schützen, huschten die beiden durch die Straßen. Gesteinsbrocken der geborstenen Mauern erschwerten ihr Vorankommen. Mehrfach erschraken sie, wenn weitere Einschläge der Geschütze zu hören waren. In den Gassen saßen Bauern und Handwerker aus den umliegenden Dörfern, die vor den Soldaten in die Stadt geflüchtet waren. Schon wenige Tage nach der Belagerung Nördlingens waren ihre Vorräte aufgebraucht. Hunger war jetzt ihr ständiger Begleiter.

      Der Bader Nepomuk Fromme sägte vor der Baderstube einem verletzten Soldaten ein Bein ab. Dieser wurde von den Schmerzen bewusstlos und bekam von all dem nichts mehr mit. Frommes Bademägde versorgten die Verwundeten im überfüllten Haus.

      »Zunächst brauche ich heißes Wasser und Leinenstreifen«, wies das junge Apothekermündel die umherstehenden Frauen an. Die nassgeschwitzte Bäckerin war geschwächt und stöhnte. Die Tochter hielt ihre Hand und wischte den Schweiß von der Stirn ihrer Mutter. Nachdem Katharina den Bauch der Gebärenden abgetastet hatte, erklärte sie:

      »Das Kind liegt falsch herum. Aber ich hab Mathilda schon mal zugeschaut, wie sie das im Leib gedreht hat.«

      »Sie hat schon mal zugeschaut«, wiederholte Heidrun, die Base der Bäckerin, abwertend. »Ich hab’s ja gleich gesagt, dass ein so junges Ding keine Ahnung hat.«

      Katharina schmierte sich die Hände mit Gänsefett ein und ertastete die Lage des Kindes. Mit Hilfe eines Stockes führte sie eine Schnur ein und befestigte eine Schlinge um ein Beinchen des Ungeborenen. So sollte die Steißlage aufgehoben und das Kind mit den Beinen voran das Licht der Welt erblicken.

      »So, und jetzt pressen!«, forderte Katharina die sichtlich geschwächte Frau auf, während sie sanft an der Schur zog. Sie bekam das Beinchen zu fassen.

      »Gleich habt Ihr es geschafft.« Mit letzten Kräften bäumte sich die Bäckerin noch einmal auf.

      Die Anwesenden starrten auf das Neugeborene. Das Gesicht war blau angelaufen. Der Körper leblos. Katharina tätschelte seine Wange und gab ihm mehrmals einen Klapps auf den Hintern. Vergebens.

      »Bäckerin, Euer Kind … es atmet nicht. Die Nabelschnur hatte sich um den Hals gewickelt und es erstickt«, berichtete ihr Katharina voller Mitgefühl.

      »Kindsmörderin!«, schrie Heidrun.

      »Hätte

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