Fröhliches Morden überall. Margit Kruse
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Читать онлайн книгу Fröhliches Morden überall - Margit Kruse страница 3
Ein erstes Treffen im gemütlichen Wohnzimmer mit freiem Blick auf den Ort sollte einige Dinge klären, zu denen sich Thomas eine Liste gemacht hatte. Doch seine Mutter, die ihren blauen Thermomantel samt roter Mütze achtlos auf einen Sessel geworfen hatte, legte los, bevor er die Liste vorlesen konnte.
»Wir könnten für Heiligabend Grünkohl kochen. Im Ort gibt es einen Metzger und einen Edeka, habe ich gesehen. Und einiges an Vorräten haben wir ja mitgebracht.«
»Heiligabend isst man Kartoffelsalat mit Würstchen. Ganz traditionell. Den kann man schon morgens zubereiten. Das macht viel weniger Arbeit. Bei uns ist das seit jeher so, dass es an Heiligabend Kartoffelsalat gibt. Nicht wahr, Margareta?« Waltraud nahm auf dem Sofa Platz und schaltete den Fernseher ein. »Meine Lieblingssendung fängt gleich an. Die darf ich nicht verpassen.« Mit der freien Hand griff sie nach den selbst gebackenen Plätzchen auf dem Teller, der als Willkommensgruß auf dem Wohnzimmertisch stand.
»Moment, Moment, hier kann nicht jeder machen, was er will. Ich habe einige Punkte notiert, die ich gerne verkünden möchte.« Thomas brach der Schweiß aus, den er sich mit dem Ärmel seines schicken dunkelblauen Pullovers abtupfte.
Margareta sagte nichts, seufzte nur und setzte sich neben ihre Mutter auf das Sofa. Sie wusste, dass diese Liste sinnlos war. Die alten Frauen würden sich niemals danach richten.
»Und wir werden sehen, was wir an den Feiertagen auf den Tisch bringen. Vielleicht einen Braten?«, fragte Eleonore, starrte ihren Sohn an und hoffte, dass er jetzt nichts Falsches sagte.
»Wir sind nicht zum Kochen und Braten hergekommen. Erholung ist angesagt. Im Ort ist ein gutes Restaurant, da werden wir an den Feiertagen essen. Dazu habe ich mir Folgendes notiert.«
Doch wieder unterbrach ihn seine Mutter und polterte los: »Was soll ich denn den ganzen Tag machen, wenn ich nicht kochen darf? Der Fernseher ist ja von der hier belegt.« Verächtlich deutete sie auf Waltraud.
»Du kannst eine Wanderung unternehmen. Der Pilgerweg auf den Kreuzberg ist äußerst interessant. Damit kannst du beginnen und dabei über deine Schandtaten nachdenken. Hm, was meinst du, Mutter?«
»Willst du, dass ich gleich wieder abreise? Was soll das? Außerdem: Wer weiß, was die da im Lokal kochen!«
»Ich verlese jetzt meine Notizen, hört zu. Bezüglich des Fernsehgerätes habe ich mir gedacht …«
Weiter kam er nicht. Eleonore und Waltraud bekamen sich in die Haare und es flogen verbal die Fetzen.
Margareta wurde es zu bunt. Sie zog sich ins Schlafzimmer im Obergeschoss zurück. Sie musste schmunzeln. Genau so hatte sie es sich vorgestellt. Das konnte nicht gutgehen. Sie ging zum gardinenlosen Fenster und schaute hinaus. Was für ein friedlicher Anblick. Das kleine Örtchen, wie es im frostigen Überzug dalag. Die Sonne schaffte es nicht, die Eiszapfen, die am tiefen Dach hingen, zum Schmelzen zu bringen. Wie die Soldaten reihten sie sich nebeneinander auf und glitzerten traumhaft schön. Margareta öffnete das Fenster. Eine eisige Kälte schlug ihr entgegen. Neugierig brach sie sich einen Zapfen ab, um festzustellen, wie kalt er war. Ein wunderbares Stück Natur, dachte sie, bevor sie den Zapfen auf den Rasen warf und das Fenster schloss. Sie widmete sich ihrem Gepäck, entschied sich für das rechte Bett, hievte ihren Koffer und die große Reisetasche darauf und begann nach einem Blick in den Kleiderschrank mit dem Auspacken.
»Ich wollte das rechte Bett«, meldete sich Thomas zu Wort, der soeben den Raum betrat.
»Die Frau liegt rechts, der Mann links. Das ist auch in einer Gruft so.«
»Wer sagt das? Ist das ein Gesetz? Außerdem habe ich noch nicht vor, zu sterben. Ein Mann muss immer in der Nähe zur Tür schlafen, um die Frau im Notfall beschützen zu können.«
»Ich kann mich alleine verteidigen«, widersprach Margareta, entnahm ihrem Koffer Kleidungsstück für Kleidungsstück und legte es in den rustikalen Bauernschrank. Das kann ja heiter werden, dachte sie, nahm es jedoch gelassen. Zur Not war im Zimmer ihrer Mutter noch ein Bett frei.
Thomas knetete sein Kinn und wartete ab. Als Margareta keine Anstalten machte, das Bett zu räumen, belagerte er beleidigt das linke Bett.
»Und, haben sie sich die Punkte auf deiner Liste angehört, die beiden Damen? Jedenfalls herrscht da unten Ruhe.«
»Ich bin auf taube Ohren gestoßen. Meine Mutter ist beleidigt. Sie ist zu Fuß los in den Ort, um einzukaufen. Deine Mutter hat die Beine hochgelegt und schaut fern.«
»Willst du ihr das verbieten?«
»Nein, natürlich nicht. Aber ich bin der Meinung, dass wir das Fernsehen zeitlich begrenzen sollten.«
»Warum? Ist das hier eine Jugendherberge? Sie sind doch erwachsen. Wenn sich jemand gestört fühlt, kann er sein Zimmer aufsuchen.« So ein Paragrafenreiter, dachte Margareta und fragte sich, ob er schon immer so kleinkariert war.
»Ordnung hat noch niemals geschadet!«
»Wir beide schauen kaum fern. Sollen sich die beiden doch um die Fernbedienung schlagen.«
»So siehst du das?«
»Ja, klar. Du kannst nicht alles regeln. Das ergibt sich schon. Lass es locker angehen!« Sie machte ein paar Schritte auf ihn zu, schmiegte sich in seine Arme und küsste ihn. Margareta wollte sich das wohlige Gefühl, dass sich in ihr ausbreitete, nicht kaputt machen lassen. Weihnachten, das Fest der Liebe, der Wärme und der Hoffnung. Und das Fest des guten Essens. Das Hotel Albers war ihr mehrfach empfohlen worden. Wieso sollte es dort kein gutes Weihnachtsessen geben? Die Mütter fügten sich schon noch. Eleonore würde alte Geschichten erzählen und Waltraud würde ihre beisteuern. Schlimmstenfalls würden sie sich zanken. Das konnte durchaus auch unterhaltsam sein.
Als Margareta eine Stunde später die Treppe ins Untergeschoss hinunterstieg, herrschte im Wohnzimmer eitel Sonnenschein. Eleonore war zurück und hatte Kaffee für alle gekocht. Nachdem sie sich gemeinsam an den Tisch gesetzt hatten, erzählte sie eine Anekdote von Weihnachten 1947. »Damals gab es gar nichts. Mein Vater musste seine geerbten Skier opfern, um den Ofen für das Badewasser anzuheizen. Ich war gerade ein halbes Jahr alt«, gab ihr frisch geschminkter Mund von sich.
Thomas schüttelte den Kopf. Er kannte diese Geschichte zur Genüge. Der Clou war, dass immer etwas anderes dran glauben musste. Einmal wurden Skier verheizt, ein weiteres Mal die Gitarre und manchmal sogar ein guter Esszimmerstuhl. »Da siehst du, wie schlecht die Zeiten waren, Mutter. Zum Glück sind hier moderne Badezimmer, und wir brauchen kein Möbelstück zu opfern, um dich zu baden. Heute gibt es Extreme in die gegensätzliche Richtung. Zum Beispiel, wenn du dir für 120 Euro eine total bekloppte Frisur machen lässt.«
Empört riss Eleonore den Mund auf. »Das geht dich überhaupt nichts an. Das habe ich von meiner Rente bezahlt.«
»Nur komisch, dass du, solange Vater noch lebte, herumgelaufen bist wie eine graue Maus. Seit es in deinem Leben diesen Pfarrer Morgenrot gibt, trägst du diese extravagante Zebrafrisur.«
»Passt es dir nicht, dass Pfarrer Morgenrot sich so rührend um mich kümmert? Man könnte meinen, du wärst eifersüchtig?«
Jetzt musste Thomas lachen. So laut und heftig, dass er sich an einem Zimtstern böse verschluckte und um Luft rang.